Architekt: Stadtbauinspektor Pauly in Kiel.
Schon ehe 1899 in Kiel infolge der letztjährigen rapiden Bevölkerungszunahme ein Mangel an Kleinwohnungen in die Erscheinung trat, hatte 1896 ein Kreis weitsichtiger und wohlgesinnter Männer die Anregung zur Gründung eines „Kieler Bau- und Spar-Vereins“ gegeben, dessen Ziel die Errichtung von Kleinwohnungen in zweigeschossigen Vier-Familienwohnhäusern war.
Die Verwirklichung dieses Planes scheiterte im Wesentlichen an den zu hohen Bodenpreisen innerhalb des städtischen Weichbildes, auf welches man sich aus Mangel an Verkehrs-Verbindungen beschränken musste. Nach längeren Verhandlungen mit der Stadtvertretung entschloss sich der obengenannte frei zusammengetretene Ausschuss, nach dem Vorgange von Hamburg, Altona und Berlin die Erbauung von viergeschossigen Häusern mit Kleinwohnungen auf genossenschaftlichem Wege anzustreben.
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Nachdem seitens der Landes-Versicherungsanstalt für Schleswig-Holstein die Uebernahme einer Hypothek von zwei Dritteln des gemeinen Werthes von Grund- und Baulichkeiten zu 3 %, mit 1 ½ % Tilgung und seitens der Stadtverwaltung die Hergabe des Restgeldes in Höhe von 60 000 M., verzinsbar zu 3 ½ % bei ½ prozentiger Tilgung, in Aussicht gestellt waren, kam die Gründung des „Kieler Bau- und Spar-Vereins“ mit 225 Mitgliedern als eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht im Februar 1900 zustande. Entsprechend dem inzwischen gesteigerten Mangel an sogenannten Zweistubenwohnungen machte sich der Verein die Schaffung dieser Wohnungsart zunächst zur Aufgabe.
Für die Wahl des Bauplatzes war bei der langgestreckten Ausdehnung der Stadt die Forderung maassgebend, dass derselbe nicht mehr als 20 Minuten von der engeren Stadt entfernt sein sollte, um dem Familienvater im Allgemeinen die Möglichkeit zu geben, die Mittagsmahlzeit in der Wohnung einnehmen zu können. Demgemäss wurde ein noch freier Baublock von 70 m Tiefe und 45 m Länge an der neu ausgelegten Gutenberg-Strasse ausersehen, und von diesem zunächst ein an der letztbenannten 25 m breiten Strasse belegener und von zwei 15 m breiten Querstrassen begrenzter rechteckiger Theil von 1281 qm von der Stadtgemeinde zum Preise von 5 M. für 1 qm durch den Verein erworben.
Die Planung der Gebäude sieht eine spätere geschlossene Bebauung des ganzen Blockes durch 14 besondere Häuser mit einem gemeinschaftlichen Binnenhofe von etwa 1216 qm vor. Entsprechend den zur Ausführung vorhandenen Mitteln von rd. 180 000 M. gelangten zunächst nur die 6 in den beigegebenen Abbildungen dargestellten Häuser so zur Ausführung, dass am 1. Aug. d. Js. sämmtliche Wohnungen bezogen werden konnten.
Die Gestaltung der Grundrisse der Reihenhäuser lehnt sich an diejenige des Hamburger Spar- und Bau-Vereins an, während die der Eckhäuser freie Erfindung sind. Es enthält jedes der 4 Reihenhäuser 8 Wohnungen von je 46 qm Nutzfläche; davon umfassen 7 je zwei Zimmer, von denen eines heizbar ist, eine Küche mit eisernem Herd nebst Speisekammer, einen Vorflur, ein Kloset, einen Balkon, einen Speisenkeller und einen Vorrathskeller, sowie eine unbewohnte Dachkammer. Die 8. Wohnung im Erdgeschoss konnte nur ein Zimmer nebst Küche usw. erhalten. Für je 8 Wohnungen ist im Dachgeschoss eine gemeinschaftliche Waschküche nebst Trockenraum vorgesehen. Das Gleiche bieten die beiden Eckhäuser mit dem Unterschiede, dass hier die Einstubenwohnung zum Laden mit Nebengelass ausgebildet ist.
Die Balkons wurden mit Rücksicht auf die wirthschaftliche Nutzung und Wegen der hier herrschenden Winde soweit als möglich nach dem Hofe, im übrigen thunlichst geschützt angelegt. Abweichend von dem ortsüblichen Brauch, die Klosets, welche für Kübelabfuhr eingerichtet sind, auf die Treppenpodeste zu verlegen, sind sie hier in die Wohnungen gelegt und daher ausser der Fensterlüftung noch mit getrennt über Dach geführten Lüftungsrohren mit thermaler Saugvorrichtung versehen worden. Im übrigen sind im Keller für alle 6 Häuser drei Brausebäder und eine Leichenkammer eingerichtet worden.
Konstruktion und Materialien bieten nichts Aussergewöhnliches. In der Ausbildung der Strassen- und Hoffronten, die in Handstrichsteinen und hydraulischem Putz hergestellt sind, sowie in der Gestaltung des Inneren war das Bestreben leitend, mit den einfachsten Mitteln durch weite Axen, gute Verhältnisse und Gliederungen zu wirken, sowie durch heitere Farbengebung den Eindruck des Massenquartiers zu vermeiden.
Die Kosten der 6 Häuser belaufen sich ausschliesslich des Bauplatzes auf rd. 170 000 M., sodass auf den cbm umbauten Raumes unter Abzug der Balkons etwa 13,30 M. entfallen. Die Miethen der Zweistubenwohnungeen belaufen sich auf 228-252 M., die der Einstubenwohnungen auf 180 M. jährlich.
Da bei der Verloosung der neuerstellten Wohnungen die Nachfrage durch das vorhandene Angebot nur zu etwa einem Drittel gedeckt werden konnte, so wird der Verein noch in diesem Jahre mit dem Bau von weiteren 8 Häusern in dem Eingangs angedeuteten Sinne vorgehen; dieselbe sollen dann voraussichtlich auch eine Warteschule und ein Vereins-Lesezimmer aufnehmen.
Die Planung der neuerbauten Häuser sowie die Oberleitung bei der Ausführung hatte der Unterzeichnete ehrenamtlich als Vorstandsmitglied übernommen.
Pauly.
Dieser Artikel erschien zuerst am 21.08.1901 in der Deutsche Bauzeitung.