Nationaldenkmal für Bismarck
Das Nationaldenkmal für Bismarck auf dem Königsplatz vor dem neuen Reichstagsgebäude somm am 3. Juni feierlich in Gegenwart des Kaisers enthüllt werden.
Es sind dem Gründer des Deutschen Reichs, als er noch unter den Lebenden wandelte, bereits an verschiedenen Orten von dankbaren Vaterlandsfreunden Statuen errichtet worden, das Monument aber, das hier Reinhold Begas geschaffen hat, überragt alle andern an Bedeutung, es verdient in Wahrheit den Namen eines Nationaldenkmals.
Von den riesenhaften Maßen, in denen das Kunstwerk geschaffen ist, giebt unser Bild eine Vorstellung, auf dem der Schöpfer des Denkmals neben der Figur des eisernen Kanzlers wie ein Zwerg erscheint. Als seiner Zeit die Bewerbung um das Nationaldenkmal für Bismarck ausgeschrieben wurde, galt es alsbald für so gut wie ausgemacht, daß kein anderer als Reinhold Begas mit der Aufgabe betraut werden würde. Das vollendete Werk zeigt, daß er der rechte Mann gewesen. Er ist mit einer Schaffenskraft und Frische an die Arbeit gegangen, die jeden Gedanken daran verscheucht, daß Reinhold Begas in diesem Monat bereits in das achte Jahrzehnt seines Lebens eintritt.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Ausgabe 22/1901 von Die Woche.
Die Enthüllung des Nationaldenkmals für den Fürsten Bismarck in Berlin
Die Enthüllung des Nationaldenkmals für den Fürsten Bismarck in Berlin ist am 16. Juni im Beisein des Kaiserpaares unter der lebhaftesten Anteilnahme der Einwohnerschaft vollzogen worden.
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Stundenlang wogte vor Beginn der auf zwölf Uhr Mittag angesetzten Feier bereits auf den Straßen, die zum Königsplatz führen, eine große Menschenmenge einher, und früh nahmen die dazu berechtigten Personen ihre Plätze auf den Tribünen ein. Auf dem großen Platz entwickelte sich alsbald ein prächtiges, buntbewegtes und an Abwechslung reiches Bild. Hier die Uniformen der Offiziere, dort die der Minister und Kammerherrn, hier die Volksvertreter, dort die Gemeindevertreter im schwarzen Frack, der bei dem einen durch ein Ordensband, bei dem andern durch die goldene Amtskette eine kleine Aufheiterung erfährt, dazwischen die Universitätsrektoren in ihren farbigen Talaren. Auf den Tribünen eine große Anzahl Damen, vielfach trotz des trüben veränderlichen Wetters in hellen Sommerkleidern. Die Rampen des Reichstagshauses besetzt von Kriegervereinen, in der Mitte fünfzehnhundert Schüler und Schülerinnen die in ihren weißen Kleidern einen besonders frischen und lieblichen Anblick gewähren. Den Abschluß bilden die Abordnungen der Studenten von Universitãten, Technischen und andern Hochschulen, viele Hundert jugendlicher Gestalten in ihrem bunten „Wichs“ mit ihren zahlreichen Fahnen. Die Enthüllung des Bismarckdenkmals ist ein Nationalfest, aber auch Ausländer sind da, die einmal über das andere ihre Bewunderung darüber Ausdruck geben, mit welcher musterhaften Ordnung alles zugeht, mit welcher Ruhe die vielen Tausende von Menschen sich ansammeln, ohne daß die geringste Störung zu merken wäre.
Die Augen schweifen umher, man hält Umschau nach berühmten Persönlichkeiten und findet reiche Ausbeute. Endlich naht der Kaiser und die Kaiserin. Der Reichskanzler Graf Bülow, der Vorsitzende des Denkmalkomitees v. Levetzow und der Reichstagspräsident Graf Ballestrem begeben sich zu ihrem Empfang vor das Kaiserzelt, dann wird noch ein kleiner alter Herr herangeholt. Die Jüngeren kennen ihn nicht mehr, die Aelteren aber nennen den Namen Delbrücks, des ältesten Mitarbeiters Bismarcks beim inneren Ausbau des Reiches. Sobald das Kaiserpaar das Zelt betreten, beginnt die Feier. Aus den frischen Kehlen der Schulkinder schallen ergreifende Töne empor, Beethovens unvergänglicher Hymnus; „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre.“ Dann wird es wieder still in dem weiten Rund, Herr von Levetzow übergiebt mit einer kurzen Ansprache das Denkmal dem Reichskanzler, auf daß Kaiser und Reich, Bundesrat und Reichstag es in Schutz und Obhut nehmen. Graf Bülow antwortet, er hält die eigentliche Festrede, ein oratorisches Meisterstück.
Graf Bulow spricht klar und accentuiert, je länger er spricht, mit desto höherem Schwung. Allein er ergeht sich nicht in eitel Phrasen zum Preise des eisernen Kanzlers, er spricht nicht nur, er sagt auch etwas. Seine Rede, die öfter und öfter von Beifall begleitet wird, hat einen bedeutsamen Inhalt, sie ist eine eingehende Würdigung des gewaltigen Staatsmanns und zugleich eine Art Regierungsprogramm. Nicht, als ob es sich Graf Bülow hätte beikommen lassen, Tagesfragen zu berühren, aber er legt dar, welche Lehren er aus dem Wirken Bismarcks, „auf dessen Schultern wir in jeder Hinsicht stehn“ für die Politik gezogen hat. Seine Ansprache, die einen tiefen Eindruck hinterläßt, gipfelt in einem Hoch auf den Kaiser, die deutschen Fürsten und das geliebte deutsche Vaterland. Das Hoch findet begeisterten Wiederhall, und spontan ertönt aus der Festversammlung die Nationalhymne. Dann giebt auf die Bitte des Herrn v. Levetzow der Kaiser das Zeichen, und während die Kinder, von mehreren Musikkapellen begleitet, „Deutschland, Deutschland über alles“ singen, gleitet langsam die Hülle von dem Denkmal, das sich nun in seiner ganzen Pracht den bewundernden Blicken der Beschauer darbietet. Ein Rundgang der Ehrengäste beschließt die Feier, aber zuvor schreitet der Kaiser allein zum Denkmal und legt am Sockel einen Kranz nieder mit der Inschrift: „Des großen Kaisers großem Diener.“ Die ganze Feier war einfach, aber in ihrer Einfachheit würdig des Gewaltigen, dem sie galt.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Ausgabe 25/1901 von Die Woche.