Die Kaisertage in Posen und Frankfurt a. O.

Die Anwesenheit des Kaiserpaars in Posen der Stadt erhebende Momente gebracht. Von dem Augenblick an da die Majestäten ihren Einzug hielten, Oberbürgermeister Witting sie begrüßte und sein Töchterchen, aus dem Kreis der Ehrenjungfrauen hervortretend, der Kaiserin einen Rosenstrauß überreichte, bis sie die Rückreise nach Berlin antraten, herrschte eitel Jubel.

Kein Mißklang trübte die Freude deutschen Bevölkerung, dem Kaiser ihre Anhänglichkeit bezeugen zu dürfen, der als Friedensfürst nach Posen kam in anderem Sinn noch als sonst. Wie er im Rat der Völker der Welt die Ruhe erhalten hilft, so wünscht er auch die Zerwürfe zwischen den Nationalitäten beseitigt zu sehn, unter die preußischen Ostmarken leiden. Er hat deutlich genug gezeigt, daß er versöhnlich gestimmt ist. Die Polen brauchten die ihnen gereichte Hand zu ergreifen, und es soll vergessen sein was sie in der Vergangenheit Tadelnswertes gethan haben. Es ist zu hoffen, daß der Besuch des Kaisers auch an ihnen nicht wirkungslos vorübergegangen ist; natürlich werden sie nicht von heute auf morgen die „braven Preußen“ werden, zu denen sie der Kaiser gern machen möchte; aber es ist der Masse der polnischen Bevölkerung doch einmal eindringlich die Macht und der Glanz der Hohenzollernkrone vor Augen geführt worden, und gerade dafür sind sie empfänglich. Der Eindruck wird um so nachhaltiger sein, wenn sie sehn, daß die ihnen gegenüber eingeschlagene Politik bei aller notwendigen Festigkeit den versöhnlichen berechtigte Eigentümlichkeiten berücksichtigenden Worten des Kaisers entspricht. Wird es den Polen dadurch leichter gemacht, sich auf den Boden der geschichtlichen Thatsachen zu stellen, so ist andrersets auch ihren utopischen Zukunftsträumen ein harter Stoß versetzt worden durch die Betonung der deutsch-russischen Waffenbrüderschaft.

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Sie sind wieder daran gemahnt worden, daß ihre Hoffnungen auf Rußland, die sie trotz aller entgegenstehenden Erfahrungen nicht fallen lassen mögen, hinfällig sind. Und wenn sie mit dem fünften Armeekorps etwa über die Posensche Grenze mit gegangen sind in die Provinz Brandenburg, dann werden sie gesehn haben, daß sie nirgends auf Unterstützung in ihren Selbständigkeitsgelüsten zu rechnen haben. In Frankfurt a. O. wo der Kaiser vom Oberbürgermeister Dr. Adolph auf dem Wilhelmsplatz begrüßt wurde, umbrauste ihn die gleiche Begeisterung wie in Posen, und in seiner Umgebung waren die Vertreter fremder, mit dem Deutschen Reich befreundeter Mächte noch zahlreicher, als dort. Es sei hier nur an die englischen Manövergäste erinnert, die auf ihrer Reise auch in Berlin gewesen sind. Den Porträts von deutschen und fremden Offizieren, die bei den großen Manövern als Führer oder Zuschauer beteiligt waren, fügen wir heute noch die des italienischen Generalstabschefs Saletta und des Kommandeurs unserer neunten Division, Generalleutnants von Eichhorn, an.

Einzug des Kaiserpaares in Posen – Ansprache des Oberbürgermeisters Witting
Die englischen Manövergäste des Kaisers in Berlin
Der Oberbürgermeister von Frankfurt a. O. Dr. Adolph, begrüßt den Kaiser auf dem Wilhelmplatz

Aus der Umschau

Die Posener Kaisertage sind ohne den geringsten Mißton vorübergegangen. Die Rede, in der sich der Kaiser über die Polenfrage äußerte, war durchaus vom Geist der Versöhnung getragen; die scharfen Vorwürfe, die der Monarch in Marienburg gegen die Polen erhoben hatte, waren zu der Klage herabgestimmt, daß sich ein Teil der „Unterthanen nichtdeutschen Namens“ nur schwer in unsere Verhältnisse zu finden scheine.

Allein der Kaiser sieht nicht pessimistisch in die Zukunft, er hat die Hoffnung nicht verloren, daß aus den Polen noch „brave Preußen“ werden möchten, wenn sie erst seine wahren Absichten erkannt haben. Das freilich müssen sie einsehen, daß die Provinz Posen unlöslich mit der preußischen Monarchie verknüpft ist, aber sie brauchen deshalb nicht zu fürchten, daß ihre Konfession angetastet, daß ihre Stammeseigentümlichkeiten und Ueberlieferungen ausgelöscht werden sollen. Diese Versicherung gab Kaiser Wilhelm den Polen, während er Forderungen nur an die Deutschen stellte. Sie sollen den allen Parteihader fahren lassen, und die Beamten insbesondere sollen unbedingt und ohne Zaudern die Politik durchführen, die er als richtig für das Wohl der Provinz erkannt hat.

Dieser Artikel erschien zuerst am 13.09.1902 in Die Woche.