Das Wetter! Wer lugt jetzt nicht ängstlich jeden Morgen aus, wie sich’s anläßt; wer studiert nicht planmäßig die Witterungsberichte und prüft Wien, Zürich, München, Sylt auf Réaumur, auf „wolkig, bedeckt, Regen“ u. s. w.!
Hoffentlich bleibt das Wetter günstig und hebt den Mut aller Ferienwanderer, die ins Gebirge, ans Meer und nach waldumstandenen Seen pilgern wollen. Wer einen Badeort aufsucht, thut gut, mit der Toilette auch für schlechtes Wetter vorzusorgen, ebenso wer sich auf die Wanderschaft begiebt. In erster Linie muß die Touristin praktisch gekleidet sein, einem ergiebigen Guß also mit Seelenruhe entgegen sehen können, erst dann soll sie an die äußere Eleganz denken. Das Lodenkostüm wird deshalb stets das Ideal aller Reisekleider sein. Mit ein paar Blusen, einer seidenen für die Table d’hóte und zwei andern aus mittelfarbenem Waschstoff, die innerhalb weniger Stunden gereinigt sind, kommt eine Ferienkolonistin, die nur mit einem Handköfferchen reist, vollkommen aus. Anders natürlich, wer sich ein oder mehrere Tage in einem Ort aufhält, in Hotels ersten Ranges wohnt und einen Patentkoffer mit sich führt, der mehrere Kleider, mindestens zwei Hüte und einen Reservemantel enthält. Außer dem Reisekleid müssen dann mindestens noch zwei Kostüme mitgenommen werden, ein dunkles, möglichst seidenes und ein helles, luftiges, z. B. für Abendkonzerte im Freien. Daneben natürlich der elegante Mantel, der als dritte Toilette rechnet, da seine Länge und schöne Ausstattung das eigentliche Kleid ganz verdunkeln. Dagegen genügt außer dem Filzhütchen – ein Hut, der am besten ganz schwarz und mit viel Straußenfedern garniert wird.
Das paßt überall und zu jeder Zeit.
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Unsere Abbildungen geben manchen guten Wink zur Beschaffung einer modernen, aber nicht extravagant umfangreichen Reiseausstattung.
Der lange Sakkomantel Abb. 3 aus gelbweißem Tuch, höchst elegant mit Goldfiletzwischensätzen, weißgold-rosa Passementerien, deren Medaillons von rosa Chiffonrosetten umrahmt sind, und breiten Doppelbiaisen ausgestattet, bedeutet eine Toilettenhilfe nicht zu unterschätzender Art. Mangelt z. B. die Zeit zum Umkleiden, so läßt sich eben manches auf diese Weise wirklich „bemänteln“.
Auch mit einem andern als dem hier gewählten großen Florentiner mit weißer Feder und Schleifenarrangement am Stirnbügel wirkt der Sakko, der sich auch für den Aufenthalt an der See eignet, vornehm und ruhig. Modern in der Form, aber einfach in der Ausführung das beste Mittel, allgemein zu gefallen – sind die Mäntel Abb. 1 u. 2.
Während der zweite aus dunkelgraumeliertem Covertcoat mit hellgrauen, offenkantigen Tuchauflagen, diese wiederum mit Spachtelgalon verziert, so recht ein praktischer Begleiter ist, dürfte der Mantel in Abb. 1, weil zarter in Farbe und Material, jedem Wettersturz nicht ohne nachteilige Folgen trotzen.
Abb. 4 bringt ein schleppiges Kostüm von schwarzem Taffetas. Die zwölf Bahnen des Rocks, am Gürtel naturgemäß nur schmal, laden nach unten sehr keilig aus. Ein etwa handbreiter, mehrreihig durchsteppter Schrägstreifen giebt der beinah fünf Meter weiten Rockrundung erst die rechte Form. Originell ist die feste Fracktaille, und als wahres Unikum kann der Aermel gelten, der oberhalb des Ellbogens mit einer aufstehenden Stulpe eng abschließt, an die dann drei tellerrunde Formvolants in abgestuften Breiten ansetzen. Innen füllen schwarze Chiffonplissees die Weite aus. Mit der Stulpe harmoniert der Kragen aus weißer Seide. Der große schwarze Strohhut à la Fontainebleau trägt am inneren emporgeschlagenen Rand eine langwallende schwarze Straußenfeder, oben eine gleiche, aber flache Garnitur.
Eine helle Toilette aus ecrufarbenem Batistleinen zeigt Abb. 5. Alles lose, faltig, auf- und niederflatternd. Der Rock in tiefen, oben abgenähten Falten, die Um- oder Verhüllung der bequemen Bluse und der Pluderärmel.
Was von der Bluse oben sichtbar wird, ist mit irischer Guipüre bedeckt. Der von den Schultern abfallende Kragen, mit seidenen Makrameflechten gebunden, ist mit kaffeebraunen, d. h. café au lait Seidenstreifen bogenförmig besetzt, ein Ausputz, der sich auf den oberen Aermeln, den Manschetten und der „Gardine“ wiederholt. Der runde Hut ist mit Spitzeninkrustationen, Sammetschleifen und einigen Rosen hübsch aufgesteckt.
Dem allerneusten Prinzip der Zwanglosigkeit huldigt Abb. 6. Die beinah formlose Jacke aus opalweißem Tuch mit den glockenförmig sich erweiternden Aermeln trägt äußerlich einzelne Laschen, die, wie beispielsweise an den Aermeln, fest ineinandergreifen. Die eigentliche Eleganz beruht auf dem lichtgrünen Seidenfutter, das, mit schwarzen Sammetbändern abgenäht, vorzüglich zu der orientalischen Stickereiborte steht, die den Schulterkragen umgiebt. Den Schäferhut umranken rosa Spalierröschen.
Allen denen, die jetzt den Städtemauern entfliehen, wünschen wir „leichtes Gepäck!“ Ohne Toilettenschmerzen ist die Natur doppelt schön!
Dieser Artikel erschien zuerst am 12.07.1902 in Die Woche, er war gekennzeichnet mit „C. D.“.