Wie Präsident Roosevelt wohnt

1904, von F. E. Osthaus. Am 8. November hat das amerikanische Volk mit überwältigender Mehrheit entschieden, daß Präsident Theodor Roosevelt noch weitere vier Jahre im Weißen Haus zu Washington herrschen soll.

Gewiß wäre es dem Präsidenten und seiner Familie auch schwer geworden, schon im nächsten Jahr von diesem wunderbaren, erst jüngst auf ihre Veranlassung zum Teil umgebauten, vergrößerten und renovierten Palast und dessen herrlicher Umgebung scheiden zu müssen. Tritt man auf den Balkon des Hauses nach der Straßenfront zu, so schweift das Auge über einen wundervollen Park mit weiten Rasenflächen und einer Fülle schöner Statuen, rechts und links stehen als Nachbarn die Monumentalbauten des Kriegsministeriums und des Schatzamtes. Von der Veranda auf der Rückseite des Weißen Hauses überblickt man einen weiten und prächtig angelegten Garten, voll weitschattiger alter Bäume, von schön gehaltenen Fahr und Spazierwegen durchschnitten. Darüber hinaus reicht der Blick bis zu den Ufern des Potomacflusses.

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Das Weiße Haus, wie das Volk den Palast seines obersten Beamten genannt hat, wurde unter dem ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten, George Washington, begonnen und hat allen Präsidenten als Wohnung gedient. Zwar wurde es 1814 von den Engländern eingeäschert, in seiner ursprünglichen Form aber wieder aufgebaut und blieb dann fast unverändert, bis sein jetziger Bewohner es bezog. Bis dahin war es Palast, Wohnhaus und Bureau zusammen.

Auf Roosevelts Veranlassung wurde ein nur für Bureauzwecke bestimmtes einstöckiges Gebäude angebaut, das mit dem Hauptgebäude durch einen verdeckten Gang verbunden ist. So gewann man im Weißen Haus eine ganze Anzahl neuer Räumlichkelten, besonders im Erdgeschoß. Zu gleicher Zeit wurde das Innere zum Teil umgebaut und zum Teil renoviert, wobei freilich der Geschmack der Gattin und Tochter des Präsidenten nicht immer getroffen wurde. Es entstand das Weiße Haus, wie es heute die Besucher und Gäste des Präsidenten begrüßt, wenn sie, wie z. B. am Neujahrstag, zu Tausenden sich einstellen um ihm die Hand zu schütteln oder wenn er die Diplomaten, Minister und andere hervorragende Persönlichkeiten als Gäste an seinem Tisch sieht. Ein imposanter Portikus von schneeweißen Säulen bildet den Haupteingang (Abb.). Unter diesem Portikus pflegt Roosevelt mit seinen Gästen an schönen Abenden zu sitzen und nach dem Essen die Zigarre zu rauchen.

Haupteingang

An der West· und Ostseite ziehen sich breite überdachte Terrassen hin, die von Steinbalustraden begrenzt werden.

Bei großen Empfängen wird dieser Eingang nicht benutzt, sondern ein neu geschaffener im Kellergeschoß. Dort ist eine geräumige Halle gebaut worden, von der aus man in einen langen, von der östlichen Terrasse gebildeten Gang gelangt, wo die Ueberröcke, Mäntel, Hüte usw. von mehr als 2500 Personen untergebracht werden können.

Anrichte, entworfen von Frau Roosevelt

In früheren Zeiten mußten diese Besucher im Freien warten oder sich im Portikus und in der Eingangshalle zusammendrängen, bis die Reihe an sie kam. Vom Korridor aus führt eine breite Doppeltreppe nach dem ersten Stock, wo sich die Staatsgemächer befinden. Hier liegt der große Speisesaal, in dem gegen 100 Personen sich niederlassen können.

Kaminplatz im großen Speisesaal

Die Wände sind mit Eiche getäfelt, silberne elektrische Lampen erleuchten den Raum, ein mächtiger Marmorkamin (Abb. nebenst.) ziert die eine Wand, und die kunstvollsten vlämischen Stickereien und Gobelins statten die Wände aus, von denen die geweihgeschmückten Köpfe des Elks, des Wapitis und anderer amerikanischer Hirsche herabblicken. An den Speisesaal schließt sich der berühmte rote Salon an (Abb. S.), der früher Empfangszimmer war, jetzt aber als Rauchzimmer dient.

Das Rauchzimmer

Zum Empfang besonders hervorragender Gäste dient jetzt der Blaue Salon (Abb.), die Perle des Weißen Hauses. Der mattblaue Damast, der früher die Grundfarbe bildete, ist verschwunden, und an seine Stelle ist schwere gerippte Seide von stahlblauer Farbe getreten, mit der sowohl die Wände wie die Decke verhüllt sind. Die Verzierung kehrt allenthalben wieder.

Das Empfangszimmer, der sogenannte blaue Salon

Ueber jedem der drei Fenster ist ein goldener Adler angebracht. Ein schneeweißer Marmorkamin hebt sich prächtig von dem blauen Hintergrund ab. Hier empfängt, wie gesagt, der Präsident seine Gäste, und hier drückt er auch den freien amerikanischen Bürgern bei den öffentlichen Empfängen die Hand. Eine starke seidene Schnur bezeichnet den Weg, den diese dabei, vom Roten Salon kommend, einzuschlagen haben, um durch den Blauen und Grünen nach dem großen östlichen Salon zu gelangen, in dem Frau Roosevelt ihre Gäste zu begrüßen pflegt.

Ueber den Staatsgemächern befinden sich die Wohnräume des Präsidenten. Hier liegt auch sein Studierzimmer (Abb.) mit dem alten massigen Schreibtisch, den seit einem halben Jahrhundert die Präsidenten der Vereinigten Staaten benutzt haben. In goldenen Buchstaben sind dar auf ihre Namen und die Amtsdauer jedes einzelnen verzeichnet. In diesem Zimmer ringt Roosevelt aber nicht nur mit Gedanken, sondern auch mit seinem “Athleten”, mit dem er boxt oder ficht. Sein Privatbureau aber, in dem er die Geschäfte mit den Ministern, Kongreßmitgliedern, Botschaftern usw. erledigt, liegt eine Treppe tiefer hinter den Staatsgemächern.

Arbeitszimmer des Präsidenten Roosevelt im Weißen Haus zu Washington

Bei der Renovierung des Weißen Hauses wurde von Mrs. Roosevelt vollständig neues Porzellan (Abb.) ausgewählt und in England hergestellt. Das Service Wedgewood besteht im ganzen aus 1296 Stücken und kostet mehr als 100 000 Mark. Es ist mit dem großen Siegel der nordamerikanischen Union geschmückt und darf nicht reproduziert werden, außer für den Gebrauch des Weißen Hauses.

Das neue Wedgewoodporzellan

Daß auch die Küche (Abbild.) mit allen modernen Einrichtungen versehen wurde, ist selbstverständlich.

Blick in die Küche des Weißen Hauses

So ist das historische Weiße Haus in eine “passende Wohnung für eine Familie der guten Gesellschaft nach hiesigen Begriffen” umgewandelt worden.

Schlafzimmer des Präsidenten

Freilich hat dies ein hübsches Stück Geld gekostet, nämlich 530 641 Dollars; dafür ist es aber auch nunmehr des Hauptes einer so mächtigen Nation würdig und verdient sicherlich nicht den Namen einer riesigen Scheune, den Madame Abigail Adams, seine erste Bewohnerin, vor etwa hundert Jahren ihm beilegte.

Dieser Artikel erschien zuerst in Die Woche 1904.