Architekt: Professor Chr. Hehl in Charlottenburg.
Am Nachmittag des vergangenen Sonntags ist in dem Vororte Steglitz bei Berlin der Grundstein zu einer neuen katholischen Kirche gelegt worden, die, nach den Entwürfen des Hrn. Prof. Chr. Hehl in Charlottenburg ausgeführt, nach ihrer Vollendung zu den eigenartigsten Kirchenbauten der letzten Jahre zählen dürfte.
Es ist bereits in dem Aufsatze über die Architektur auf der diesjährigen Grossen Berliner Kunstausstellung eine Kritik des Werkes gegeben (S. 394), der wir uns voll anschliessen. – Die katholische Gemeinde in Steglitz bat sich bisher mit einem nur äusserst bescheidenen Raume in der Düppelstrasse begnügen müssen, so dass der Neubau einer Kirche seit Jahren schon zu den dringendsten Bedürfnissen der Gemeinde zählte. Er ist nunmehr in Angriff genommen worden. –
Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z. B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i. d. R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bei diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Lokalgeschichte.de gibt die Texte (zu denen i. d. R. auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen von Lokalgeschichte.de inhaltlich geteilt werden.
Der Bauplatz für die neue Kirche liegt in der Kieler Strasse; er ist rings umbaut, sodass sich für den Architekten die Nothwendigkeit ergab, den Neubau als eingebaute Kirche zu entwerfen. Daher die zentrale Anlage und daher auch die breit gelagerte Fassaden- und Thurm-Entwicklung. Letztere zeigt die charakteristischen Eigenschaften der Thürme der märkischen Dorfkirchen, die so eigenartig in dem schwermüthigen Landschaftsbilde stehen. Im übrigen ist der Bau in schlichtester Weise als Ziegelfugenbau mit weissen Blendflächen gegliedert gedacht. Die vorstehende perspektivische Abbildung und die geometrischen Zeichnungen geben ein Bild von den Absichten des Erbauers. – (Schluss folgt)
Die neue katholische Kirche für Steglitz bei Berlin.
Architekt: Professor Chr. Hehl in Charlottenburg. (Schluss)
Im Einzelnen sei zu der Planung des Bauwerkes Folgendes bemerkt: Die Thatsache, dass seitens des Kirchenvorstandes der ausdrückliche Wunsch vorlag, das Bauwerk im Geiste der romanischen Zeit ausgeführt zu sehen, ist als ein Entschluss warm zu begrüssen, der ermöglichte, von der vielfach üblichen Kirchenschablone abzuweichen und dem Gotteshause den Charakter landschaftlicher Eigenart aufzudrücken. „Auf märkischer Erde, aus märkischer Erde“, verkündet der Bau nach seiner Vollendung. Die Grundrissanlage ist eine zentrale; da bei der geringen Breite des Grundstückes eine ausreichende seitliche Beleuchtung nicht zu erlangen war, so ist dieselbe auf die Oeffnungen der Kuppel, die zu diesem Zwecke möglichst tief und unmittelbar über dem Vierungsbogen ansetzt, beschränkt. Wohl befinden sich an der Chorseite Fenster, aber sie sind von der Mitwirkung bei der Tagesbeleuchtung ausgeschlossen, da sie mit farbensatten Glasmalereien versehen werden sollen. Nur die Fenster der Kuppel und die Lichtöffnungen unter der Orgelempore bleiben ohne Malerei.
Das Verhältniss der Lichtöffnungen zur Grundfläche des Innenraumes hat der Künstler mit 1 : 15 berechnet. Sechzehn Kuppelfenster mit je 2,96 qm Fläche und zwei weitere Fenster mit je 0,78 qm Inhalt ergeben eine Gesammtlichtfläche von 48,92 qm, welcher rd. 730 qm Bodenfläche gegenüberstehen. Beim Pantheon in Rom beträgt das Verhältniss der Lichtfläche zur Bodenfläche 1:32; wenn nun hier auch der Einwand gemacht werden kann, dass unmittelbar einfallende Lichtstrahlen intensiver wirken wie solche, welche ihren Weg durch seitliche Fenster nehmen, so ist das Verhältniss doch immerhin ein solches, dass eine ausreichende Beleuchtung des Inneren erwartet werden kann. Die Lichtverhältnisse bringen es auch mit sich, dass der von der Kuppel nicht beanspruchte Theil des hinteren Kirchendaches nicht steil, sondern nahezu horizontal abgedeckt werden muss, um das freie Zuströmen des Lichtes zur Kuppel möglichst nicht einzuschränken. Der Architekt verhehlt sich zwar nicht, dass diese Art der Abdeckung dem mittelalterlichen Charakter nicht entspricht, er glaubte aber doch die dringenden praktischen Forderungen in diesem Falle den Forderungen der Stileinheit voranstellen zu sollen, wobei er ausserdem mit dem Umstande rechnet, dass die unausbleibliche Umbauung des Kirchengrundstückes von den Dachformen ohnedies nicht mehr viel in die Erscheinung treten lassen dürfte. So sind es lediglich die Vorder- und die Chorransicht, welche bei der architektonischen Komposition inbetracht kommen, wenn auch die Seitenansichten durchaus nicht vernachlässigt sind.
Im Kirchenraum ist Platz für rd. 580 Sitzplätze und 400 Stehplätze zu ebener Erde und für 100 Sitzplätze auf den beiden Seitenemporen für Sänger usw. Die Orgelempore umfasst nur einen Raum von 55 qm, welcher vom Orgelwerk eingenommen wird.
Der Gesammtaufbau und die Durchbildung der Einzelheiten sind im Geiste der märkischen Backstein-Architektur am Ausgange des XII. bezw. Anfange des XIII. Jahrhunderts gewählt. Die Anwendung einer reichen Formensprache ist vermieden, der Hauptwerth ist gelegt auf monumentale Verhältnisse; deshalb ist auch von dem kleinlichen Backstein-Normalformat abgesehen und dafür das Klosterformat gewählt, aber auch nicht in sogen. sauberer Verblendstein-Ausführung, sondern die Ausführung ist aus gewöhnlichen rothen, gut gebrannten Handstrichsteinen im märkischen bezw. wendischen Verbande mit 1,5-2 cm starken schlicht gestrichenen Fugen unter der Verwendung einfachster Formsteine gedacht.
Zur Belebung der Fassaden sind die Nischen und Hintergründe der Bogenfriese usw. hell zu putzen. Im Inneren ist alles geputzt mit Ausnahme der Gesimse und der Säulen mit Sockeln und Kapitellen, welche in Backstein-Ausführung stehen bleiben. Die Putzflächen bleiben einer reichen Bemalung. Vorbehalten. Die Dach- und Helmkonstruktionen sind aus Holz, die der Kuppel aus Schmiedeisen. Als Deckmaterial für Thurm- und Kuppeldach, sowie der Treppenthürme und Apsiden sind getheerte Dachpfannen gewählt, die wagrechte Abdeckung des übrigen Kirchenraumes ist in Holzzement-Ausführung vorgesehen.
Die Gesammtbaukosten der Kirche betragen ausschliesslich der inneren Einrichtung als: Altäre, Kanzel, Gestühl, Uhr, Glocken, Beleuchtung rd. 250 000 Mark. Der Kubikinhalt des ganzen Bauwerkes einschl. Thurm usw. beträgt von Oberkante Fussboden Kirchenraum bis jedesmal Oberkante Hauptgesims des betreffenden Bautheiles rd. 19850 cbm. Es wird somit 1 cbm umbauten Raumes ohne innere Einrichtung rd. 12,50 M. kosten. Die Herz-Jesu-Kirche desselben Architekten in Berlin (Jahrg. 1897, No. 57) kostete in gleicher Berechnung einschl. der Thürme usw. bei der sehr reichen Sandstein-Ausführung ohne innere Einrichtung 1 cbm rd. 18 M. – Die Ausführung der Maurerarbeiten ist dem Maurermeister A. Westphal in Steglitz übertragen worden. –
Dieser Artikel erschien zuerst am 26.08.1899 in der Deutsche Bauzeitung.