Architekt: Dombaumeister Paul Tornow in Metz. Gelegentlich unserer letzten Veröffentlichung über die Wiederherstellung des Metzer Domes (in No. 1-3 d. Jhrg.)hatten wir in Aussicht gestellt, die damals von uns mitgetheilten, nicht ganz genügenden Abbildungen des neuen Westportals durch einige Zeichnungen grösseren Maasstabes zu ergänzen und unseren Lesern gleichzeitig einige Beispiele der von Hrn. Dombildhauer Dujardin geschaffenen Skulpturen vorzuführen.
Das liebenswürdige Entgegenkommen des Hrn. Dombaumeisters hat uns in die Lage versetzt, unserem Versprechen schon jetzt nachkommen zu können.
Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z. B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i. d. R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bei diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Lokalgeschichte.de gibt die Texte (zu denen i. d. R. auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen von Lokalgeschichte.de inhaltlich geteilt werden.
Vom Westportal geben wir nunmehr neben dem Grundriss in 1:400 ein zugleich auf den unteren Theil des Uhrthürmchens erstrecktes, genügend grosses Bruchstück des Aufrisses und einen Querschnitt in 1:150.
Einer erläuternden Beschreibung bedarf es nach den Darlegungen unseres-vorausgegangenen Artikels wohl nicht und ebenso wenig wird es erforderlich sein, alle kleinen, von dem unaufhörlichen Ringen des Dombaumeisters nach einer möglichst vollkommenen Lösung der Aufgabe zeugenden Aenderungen hervorzuheben, welche diese letzte endgiltige Bearbeitung des Entwurfes gegenüber den früheren aufweist.
Nur auf eine Abweichung inbetreff der Einwölbung der Portalhalle sei besonders hingewiesen. Während nämlich die Seitenfelder der letzteren nach der früheren Annahme mit halben sechskappigen Klostergewölben überspannt werden sollten, ist ihnen jetzt die reichere Form eines Kreuzgewölbes gegeben worden. Als Proben der Dujardin’schen Skulpturen sind auf der Bildbeilage neben einer aus einer Gesimskehle herauswachsenden Chimäre zunächst zwei der mit Charakter-Köpfen gezierten Kragsteine mitgetheilt, welche den Fuss der aus der Arkatur des neuen, in den Formen der entwickelten Gothik des 14. Jahrh. erbauten Westgiebel-Dreiecks sich entwickelnden Fialen schmücken (man vergl. den Aufriss des Giebels). Die beiden abgebildeten Köpfe sind diejenigen einer Edelfrau und eines Bürgers; neben ihnen sind noch 10 andere ausgeführt, welche einen Narren, einen Mönch, eine Nonne, einen König, eine Königin, einen Bischof, einen Neger, eine Bürgersfrau einen Krieger und einen Mann aus dem Volke darstellen. Besonderes Interesse dürften die gleichfalls auf der Bildbeilage enthaltenen Kragsteine an den inneren Laibungsflächen der Portal-Oeffnungen erregen, da in ihnen die Porträtköpfe der beiden Meister des Domes, des Dombaumeisters Paul Tornow und des Dombildhauers Auguste Dujardin der Nachwelt werden überliefert werden. Nebenstehend folgt einer der 12 Zierköpfe, die – in Aufnahme eines der burgundischen Achitekturschule des 13. Jahrhunderts besonders eigenthümlichen Motivs – an der Blend-Arkatur des Uhrthürmchens und der äusseren Portal-Wandungen angeordnet werden, um die Punkte zu verkleiden, wo die Giebelabdeckungs-Gesimse der Winperge aus den sich schneidenden Profilen der Arkaden-Bögen herauswachsen. – Auf S. 185 (No. 29) endlich sind drei der grossen Standfiguren im Inneren der Portalhalle wiedergegeben und zwar neben der für den Mittelpfeiler der beiden Thoröffnungen bestimmten Christus-Figur, die Gestalten der Apostel Paulus und Johannes. Sie vor allem dürften geeignet sein, die seltene Höhe künstlerischen Schaffens in mittelalterlichem Geiste anschaulich zu machen, zu der sich Hr. Dujardin aufgeschwungen hat. Denn in strengster Anpassung an das Gesetz mittelalterlicher Kunst gebildet, nach welchem der bildnerische Schmuck eines Bauwerkes in den Rahmen des letzteren sich einfügen muss und nur als ein dekoratives Beiwerk desselben gelten darf, entbehren sie doch keineswegs eines Hauches von individuellem Leben, wirken sie feierlich-erhaben und doch reizvoll.
Dabei ist keine der zahlreichen Figuren, die Hr. Dujardin sowohl für das neue Westportal wie früher für das Liebfrauen-Portal und andere Theile des Domes gestaltet hat, einem mittelalterlichen Vorbilde unmittelbar nachgebildet oder an ein solches auch nur angelehnt: alle sind freie und selbständige Schöpfungen des Künstlers, dem sich – auf diesem Gebiete – unter unseren gegenwärtigen deutschen Bildhauern wohl keiner an die Seite setzen darf.
Mit den Versetzungs-Arbeiten ist im vorigen Jahre zunächst an der Verkleidung des Uhrthürmchens begonnen worden. Auch für das eigentliche Portal sind die Bildhauer-Arbeiten zu einem guten Theile bereits fertig gestellt, so dass zu hoffen ist, dass der Aufbau desselben in nicht zu langer Frist sich anschliessen wird.
Wir benutzen diesen Anlass noch, um eine s. Z. dem Metzer Domblatte entnommene, auf S. 17 mitgetheilte Angabe über die Kosten der noch geplanten Herstellungs-Arbeiten am Metzer Dome zu ergänzen, Diese Kosten waren nach dem i. J. 1893 an S. M. den Kaiser erstatteten Berichte des Dombaumeisters auf 2 500 000 M. veranschlagt. Nachdem inzwischen einzelne der bezgl. Arbeiten bereits ausgeführt, andere eingehender veranschlagt und verschiedene Aenderungen in den Plänen eingetreten sind, müssen für die Glasmalereien in den Hochschiff-Fenstern noch 165 000 M., für solche in den Fenstern des Triforiums 100 000 M. und für die Umgestaltungen auf der Nordseite des Domes einschl. der Anlage neuer Sakristeien noch 450 000 M., i. g. also vorläufig noch 713 000 M. hinzu gerechnet werden.
Allen Freunden des Dombaues wird auch die Nachricht willkommen sein, dass seit einiger Zeit vorbereitende Schritte erfolgt sind, um den durch den Dombaumeister im Laufe seiner 25-jährigen Thätigkeit gesammelten, nahezu vollständigen Stoff an Aufnahmen des Domes zur Herausgabe einer umfassenden Monographie über das edle Baudenkmal zu verwenden. Dieselbe dürfte an Interesse und Werth alle ähnlichen Werke überragen.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Deutsche Bauzeitung vom 08.04.1899, er war gekennzeichnet mit „F.“.