Was die Mode bringt – April

Der böse Monat, der es weder mit dem Winter noch mit dem Frühling verderben möchte, beeinflußt auch die sonst so selbstherrliche Mode. Er fordert Gesellschaftsroben für die sich von Jahr zu Jahr später in die Saison hineinschiebenden Festlichkeiten und verlangt zugleich leichte Kostüme für die langersehnten ersten Spaziergänge im Sonnenschein.

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Aus einem neuen Stoff oder eigentlich aus der Verbesserung eines schon bekannten Stoffes ist das Modell der eleganten Frühlingstoilette in Abb. 1 gearbeitet, nämlich aus Handschuhledertuch, dessen Name schon alle Vorzüge betont. Der Charakter dieses Anzugs fällt in das neugeschaffene Gebiet des „Halbschneiderkostüms“ – eine etwas umständliche Verdeutschung des genre demi-tailleur. Neben der graugelben Farbe „Eichenrinde“ des Tuches steht die nur wenig dunklere Schattierung der Sammetstreifen und Verzierungen. Unter dem mit Sammetspangen und kurzen, dreieckigen goldsoutachierten Aufschlägen ausgestatteten Bolero wird eine Bluse aus lachsfarbener, buntgeblümter Seide sichtbar, die beinah ganz von theegelben Guipüren verdeckt wird. Aus dem Jackenärmel tritt ein sich erweiternder Spitzenärmel hervor, der wiederum eine volle Puffe aus weißer Seidengaze umhüllt, die weit über die zackige Blusenmanschette herabfällt. Der große Amazonenhut aus schwarzem Sammet ist mit weißen und naturfarbenen Straußenfedern garniert.

1. Moderne Frühjahrstoilette aus graugelbem Handschuhledertuch

Abb. 2 bringt eine Promenadentoilette aus beigefarbigem Tuch. Rock und Ueberwurf von mäßiger Weite sind am Rand nur mit ein paar Nähten abgesteppt. Der Bolero besteht aus zwei dicht übereinanderliegenden Teilen, an die sich noch ein dritter, kragenartig gerundet, anschließt, und trägt breit umgelegte, nicht angepreßte Aufschläge von beige und blau changierender Seide, mit kleinen Rosetten aus blauem Seidenmusselin besetzt. Dieselbe Verzierung wiederholt sich in Verbindung mit schmalem Sammetband auf dem Aermelschluß. Die am Ellbogen so stark ausladende Aermelform ist als Neuheit sehr beachtenswert. Der Strohhut ist auch hier wieder flach, über die Stirn hinwegragend, mit Aurikelbüscheln und Stoffrosetten garniert.

2. Promenadetoilette aus beigefarbenem Tuch

Ein Sportkostüm für die ersten Segelregatten bringt Abb. 3. Dazu ist das kräftige, aber doch sehr schmiegsame Hindugewebe verwendet, ein verfeinertes Homespun, hier von blauer Farbe. Der Schnitt des Kleides weicht von der bisherigen, fast gesetzmäßigen Einfachheit des sportlichen Toilettengenres wesentlich ab. Anstelle des fußfreien, einfachen Rockes tritt hier der den Boden berührende, aus drei übereinanderfallenden Stufen zusammengesetzte Mantelrock, der sich scheinbar über ein Unterkleid von gleichem Stoff und gleicher Farbe öffnet. Weißgepaspelte und weißdurchsteppte Stoffstreifen umgeben die Ränder, über denen in geringem Abstand nochmals einige Steppstichreihen stehen. Die Taille mit ihren jackenartigen Vorderteilen läßt eine mit armenischer Goldlitzenverschnürung verzierte Weste frei, die unter einem hohen, schwarzseidenen Faltengürtel endet. Die breite Hutform ist mit weichem, schwarzblau schillerndem Seidenstoff umwunden, aus dem ein paar tiefliegende schwarze Federstutze hervorgucken.

3. Blaues Sportkostüm aus Hindugewebe für Segelregatten und dergl.

Wohl selten stimmen zarte Farben so harmonisch zusammen wie in der Toilette in Abb. 4. Die für schlanke Gestalten so vorteilhafte Prinzeßform erhält hier einen ganz besonderen Reiz durch den prächtigen Faltenwurf, zu dem chinesischer Krepp verwendet ist. Das blaßrosa rundschleppige Gewand, dem die volle Watteaufalte eine beträchtliche Weite giebt, fließt über einem volantbesetzten Unterkleid aus grüngelblichem Seidenkrepp herab. Die kleineren Bogen am Saum sind mit Krepppuffen eingefaßt. Den großen Bogen, der das Unterkleid rechts und links sichtbar werden läßt, umrahmt ein Ornament aus gelblichen, leicht ins Graue spielenden Reticellaspitzen. Die gleiche Spitzenart wiederholt sich dann an den oberen Ecken der wallenden Ueberärmel und dem Schulterkragen, der aber noch reich mit Goldschnürchen, Goldflittern und Perlen geschmückt ist. Diese Metallstickerei leitet gleichsam zu den Goldspitzen über, die den himbeerfarbenen Shawlbolero umgeben. Das Taillenarrangement verliert sich auf der Brust unter den Kragenenden und einer gelblichrosa schillernden Sammetrosette. Der bis über den Ellbogen reichende Aermel aus Seidenkrepp ist reihenweise in enge Fältchen eingezogen.

4. Salontoilette mit Watteaufalte aus chinesischem Krepp

Der Wert der duftigen Spitzentoilette in Abb. 5 liegt natürlich in den Spitzen, aber sie wird hübsch und anmutig bleiben, auch wenn die breiten Kanten minder kostbar sind. Den Rock aus gemustertem französischem Mull umgeben zwei breite, eingekräuselte Volants. Die gleiche Spitze umspannt die feingefältete Bluse. Der Strohhut trägt nichts als eine Bandrüsche und ein Stückchen Spitze.

5. Helle Besuchstoilette aus gemustertem Mull mit Chantillyspitzen

Dieser Artikel von Traute Dockhorn erschien zuerst am 08.04.1901 in Die Woche.