Die Mittelmeerfahrt unseres Kaisers, die ursprünglich lediglich als Erholungsreise gedacht war, hat durch ihren Verlauf hohe, politische Bedeutung gewonnen. Die Zusammenkunft Wilhelms II. mit Alfons XIII. in Vigo hat die guten spanisch-deutschen Beziehungen gestärkt, die Zusammenkunft mit Viktor Emanuel in Neapel aufs neue den Bestand und die Festigkeit des Dreibundes erhärtet.
Den jungen spanischen Herrscher sah der Kaiser bei dieser Gelegenheit zum erstenmal; jener kam aus Madrid nach der Hafenstadt zunächst lediglich, um einer Pflicht der Höflichkeit zu genügen, allein, man darf sicher sein, daß die beiden Monarchen sich nicht darauf beschränkt haben, einander ihren Gruß zu entbieten und von der schönen Gegend zu reden. Kaiser Wilhelm empfing König Alfons kurz nach seiner Ankunft auf dem Deck des Kreuzers „Friedrich Karl“, die beiden Fürsten küßten einander und verschwanden alsbald in der Kabine, wo sie etwa 45 Minuten im Gespräch ohne Zeugen verweilten.
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Bei dem Gegenbesuch, den dann der Kaiser auf der Jacht des Königs „Giralda“ abstattete, folgte eine zweite einstündige Unterredung. Was sie miteinander besprachen, davon hat man natürlich nichts erfahren, aber die freundschaftlichen Gesinnungen, die sie füreinander hegen, traten bei den Mahlzeiten, zu denen sie sich mit ihren Gefolgen vereinigten, deutlich genug zutage. Der Laiser bekundete seine Gefühle auch, indem er den König, der bereits Chef eines preußischen Infanterieregiments ist, à la suite der deutschen Marine stellte.
Von Vigo ging die Fahrt weiter nach Gibraltar, wo die britischen Behörden wetteiferten, dem Kaiser zu zeigen, daß er auf englischem Boden nicht minder gern gesehen wird als auf spanischem. Am glänzendsten aber war die Aufnahme, die ihm in Neapel von den Behörden und von der ganzen Bevölkerung bereitet wurde.
Hier herrschte wahrhafte Begeisterung, die ihren Höhepunkt erreichte, als Italiens König kam, um seinen deutschen Verbündeten zu begrüßen. In Neapel wurde auch der Welt verkündet, was die beiden Monarchen einander zu sagen hatten, in warm gehaltenen Trinksprüchen brachten sie es zum Ausdruck. Es war nichts Neues, und gerade darin lag die Bedeutung. Der Besuch, den Viktor Emanuel vor kurzem in Paris gemacht hat, die bevorstehende Reise des Präsidenten Loubet nach Rom hatten doch hier oder dort die Hoffnung oder Befürchtung erregt, daß sich eine neue Gruppierung der europäischen Machte vorbereite. Die beiden Monarchen ergriffen die Gelegenheit, um alle Zweifel über ihre Politik zu beseitigen. Nicht nur der eigenen Freundschaft füreinander gedachten sie in ihren Toasten, sondern auch des Kaisers Franz Josef als ihres gemeinsamen Verbündeten. Sie betonten, daß der Dreibund, das Bollwerk des Friedens, in alter Festigkeit fortbestehe; und diese Kundgebung erhielt noch erhöhtes Gewicht dadurch, daß gleichzeitig das italienische Parlament in Rom sich einstimmig zu der in Neapel aufs neue proklamierten Politik bekannte.
Dieser Artikel erschien zuerst in Die Woche 14/1904.
Die Mittelmeerreise Kaiser Wilhelms.
Die Erholungsfahrt unseres Kaisers in die Länder des Mittelmeers hat ihn außer mit Spaniens und Italiens Monarchen auch mit andern Fürstlichkeiten zusammengeführt.
In dem herrlichen, von der stolzesten Festung des Reichs gekrönten Golf von Gaéta stattete er auf dem Panzerschiff „Re Umberto“ der Königinmutter Margherita von Italien einen Besuch ab, den sie am selben Tag noch an Bord der „Hohenzollern“ erwiderte. Diese Zusammenkunft war natürlich ganz unpolitischer Natur, sie zeigt, wie die traditionelle Freundschaft zwischen den Häusern Savoyen und Hohenzollern deren Mitgliedern Herzenssache ist. Daher trieb es den Kaiser, auch die Königin Margherita zu sehen, deren Gemahl mit Kaiser Friedrich persönlich in einem so innig-freundlichen Verhältnis gestanden hat.
Mit der Kronprinzessin von Schweden und Vorwegen, bekanntlich eine geborene badische Prinzessin, traf er in Capri, der lieblichsten Insel des Tyrrhenenmeers, zusammen. Dorthin hatte Kaiser Wilhelm nach den Neapeler Festtagen, in deren Verlauf er übrigens auch die bekannte, von Professor Dohrn geleitete deutsche zoologische Station aufsuchte, einen Abstecher gemacht.
Während der Ostertage, die gerade auf Sizilien durch sehenswerte malerische Volksfeste begangen werden, lag die kaiserliche Jacht im Hafen von Messina. Hier nahm der Kaiser eifrig an den Gottesdiensten an Bord teil und fuhr, wenn er seinen religiösen Bedürfnissen Genüge getan hatte, an Land um die Insel mit den Eigentümlichkeiten ihrer Natur und ihrer Bevölkerung kennen zu lernen. Und er lernte die Sizilianer von ihrer besten Seite kennen, denn sie begegneten ihm gleich den andern Italienern überall mit liebenswürdiger Herzlichkeit. Kam er in die Stadt Messina, so umbrauste ihn der Jubel der Einwohnerschaft, blieb er im Hafen, so kamen die Leute, um ihre Ovationen in den verschiedensten Formen darzubringen. Und wie in Messina fand er die freundliche Stimmung auch in Taormina, wohin er bei prächtigem Wetter einen Ausflug machte. Der warme Empfang, der ihm überall bereitet wird, muß sein Gemüt erheben; wir dürfen daher hoffen, daß seine Erholungsreise ihren Zweck nach jeder Richtung erfüllt.
Dieser Artikel erschien zuerst in Die Woche 15/1904.