Ein Herzog als Afrikaforscher

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Zur Rückkehr des Herzogs Adolf Friedrich zu Mecklenburg von seiner Expedition.
Im Uhlenhorster Fährhause ist die Galatafel gedeckt. Kristall und Silber blitzen und Blumen grüßen und duften. Von seinen fürstlichen Verwandten umgeben, sitzt auf dem Ehrenplatze der junge Mecklenburger Herzog Adolf Friedrich, dessen glückliche Heimkehr von der zweiten afrikanischen Forschungsreise festlich zu begehen sich eine erlesene Schar hier versammelt hat.

Und nun erhebt sich der Gefeierte zu Worten des Dankes: „Ich bin niemals ein Gelehrter gewesen und mache auch keinen Anspruch darauf, jemals ein solcher gewesen zu sein. Ich habe sogar redlich um den letzten Platz in der Schule gekämpft. Die Herren, die mich begleitet haben, waren von dem gleichen Gedanken beseelt wie ich selbst: Forschen, auf daß die Expedition wertvolle Ergebnisse zeitige. Es war uns eine Freude, bescheidene Nachfolger der großen Forscher Nachtigal, Barth und anderer geworden zu sein.“

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Eine Januarnacht im Herzen Afrikas. An der Grenze des großen Urwalds, in Beni, ist’s, einem vorgeschobenen Posten des Kongostaats. Ein blasser Mond spielt auf den weißen Häusern der Station, hinter der drohend des bezwungenen Waldes letzte Riesen aufragen, er spinnt seine silbernen Fäden über das Buschwerk am Boden und zieht sie den jäh fallenden Hügel hinab, wo der Semliki spiegelnd widerblitzt, und schmeichelt um das tiefe, satte Grün der Bananen längs der weißen Wege. Eine kleine Schar von Europäern, der Herzog Adolf Friedrich in ihrer Mitte, lehnt in bequemen Korbstühlen um eine Tafel im Freien und lauscht, in Träume versunken, den verhallenden Klängen eines Grammpohons. Und da man sich trennt und das Lager zum Schlafe endlich aufsucht, schreibt der junge Fürst in sein Tagebuch: Mit seinen heimatlichen Klängen weckte das Konzert manche Erinnerung vergangener Tage und ließ die Gedanken weit hinausschweifen zu denen, die jetzt in kalter Winterzeit bei rauschenden Festen und mehr oder minder anregenden Gesellschaften die konventionellen, Vergnügungen? der Saison durchzukosten hatten. Wie wenig beneidete ich sie! Wie viel zufriedener machte mich die Aufgabe, die ich mir selbst gestellt hatte! Wie beglückte mich der Gedanke, durch Erschließung neuer Gebiete und durch die Forschungen meiner Mitarbeiter Positives wirken zu können, Lücken in der Wissenschaft auszufüllen und beständig meinen Gesichtskreis erweiternd die törichten Nichtigkeiten des alltäglichen Lebens zu vergessen!“

Solche Worte aus dem Munde eines jungen Fürsten gewinnen ihm nicht nur alsbald unser Herz: sie nötigen uns auch Achtung vor so ehrlichem Streben ab, sie zwingen uns zur Bewunderung, wenn die Mühen von so reichen Erfolgen begleitet sind, wie sie die wissenschaftliche Ausbeute der beiden Afrika-Expeditionen des Herzogs Adolf Friedrich zu Mecklenburg darstellt.

Adolf Friedrich Herzog zu Mecklenburg
Adolf Friedrich Herzog zu Mecklenburg

Fürsten sehen nur zu häufig auf ihren Reisen, wohin diese auch gehen mögen, Potemkinsche Dörfer, und sie haben zumeist auch keine Zeit, etwas anderes zu sehen. Deshalb kann es kaum wundernehmen, daß der damals vierundzwanzigjährige Herzog, als er 1906 den wissenschaftlichen Instituten und dem Reichskolonialamt seinen kühnen Plan einer „deutschen wissenschaftlichen Zentral-Afrika-Expedition“ unterbreitete und um die erforderliche Unterstützung bat, zunächst nur wenig Entgegenkommen fand. Zwei kürzere, hauptsächlich Jagdzwecken dienende Besuche Afrikas und ebensolcher Aufenthalt in Ceylon schienen kaum als hinreichende Bürgschaft für das Gelingen einer so verantwortungsvollen und gefährlichen Forschungsreise. Aber der junge, zielbewußte Herzog verstand es, von Männern wie Brauer, Matschie, Waldeyer, v. Luschan, Engler und Branca beraten, die fraglichen Behörden von dem Ernste seiner Bestrebungen doch zu überzeugen, und brachte auch in verhältnismäßig kurzer Zeit die recht beträchtlichen Geldmittel für seine Expedition zusammen, die sich die wissenschaftliche Ergründung eines der „weißen Flecken“ im Kartenbilde des dunklen Erdteils: die genaue Erkundung des zentralafrikanischen Grabens zwischen Kiwu- und Albert-See, der Nordwestecke unseres ostafrikanischen Schutzgebietes und endlich des nordöstlichen Grenzgebietes des Kongostaates, zur Aufgabe gestellt hatte. Eine ebenso bedeutsame wie schwierige Aufgabe, die eine geradezu erschöpfende, bewunderungswürdige Lösung durch die Expedition des Herzogs gefunden hat. Als im Fruhjahr 1909 ein geringer Bruchteil der heimgebrachten botanischen, zoologischen, anthropologischen und geologischen Sammlungen, zu umfangreicher Ausstellung in Berlin vereinigt, dem großen Publikum ein anschauliches Bild von der Arbeitsfreudigkeit der Expedition gab, vernahm man nicht nur aus den Kreisen der Kolonialfreunde entzückten Beifall: auch die ernste Fachwissenschaft mußte dieser Ausbeute rückhaltlos das unumschränkteste Lob zollen. Nicht weniger als sieben Bande werden die wissenschaftlichen Ergebnisse dieser seiner ersten afrikanischen Forschungsreise füllen, deren äußeren Verlauf der Herzog selbst uns in einem lebendig geschriebenen Werk (Verlag von Klinkhardt & Biermann, Leipzig) geschildert hat. „Ich bitte den Leser,“ sagt der Verfasser im Vorwort, „mit dem Stil des Buches nicht zu streng ins Gericht gehen zu wollen. Als Soldat erzogen, auf dem Rücken des Pferdes groß geworden, habe ich seither alles andere eher getan, als mich schriftstellerisch zu betätigen.“ Nun denn: weil dieses Buch nicht erst sorglich „frisiert“ wurde, weil alles, was mit so ehrlicher Begeisterung beobachtet worden, auch mit so herzlicher Wärme geschildert wird, und weil aus jeder Schilderung, aus all den mitgeteilten kleinen Zügen des täglichen Lagerlebens die wohltuende Bescheidenheit eines wahrhaft noblen Charakters, die Herzensgüte eines echten Edelmannes und großzügigen Menschen zu uns spricht, wirkt dieses Buch wie ein Trunk aus frischem Bergquell, und jeder Leser, auch der kritischste, muß seine helle Freude daran haben.

Der Herzog hat sich nicht lange Ruhe in Europa gegönnt.

Im Juli 1910 trat er seine zweite afrikanische Forschungsreise au, die namentlich der Erkundung unbekannter Gebiete in Französisch-Kongo gelten und ihn durch Kamerun und das französische Tsadseegebiet bis zum ägyptischen Sudan führen sollte. Aber die Unruhen in Wadai und der Wunsch der französischen Verwaltung, die Expedition möge nicht durch Dar-Kuti ziehen, da für die Sicherheit der Kolonne in diesen Gebieten angesichts der Gärung unter den Eingeborenen keine Garantie übernommen werden könne, nötigten den Herzog zu wesentlicher Änderung des Planes. Die Expedition löste sich schließlich in drei selbständig vorgehende Abteilungen auf. Der Herzog selbst wählte sich als Arbeitsgebiet die Gegend des Tsadsees um Bagirmi, die zweite Abteilung widmete sich der Erforschung Südkameruns, die dritte hatte Auftrag, über Rafai, Semio und die Länder der Niam-Niam den oberen Nil zu erreichen.

Nach den brieflichen Berichten, die der Herzog in der Deutschen Kolonialzeitung veröffentlichte, hat auch diese zweite afrikanische Expedition trotz der Ungunst der Verhältnisse eine außerordentlich reiche und wertvolle wissenschaftliche Ausbeute geliefert und zur Kenntnis Nordkameruns manchen neuen, bedeutsamen Beitrag geliefert.

Dieser Artikel erschien zuerst in Reclams Universum Weltrundschau vom 23. – 28.10.1911, er war gekennzeichnet mit „Dr. Adolf Heilborn“.