Ein Geschenktransport vom Sultan für den Berliner Zoologischen Garten

Es war für uns vollständig überraschend, deshalb aber gewiß nicht weniger erfreulich und ehrenvoll, als ich jüngst eines Sonntags abends von der türkischen Botschaft die Nachricht erhielt, daß Sultan Abdul Hamid II. dem Berliner Zoologischen Garten „vier afrikanische Rinder“ als Geschenk zugedacht habe, die bereits am folgenden Montag ankommen sollten. Tags darauf war ich bereits in aller Frühe mit Fuhrwerk und Leuten am Schlesischen Bahnhof, um nach längerem Warten endlich den Eilgüterzug aus Frankfurt a. O. einlaufen zu sehen.

Zwei türkische Wagen hoben sich durch Aufschriften und Zeichen mit dem Halbmond gleich heraus; erwartungsvoll eilte ich hinzu und überzeugte mich sofort, daß es ein älterer und ein jüngerer Stier, sowie zwei Kühe einer rotbraunen, antilopenartig schlanken Febu- oder Buckelrinderart mit elegantem, weit ausgelegtem Gehörn waren, ähnlich den abessinischen und ostsudanischen Sangas, die früher einmal in unserm Garten gehalten wurden, nur leichter und feiner; offenbar hochedle Tiere und eine höchst willkommene Bereicherung unseres Tierbestandes, namentlich unserer bereits aus 15 verschiedenen Arten bestehenden Rindersammlung!

Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z. B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i. d. R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bei diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Lokalgeschichte.de gibt die Texte (zu denen i. d. R. auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen von Lokalgeschichte.de inhaltlich geteilt werden.

Nun ging es ans Ausladen, Ueberschieben der vier Kisten auf unsere Rollwagen, was nicht ohne einige recht ängstliche Augenblicke abging. Die mit Polsterung u. s. w. ganz vortrefflich eingerichteten Kasten waren nämlich oben offen; infolgedessen hatten die Tiere während der ganzen Reise an den Hörnern fest angeseilt gehalten werden müssen, damit ihnen jede Lust zum Herausspringen verging; andrerseits sahn sie alles, was sich um sie her abspielte, und das hatte namentlich die Stiere äußerst erregt und böse gemacht. Es bedurfte daher fortwährender zur Vorsicht mahnender Kommandorufe meinerseits, als wir die Stricke zum Teil lösen und wieder anders befestigen mußten. Da hieß es aufpassen und festhalten!

Ankunft im Zoologischen Garten
Auspacken in den Rindergehegen

Mit unsern geübten Leuten ging aber alles gut; mit einem großen Wagenplan bedeckt, wurden die Tiere auch ruhiger, und wir kamen mit unserer Schimmelfuhre glücklich im „Zoo“ an. Hier erforderte nun das Auspacken noch alle mögliche Vorsicht und Umsicht, denn sobald wir den Stieren die Köpfe notgedrungen wieder mehr oder weniger freigegeben hatten, zeigten sie die größte Lust, ihren Unmut über die beschwerliche Reise und enge Haft an uns auszulassen. Von oben zugebaut und verdunkelt, ließen sie sich aber – „Ochsen“, wie sie nun einmal waren – mit einiger Geduld doch in die für sie bestimmten Ställe hineinbugsieren, und heute haben sie sich an ihren Wärter schon so weit gewöhnt, daß dieser zuversichtlich hofft, sich bald ganz mit ihnen zu befreunden, wenn sie vorläufig auch noch in übler Laune den Futtertrog zeitweise arg mißhandeln.

Dieser Artikel erschien zuerst am 08.11.1902 in Die Woche, er war gekennzeichnet mit „Dr. L. Heck.“.