Im Jahre 1892 erhielt ich den Auftrag, in Leipzig-Gohlis anstelle eines alten, an der Hallischen Strasse gelegenen, Restaurations-Gebäudes ein der Neuzeit entsprechendes Konzert- und Ball-Etablissement zu entwerfen. Das Grundstück mit einer Strassenfront von nur 28 m liegt schiefwinklig zu derselben und erweitert sich nach Westen bis zu 50 m. Seine Gesammtlänge beträgt 160 m. Auf dem vorderen Theil ist ein viergeschossiges Wohnhaus, daran anschliessend ein eingeschossiger Verbindungsbau, und hinter diesem der Saalbau errichtet worden. Der verbleibende hintere Theil des Geländes mit altem Baumbestand bildet den Konzertpark, an dessen Grenzen sich zurzeit der Anlage des Anwesens die verschiedenartigsten Gartenbauten erhoben haben.
Im Vordergebäude befinden sich im Erdgeschoss das Tagesrestaurant mit Gesellschaftszimmern und Kontorräumen, eine Durchfahrt nach dem Park und ein unmittelbarer Verbindungsgang nach dem Saalbau. Im ersten Obergeschoss ist die Wirthswohnung, im zweiten und dritten Obergeschoss sind Privatwohnungen angeordnet. Das Dachgeschoss enthält eine Hausmannswohnung, sowie Dienstboten- und Wirthschaftsräume. Im Verbindungsbau liegen die Küche und 2 Bierbuffets für Saal und Restaurant, die durch Treppen mit den darunter befindlichen Vorrathskellern verbunden sind, sodann ein Kuppelvorraum mit Kassen. Im Saalbau betritt man zunächst einen Vorsaal, in dem eine 4 m breite Gallerietreppe und das Saalbuffet liegen; er dient hauptsächlich Garderobezwecken.
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Ueber diesem Vorsaal ist ein Gesellschaftssaal, mit Zugang von der Saalgallerie, angeordnet.
Der Konzertsaal selbst hat eine Länge von 30 m, eine Breite von 20 m und eine Höhe von 12 m; ihn umschliessen dreiseitig Gallerien. Die Westseite wird durch die Orchesternische und zwei weitere Gallerietreppen abgeschlossen; hinter der Orchesternische sind in beiden Geschossen je 2 Aborträume untergebracht. Die südliche Langseite liegt frei und giebt dem Saal reichliches Seitenlicht. Die Saalabmessungen sind gut getroffen, die Akustik eine vorzügliche.
Vom Saal südlich ins Freie gelangend betritt man die den Saalbau abschliessende Terrasse, die einen Blick über den Konzertpark gewährt. Unter derselben ist das Sommerbuffet, daneben die Sommerküche angelegt. Auch der Saalbau ist unterkellert; es liegen hier die Kessel einer Dampf-Niederdruckheizung für Saal und Restaurant, im übrigen Wirthschaftskeller und eine Kegelbahn.
Der Konzertpark ist von Privatgrundstücken eingeschlossen. Diese Grenzen mussten gedeckt werden, vor allem die Kasernenbauten des 134. Infanterie-Regiments mit ihren Abort-Anlagen. Hier war eine grosse Halle, „die Giebichungenhalle“, errichtet, die bei ungünstigem Wetter bis zu 800 Personen Unterkunft zu gewähren vermochte. Ihr gegenüber stand eine Orchesterhalle, zu beiden Seiten anschliessend waren Kolonnaden, Thürme, Thorbauten, Lauben in den Formen des nordisch-germanischen Holzstiles angeordnet.
Leider sind diese Gartenbauten sämmtlich bei Verkleinerung des Konzertparkes abgebrochen und durch andere Bauten, die nicht vom Verfasser herrühren, ersetzt worden.
Um dem Ganzen Reiz und Anziehungskraft zu geben, liess ich eine alte Leipziger Volkssage, wonach im Norden der Stadt – also in Gohlis – ein Lindwurm gehaust habe, neu erstehen und nannte das Etablissement „Schloss Drachenfels“. Dies gab mir sofort die Stilrichtung für alle Architektur und für die Dekorations-Formen an. Die Architektur lehnt sich an Motive aus Nürnberg usw. an und ist eine Vermischung von Renaissance und Gothik. Malerei und Plastik stellen Scenen aus der deutschen Götter- und Heldensage dar. Die Decken der Haupträume zeigen Holzbalken mit geputzten und gemalten Zwischenfeldern. Die Wände haben hohe Holzverkleidungen erhalten, die Beleuchtungskörper sind in Bronceguss hergestellt worden.
Schon von Weiten leuchten die rothen Ziegeldächer durch die Baumgruppen und lassen den Wanderer eine Erholungsstätte erkennen. Da ich auch mit der Bebauung des daneben liegenden Grundstücks der Weinfirma Hoffmann, Heffter & Co. betraut wurde (es sind auf ihm ein Weinspeicher in romanisirendem Stil und zwei Villen ausgeführt worden), so war es zum Vortheil beider Grundstücke möglich, ihre Anlagen zu einem wirkungsvollen malerischen Gesammtbild zu vereinigen.
Leipzig. Fritz Drechsler, Architekt.
Dieser Artikel erschien zuerst am 30.06.1899 in der Deutsche Bauzeitung.