Der Komponist des „Roland von Berlin“

Vor etwa einem Jahrzehnt konnte man eine Zeitlang glauben, daß auf den Opernbühnen die Jungitaliener, als deren Hauptvertreter Pietro Mascagni und Ruggiero Leoncavallo bekannt geworden sind, dauernd die Herrschaft gewinnen würden.

Die Annahme hat sich inzwischen als irrig herausgestellt. Die durchschlagenden Erfolge, die Mascagni mit seiner „Cavalleria rusticana“ und Leoncavallo mit seinen „Bajazzi“ errungen, blieben ihnen bei späteren, größeren Werken versagt. Aber wer weiß, was wir noch von ihnen zu erwarten haben!

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Besonders groß ist die Spannung, was Leoncavallo demnächst bringen wird da man weiß, daß er seit Jahren an einem deutschen Stoff arbeitet. Nach der Erstaufführung seiner Oper „Die Medici“ legte ihm, wie bekannt, der Kaiser den Gedanken nahe, die Geschichte des Roland von Berlin die Willibald Alexis in einem seiner bekanntesten Romane erzählt, musikalisch-dramatisch zu bearbeiten. Leoncavallo ging mit Freuden auf die Idee ein, deren Ausführung ihm freilich nicht leicht wurde. Er mußte sich musikalisch und litterarisch sozusagen erst in den Stoff einleben, weil er nach dem Vorbild Wagners nicht nur die Musik, sondern auch die Texte seiner Dramen selbst schreibt.

Leoncavallo am Flügel

Der Dichterkomponist, der sich schon, bevor er berühmt geworden war, in der Welt umgethan, Deutschland, Holland, Frankreich und England bereist hatte, wußte wohl auch außerhalb seines Vaterlandes gut Bescheid, kannte aber doch deutsches Wesen nicht genügend, um ohne weiteres zu dem ihm vom deutschen Kaiser aufgetragenen Werke zu schreiten. Die Arbeit zog sich noch in die Länge, da Leoncavallo dazwischen zwei andere große Werke, „Chatterton“ und „Die Boheme“, schuf. Immerhin ist das Buch des Roland bereits fertig, und auch die Partitur geht ihrer Vollendung entgegen.

Der bekannte italienische Opernkomponist Ruggiero Leoncavallo am Arbeitstisch

Ein Sporn, sie zu beschleunigen, dürfte ihm vielleicht eine Erfahrung sein, die er gelegentlich seiner letzten Anwesenheit in Deutschland gemacht hat. Auf ein Gesuch um Gewährung einer Audienz beim Kaiser, der damals in Kiel weilte, wurde ihm der Bescheid, er werde nach Beendigung des Roland gern empfangen werden.

Dieser Artikel erschien zuerst am 15.06.1901 in Die Woche.