Die Verbreiterung der Gertraudten-Strasse und der Umbau der Gertraudten-Brücke zu Berlin

Die Gertraudten-Strasse, welche den Spittelmarkt mit dem Köllnischen Fischmarkt verbindet und dabei den westlichen Spreearm oder Schleusen-Kanal mit der Gertraudten-Brücke überschreitet, bildet ein wichtiges Glied in dem grossen, verkehrsreichen Strassenzuge, welcher die Stadt von Westen nach Osten durchschneidet.

In dieser Eigenschaft hat sie neben einem starken Fussgänger- einen sehr beträchtlichen Wagen-, Omnibus- und namentlich einen aussergewöhnlich grossen Pferdebahn-Verkehr zu bewältigen. Für die Bedeutung des letzteren sei hervorgehoben, dass bereits im Jahre 1890 durch die Strasse 7 Pferdebahnlinien geführt waren, auf welchen stündlich zwischen 60 und 70 Wagen in jeder Richtung liefen. Einem solchen Verkehr konnte die Strasse zwischen Spittelmarkt und Brücke nur eine Dammbreite von rd. 8 m, an der Ecke der Petri-Strasse nur etwa 7 m und an der Ross-Strasse gar nur etwas über 6 m bieten (vergl. den Lageplan Abbildg. 1). In dem letzteren Theile hatte daher auch das 2. Pferdebahngleis nicht durchgeführt werden können; es musste vielmehr hinter dem Petri-Platz durch die ebenfalls nur enge Scharren-Strasse abgelenkt (Lageplan c-d) und dann durch den Mühlenweg weiter geführt werden, da auch der Mühlendamm vor seinem in den Jahren 1890/93 ausgeführtem Umbau für ein zweites Gleis nicht die genügende Breite besass. Die Bürgersteige hatten an vielen Stellen eine geringere Breite als 2 m.

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Diese Zustände erwiesen sich auf die Dauer als unhaltbar und nachdem man beschlossen hatte, anstelle des engen, winkligen Mühlendammes einen stattlichen, 26,5 m breiten Strassenzug zu schaffen (vergl. die Lagepläne des alten und neuen Zustandes im Jahrg. 1893, S. 188), war die Verbreiterung der Gertraudten- Strasse nur eine nothwendige Folge, wenn anders man nicht die Vortheile, welche aus der erstgenannten kostspieligen Umgestaltung für den Verkehr erwachsen sollten, zum grossen Theile wieder verlieren wollte.

Abbildg. 1 – Lageplan

Demgemäss wurde von der Baudeputation ein Entwurf für die Verbreiterung der Gertraudten-Strasse ausgearbeitet, welcher im Frühjahr 1891 die Zustimmung des Magistrats und der Stadtverordneten-Versammlung fand. Entsprechend dem zwischen Petri-Kirche und südlicher Bauflucht der Strasse vorhandenen Gesammtbreitenmaasse von rd. 22 m wurde dieses für den ganzen Strassenzug festgesetzt.

Zwischen Brücke und Petri-Platz einerseits und diesem Platz sowie dem Köllnischen Fischmarkt andererseits sollte diese Breite durch entsprechende Zurückschiebung der nördlichen Bauflucht, zwischen Brücke und Spittelmarkt durch Zurückschiebung beider Baufluchten erzielt werden.

Die Einmündung der Strasse in den Köllnischen Fischmarkt sollte auf 24 m verbreitert und nach der Breiten Strasse zu entsprechend ausgerundet werden. Zur weiteren Verbesserung für diese Stelle wurde für die Eckgrundstücke Breite Strasse 21/22 eine neue Bauflucht angenommen, sodass auch hier eine Gesammtbreite von 22 m entstand. (Vergl. Abbildg. 1.)

Von diesen Gesammtmaassen entfallen 12 m auf den Damm und je 5 m auf die beiderseitigen Bürgersteige. Die in dem Entwurfe vorgesehenen neuen Baufluchten wurden durch Kabinets-Ordre vom 16. Dezember 1891 genehmigt und festgesetzt.

Für die Verbreiterung der Strasse waren 1377 qm bisher bebauter Flächen erforderlich, von denen nur die zum alten Köllnischen Rathhause gehörigen sich bereits im städtischen Besitze, alle übrigen dagegen in Privathänden befanden. Erworben wurden jedoch nicht nur die zum Strassenlande erforderlichen Abschnitte, sondern theils freihändig, theils im Enteignungsverfahren die gesammten angeschnittenen Grundstücke mit zusammen 4735 qm, von denen also 3358 qm zum Wiederverkauf übrig blieben. Die Kosten für den Grunderwerb beliefen sich auf 5 544 057,95 M., d. s. durchschnittlich 1170,87 4 für 1 qm. Am theuersten wurde das kleine Eckgrundstück an der Kurstrasse, nämlich mit 2757 M. für 1 qm, am billigsten das sehr tiefe, aber nur eine schmale Front besitzende Grundstück „Am Spittelmarkt No. 6“ mit 458 M. für 1 qm bezahlt. Bei der Mehrzahl der Grundstücke lag der Einheitspreis z. Th. erheblich über dem Durchschnittspreis. An Miethsentschädigungen, Ablösung von Hypotheken usw. waren noch 195 613,41 M., also imganzen für den Ankauf der Grundstücke mit allen darauf ruhenden Lasten rd. 5,54 Mill. M. bezahlt.

Von dieser Summe wird ein sehr erheblicher Theil durch Wiederverkauf der Restgrundstücke zurückgewonnen werden. So sind für die übrig gebliebenen 370 qm zwischen Kur- und Oberwasser-Strasse rd. 1351 M. für 1 qm von dem Käufer bezahlt worden, der auf dem ganzen Häuserblocke zwischen Kurstrasse, Kl. Kurstrasse, Oberwasserstrasse und Strasse am Spittelmarkt ein grosses Kaufhaus errichtet hat. Ein ähnlicher Bau ist für die gegenüberliegende Ecke geplant und die Restgrundstücke zwischen Kl. Gertraudtenstrasse und Petriplatz sind ebenfalls wieder veräussert und bereits bebaut.

Die Herstellung der Strasse wurde im Jahre 1895 durchgeführt, allerdings zwischen Petriplatz und Köllnischem Fischmarkt zunächst nur provisorisch, da die Stadt das Köllnische Rathhaus, das zahlreiche Büreaus und das Märkische Provinzial-Museum enthält, noch nicht missen kann.

Hier ist vorläufig nur das eine Gleis durchgeführt (die Strecke a-b liegt noch nicht), während das Provisorium in der Scharrenstrasse erhalten blieb. Für die Erleichterung des Fussgänger-Verkehrs ist unter der Ecke des Köllnischen Rathhauses eine Fussgängerpassage hindurchgeführt. Im übrigen ist die Strasse vollständig regulirt, mit neuen Entwässerungs-Anlagen versehen und asphaltirt worden. Die Kosten für die strassenmässige Herstellung und Befestigung einschl. der Entwässerung haben sich auf 47 575 M. belaufen. Hierzu kommt dann später noch die endgiltige Herstellung der jetzt nur provisorisch ausgeführten Strecke vor dem Köllnischen Fischmarkt.

Nicht enthalten sind hierin jedoch die Rampen der Gertraudten-Brücke, welche sich vom Spittelmarkt bis zur Kl. Gertraudtenstrasse erstrecken und zusammen mit dem Brückenbauwerk verrechnet sind.

Die Verbreiterung der Strasse bedingte auch den Neubau der alten, ebenfalls nur etwa 8 m im Fahrdamm breiten Brücke, einer hölzernen Klappenbrücke mit beiderseitigen auf Eisenkonstruktion ruhenden erhöhten Fusswegen.

Infolge der durch die Beseitigung des alten Mühlenstaues bedingten Senkung des Hochwasserspiegels des Schleusenkanals und Herstellung eines ziemlich konstanten Wasserspiegels von + 32,28 an der Baustelle war es möglich, die neue Brücke in massiver Wölbung herzustellen. Sie überschreitet unter einem Winkel von 88° 21’ gegen den Stromstrich mit einem Stichbogen von 18 m normaler Lichtweite und etwa 1/10 Pfeil den Kanal. (Vergl. Abbildg. 2 sowie Abbildg. 4) Im Scheitel ist eine Lichthöhe von 3,32 m, in je 3,9 m Abstand beiderseits noch eine solche von 3 m entsprechend den in der landespolizeilichen Genehmigung für die Schiffahrt gestellten Forderungen vorhanden. Die Breiteneintheilung der Briicke entspricht derjenigen der Strasse. Das Bauwerk ist im übrigen einfach in seiner Ausgestaltung. Es konnte, da der gute Baugrund ziemlich hoch lag, wie üblich auf Beton zwischen Spundwänden gegründet werden, wobei mit Rücksicht auf eine etwaige spätere Verlegung der betr. Kanalstrecke in das Unterwasser und dementsprechende Vertiefung der jetzigen Sohle das Fundament vorne bündig mit dem aufgehenden Mauerwerk der Widerlager ausgeführt werden musste. Die Widerlager sind in Klinkern mit Zementmörtel gemauert und zwar ist die Fugenrichtung in dem stützenden Theile möglichst senkrecht zum Verlauf der Stützlinie gewählt. Es sind zu diesem Zwecke Keilstücke eingelegt, um den Uebergang aus der einen in die andere Fugenrichtung zu vermitteln. Das Gewölbe ist mit 50 cm Scheitel- und 70 cm Kämpferstärke der hohen Pressungen wegen ganz in Werkstein und zwar ebenso wie die Verkleidung der Stirn und des Geländers in rheinischer Basaltlava ausgeführt. Die Rückenfläche ist verputzt und mit Asphaltfilz abgedeckt und hat im übrigen keine Uebermauerung erhalten. Die Unterbringung der Leitungen und Kabel der verschiedenen Verwaltungen machte stellenweise die Herstellung von Einschnitten im Gewölbescheitel unter den Bürgersteigen erforderlich (vergl. Abbildg. 3).

Unbeschriftet
Unbeschriftet

Die Fahrbahn ist ebenso wie die Rampe im Hauptstrassenzuge, welche beiderseits ein Gefälle von 1:39 mit allmählichen Uebergängen an den Endanschlüssen (vergl. Abbildg. 1) erhalten konnte, mit Holz gepflastert, während die Bürgersteige eine Abdeckung mit Granitplatten erhielten. Die Beleuchtung wird durch 4 Bogenlampen, deren einfache Kandelaber an der Bordkante stehen, bewirkt. Die Architektur ist einfach. Die Bogenstirn hat eine kräftig profilirte Archivolte erhalten, das Geländer wächst, ohne Hauptgesimsabschluss nach unten, in Absätzen der Steigung der Brückenbahn folgend, aus der glatten Stirn heraus.

Es ist nur im mittleren Theile in kleinen, auf Doppelsäulchen ruhende Bogenstellungen aufgelöst. Den Hauptschmuck bildet die von Prof. Siemering modellirte, in Lauchhammer in Bronze gegossene St. Gertraudt-Gruppe, welche in Brückenmitte auf dem in Abbildg. 3 im Schnitt erscheinenden Sockel aufgestellt ist. Das Kopfbild giebt diese wirkungsvolle Gruppe wieder.

Die Brücke wurde, nachdem nördlich derselben im Sommer 1894 eine Nothbrücke hergestellt und der Abbruch der alten Konstruktion ausgeführt war, im Frühjahr 1895 in Angriff genommen und im Dezember desselben Jahres einschl. der endgiltig gepflasterten Rampen in der Getraudtenstrasse dem Verkehr übergeben. Die Gründungs-, Maurer- und Versetzarbeiten wurden von dem kgl. Hofzimmermeister Th. Möbus-Charlottenburg, die Steinmetzarbeiten von dem Steinmetzmeister Fr. Körner-Berlin, welcher die Werkstücke von Xaver Michels in Andernach a. Rhein bezog, ausgeführt.

Die Kosten stellten sich folgendermaassen:

Nothbrücke nebst Provisorien17 065,58 M.
Eigentliches Brückenbauwerk233 652,40 M.
Rampenanlagen, einschl. Veränderung der Ufer76 605,30 M.
Veränderungen an Gebäuden2 392,67 M.
Gesammtkosten320 715,90 M.

Ein gewisses Interesse verdient die Ausbildung der Lehrgerüste und die Herstellung des Gewölbes, welche nachstehend beschrieben werden sollen.

Um während der ganzen Dauer des Baues die Schiffahrt ungestört aufrecht erhalten zu können, war seitens der Strombau-Verwaltung die Freihaltung einer lichten Durchfahrt von 8 m Breite, 2,5 m Höhe an den Seiten und 3,2 Höhe in der Mitte, gerechnet von dem höchsten Wasserstande + 32,28 verlangt worden. Da aber das Gewölbe nur eine Scheitelhöhe von 3,32 m über diesem ziemlich konstanten Wasserstande erhalten sollte, so liess man die letztere Forderung als zu weitgehend wieder fallen, da sich ein Lehrgerüst mit 12 cm Scheitelstärke bei 8 m freier Spannweite bei den infrage kommenden erheblichen Lasten wohl nur mit ganz aussergewöhnlichen Mitteln hätte ausführen lassen. Es wurde nur eine möglichst grosse Lichthöhe verlangt mit Rücksicht darauf, dass gleichzeitig auch im Hauptspreearm durch den Umbau der Kurfürsten-Brücke Erschwernisse für die Schiffahrt erwuchsen.

Um nun eine möglichst grosse Lichthöhe zu erzielen, wurde von der bei den Spreebrücken üblichen Lehrgerüst-Konstruktion in diesem Falle abgesehen. Bei den Spreebrücken hatte bisher für die Ueberdeckung der bis zu 10 m weiten Durchfahrtsöffnungen ein Lehrgerüst mit eisernen Blechträgern genügt, die im Obergurt trapezförmig ausgestaltet und an den Enden bis auf die Höhe zweier Winkeleisen herabgedrückt wurden, sodass über dem während der Bauzeit erheblich unter Hochwasser liegenden Wasserstande reichliche Lichthöhe vorhanden war. Derartige Träger wurden seitens der städtischen Bauverwaltung seiner Zeit für den Bau der Moltke-Brücke zuerst beschafft und dann mit geringen Veränderungen bei einer ganzen Reihe von Brückenbauten immer wieder verwendet, sodass die hohen Anschaffungskosten hierdurch reichlich aufgewogen wurden.

Zwischen diesen Trägern wurden hölzerne Pfetten eingelegt, auf denen die Kranzhölzer ruhten, die dann schliesslich den Bohlbelag aufnahmen.

Bei Anwendung derartiger Blechträger mit einem nach der inneren Bogenleibung gekrümmten Obergurt liess sich aber nur eine Lichthöhe von 2,73 m in der ganzen Breite der Durchfahrtsöffnung erzielen, da in 4,2 m Entfernung von Brückenmitte die Leibungsordinate nur noch 2,9 m Höhe hat und 2.6+5=15 cm für die beiden Winkelschenkel und den Bohlbelag am Trägerauflager verloren gehen. Es wurde daher die in den Abbildg. 4-5 in der allgemeinen Anordnung und in den Abbildg. 6-8 in den Einzelheiten der Eisenkonstruktion dargestellte Lehrgerüstform zur Ausführung gebracht, bei welcher sich 3,03 m Lichthöhe gewinnen liessen. Das Gerüst besteht aus einem hölzernen Unterbau und einem flusseisernen Ueberbau. Letzter hat die Form eines Kragträgers mit ansteigenden Seitentheilen und horizontal eingehängtem Mitteltheil erhalten. Der hölzerne Unterbau ruht einerseits auf der nach hinten mit dem Widerlagsmauerwerk verankerten Spundwand, andererseits auf je einer Pfahlreihe. Die 35 cm im Durchmesser starken Pfähle waren in je 2 m Abstand 3-4 m tief im sandigen Flussbett eingerammt und mit der Spundwand durch Steifen und Zangen zu einer festen Plattform verbunden, auf welcher die zur Ausrüstung des oberen Theiles dienenden Schraubenspindeln Aufstellung fanden. An den Widerlagern genügte unter jedem Binder eine Spindel, während die mittleren mit 10 t belasteten Punkte durch je 2 Spindeln gestützt wurden. Der Oberbau besteht in der Hauptsache aus flusseisernen, ebenfalls in je 2 m Abstand liegenden Bindern, die auf einem in lothrechtem und wagerechtem Sinne gut versteiften hölzernen Bock ruhen. Die eisernen Binder bestehen aus den beiden, je 7 m in der Horizontalprojektion langen, also noch um 2,23 m über die Stützenreihe ausgekragten Seitentheilen und dem 4 m langen, federnd eingehängten Mittelstück. Alle Bindertheile sind als genietete Träger ausgebildet. Die Enden der Hauptträger sind durch kleine Längsträger verbunden, welche im mittleren Theile noch je einen Zwischenträger unterstützen.

Die Enden der Kragarme und die Längsträger sind auf das für die Herstellung solider Anschlüsse erforderliche Maass von 14 cm Höhe beschränkt worden, sodass hier einschl. der 1 cm starken oberen Gelenkplatte und des 5 cm starken Bohlbelags imganzen 20 cm Konstruktionshöhe erforderlich wurden. Da die Bogenleibung in 2 m Abstand von der Brückenmitte noch 3,23 m Ordinatenhöhe besitzt, so ergab sich die schon genannte Lichthöhe von 3,03 m auf 4 m Breite. An der Stützenreihe war das Maass von 2,5 m festgehalten worden.

Im mittleren Theile des Lehrgerüstes waren zur Vervollständigung der Konstruktion nur noch Kranzhölzer und Schaalbretter erforderlich, während in den Seitentheilen noch hölzerne Längspfetten eingelegt waren, die sich auf Winkellappen an den Binderträgern auflagerten und zwischen senkrechten Aussteifungswinkeln festgehalten wurden. Diese Pfetten trugen wieder Kranzhölzer und schliesslich die Schaalung. Die Einzelheiten der Eisenkonstruktion gehen aus den Abbildungen 6-8 zur Genüge hervor. Die Verbindung aller Theile war so bewirkt, dass sich auf der Baustelle eine möglichst bequeme und rasche Zusammenstellung und namentlich nach Ausrüstung eine leichte Auslösung nach unten bewirken liess. Die Verbindungsstellen wurden daher nur verschraubt und zwar an den Gelenken mit abgedrehten Bolzen.

Als Belastung des Lehrgerüstes für das in Basaltlava hergestellte, im Scheitel 0,50, am Kämpfer 0,70 m starke Gewölbe wurden einschl. Eigengewicht 3 t für 1 cbm Gewölbemauerwerk gerechnet, während 1000 kg für 1 qm als Beanspruchung zugelassen waren. Eine Verankerung der Kragträger am Widerlager war nicht erforderlich, da die Einwölbung gleichmässig von den Widerlagern her erfolgte und infolge dessen bis zum Schlusse stets das nöthige Uebergewicht nach den Kämpfern zu vorhanden war. Eine vorherige Belastung des fertigen Gerüstes wurde nicht vorgenommen. Um nun aber in dem sich stetig bis zum Schlusse bewegenden Gewölbe Risse zu vermeiden, wurden die Quader auf dem um 4 cm überhöhten Lehrgerüst mit Keilen vollständig trocken versetzt. Die unten 1 cm weiten, nach oben sich z. Th. aber erheblich verbreiternden Fugen wurden dann sorgfältig mit Werg gedichtet und nach Schluss des Gewölbes hintereinander mit Zementmörtel 1:1 vergossen. Die unteren Gewölbschichten mussten dabei auch auf der Rückenfläche abgedichtet werden, um ein Austreten des Mörtels zu verhindern. 8 Tage nach dem Vergiessen wurde ausgerüstet. Das Gewölbe zeigte dabei keine nachweislichen Bewegungen mehr, während sich das Gerüst während des Einwölbens nahezu um die 4 cm Ueberhöhung gesenkt hatte.

Bemerkt sei noch, dass die Versetzung der bis zu ¾ t schweren Kämpfersteine und Gewölbquader ohne jedes Versetzgerüst nur mittels zweier hinter den Widerlagern aufgestellter Mastenkrahne, vergl. das Kopfbild dieser Nummer, bewirkt wurde. Es sind mit 1 Krahn an einem Tage bis zu 40 Quader versetzt worden, sodass die Arbeit rasch gefördert wurde. Vom Anfang der Aufbringung der Mitteltheile des Lehrgerüstes bis zur Ausrüstung des Gewölbes waren imganzen 38 Tage erforderlich. Die Beseitigung des mittleren Lehrgerüsttheiles erfolgte in einer Nacht auf einfache Weise, indem ein Kahn mit leichter Holzrüstung in die Durchfahrt geschoben wurde, auf den man dann die ganze Konstruktion herabliess.

Das Lehrgerüst, bei dem wohl zum ersten Male das Prinzip des Kragträgers zu Anwendung gekommen ist, wurde von dem unterzeichneten, bauleitenden Stadtbaumeister in Gemeinschaft mit Reg.-Bauführer Th. Zoche konstruirt. Das Gewicht der Eisenkonstruktion einschl. der gusseisernen Lager und der Befestigungsbolzen auf der Holzkonstruktion belief sich auf 34,6 t, welche für 210 M. für 1 t von Mehlis & Behrens, Cyklop, geliefert und aufgestellt wurden. Die Gesammtkosten des Eisens einschl. Montage betrugen somit 7263 M. Für Herstellung, Vorhaltung und Wiederbeseitigung des hölzernen Unterbaues einschl. einer zum Schutze des Lehrgerüstes oberhalb hergestellten kräftigen Lehre mit Abweiseböcken, sowie für Abnahme und Abfuhr der Eisenkonstruktion nach einem städtischen Depotplatz wurden 6367 M. bezahlt.

Die Eisenkonstruktion ist inzwischen mit einigen Abänderungen schon wieder verwendet worden und zwar bei der Einwölbung der Mittelöffnung der Oberbaumbrücke. Sie soll demnächst bei der Ausführung der Schöneberger Brücke zum dritten Male benutzt werden und wird sich später bei allen anderen, noch auszuführenden Brücken über den Kanälen als brauchbar erweisen, sodass also mit der Verwendung dieser eisernen Träger neben der erzielten grösseren Lichthöhe während (des Umbaues und dem damit für die Schiffahrt verbundenen Vortheile auch in wirthschaftlicher Beziehung das Ergebniss ein günstiges sein wird.

Dieser Artikel von Fr. Eiselen erschien zuerst am 19.06.1897 in der Deutsche Bauzeitung.