Das städtische Kaufhaus in Leipzig

Zu den grösseren zeitgemässen Umwandlungen, die sich hauptsächlich im inneren Kern unserer Grosstädte vollziehen, gehört in Leipzig eine Bauausführung, die vonseiten des Stadtrathes zur Hebung des Messverkehrs geplant war. Sie betraf zunächst den Umbau der unterem Geschosse des Bibliothekflügels vom alten Gewandhause, fand aber dann, an jenes anschliessend, durch die Errichtung eines eignen städtischen Kaufhauses ihren vorläufigen Abschluss.

Der infrage kommende, etwa 3500 qm grosse, im Mittelpunkte der Altstadt Leipzig belegene Baublock ist von zwei belebten Strassenzügen, der Universitätsstrasse und dem Neumarkte, sowie rechtwinklig zu diesen von zwei Gassen, dem Kupfergässchen und dem Gewandhausgässchen, berenzt. Derselbe wurde bereits in der Mitte des 15. Jahrhunderts, als „die Kramkammern“ und sogenannten Bühnen im Erdgeschosse des Rathhauses dem erweiterten Bedürfnisse nicht mehr genügten, mit einem Gewandhause (Tuchhause) bebaut. In dem 76 m langen Hauptflügel desselben am Gewandhausgässchen fand nach verschiedenen baulichen Veränderungen im Jahre 1740 die Stadtbibliothek ihr Heim.

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Der längs der Universitätsstrasse belegene Bau – im Erdgeschoss als städtisches Zeughaus benutzt – wurde in den Jahren 1780-83 vom Baudirektor Friedr. Dauthe im Obergeschoss zu einem Konzertsaale – dem berühmten alten Leipziger Gewandhaussaale – umgebaut. An der Ecke vom Neumarkte und dem Kupfergässchen befindet sich noch heute das ehemalige „Kramerhaus“. In dem im übrigen von Privathäusern eingeschlossenen Viertel stand ausserdem als ein sehr bescheidenes Hofgebäude, das königliche Konservatorium der Musik.

Ansicht von der Universitätsstrasse

Beim Umbau der unteren Geschosse des Bibliothekflügels im Jahre 1894 blieb der im Hauptgeschoss gelegene Bibliotheksaal, das sogenannte „Corps“ unberührt. Das Erdgeschoss erhielt nunmehr 23 Messlokale mit zusammen 941 qm, das Zwischengeschoss 23 desgleichen mit zusammen 403 qm nutzbarer Fläche. Die zweckmässig eingerichteten, mit einer Dampf-Niederdruckheizung versehenen Räume fanden allseitig Beifall und wurden an auswärtige Firmen, meist keramischer Branche, vermiethet. Die werthvolle Büchersammlung wurde durch eine unter der Holzbalkenlage des Saales eingezogene Monierdecke gegen Feuersgefahr geschützt. Die Aufgabe des Architekten war es, das Aeussere des Gebäudes trotz der für die Läden nothwendigen Durchbrechung der Umfassungsmauern – massive Pfeiler mit Bogenöffnungen – nicht in seinem bisherigen monumentalen Charakter zu schädigen.

Bereits im folgenden Jahre erfolgte sodann eine grössere Erweiterung dieser Anlage durch einen umfangreicheren Neubau an der Universitätsstrasse und dem Kupfergässchen.

Querschnitt durch den Saal

Das Gelände dazu wurde durch Abbruch des baufällig gewordenen Konzertsaal-Flügels, des alten Konservatoriums und einiger vom Rathe erworbener Grundstücke am Kupfergässchen gewonnen. Während die Baufluchtlinie in der Universitätsstrasse fast unverändert blieb, wurde die Front am Kupfergässchen bis zu einer Strassenbreite von 10 m zurückgesetzt. Bestimmend für die Grundriss-Gestaltung war der Gedanke, Lokale zu beiden Seiten eines breiten Mittelkorridors, wie dies im Bibliothekflügel mit gutem Erfolg ausgeführt ist, anzuordnen. Als Ersatz für den alten, in Wegfall kommenden, übrigens bedenklich baufällig gewordenen Gewandhaussaal musste ein neuer Saal geschaffen werden, der aber nicht nur Konzertsaal sein, sondern auch für Messausstellungen dienen sollte.

Das neue Gebäude besteht aus 2 Geschossen unter und 4 Geschossen über Erdgleiche und gruppirt sich mit den geschaffenen Mess- und Verkaufslokalen um einen 8,8 m breiten und 15,48 m langen Lichthof. Ein Haupteingang im Hofe von der vorhandenen und beibehaltenen Durchfahrt vom Neumarkte zur Universitätsstrasse und ein solcher vom Kupfergässchen aus bewirken den Zugang zum Innern des Gebäudes. In ihrer Nähe befinden sich die Treppen zu den obersten Geschossen.

Städtisches Kaufhaus in Leipzig. Arch. H. Licht – Erdgeschoss
Städtisches Kaufhaus in Leipzig. Arch. H. Licht – II. Obergeschoss

Das untere Kellergeschoss ist für Weinlager bestimmt. Im oberen Kellergeschoss sind Niederlagsräume für die Verkaufsläden und Messlokale des Erdgeschosses, ferner eine Restaurationsküche, ein Aufzugsraum, zwei Aborte und die Heizstellen der Zentralheizung angeordnet. Der Keller unter dem Lichthof ist wegen besserer Erhellung in Geländehöhe durch eine begehbare Glasdecke abgedeckt.

Im Erdgeschoss liegen an den beiden Strassenfronten 8 Verkaufsläden verschiedener Grösse, 12 Messlokale gegen die Höfe, ein Konversationszimmer mit Büffet, ferner je ein Raum für Telegramm- und Briefbeförderung, für den Kastellan, die Aufzüge und zwei Toilettenräume.

Das 2. Obergeschoss enthält 30 Messlokale, einen Aufzugsraum, ein Telephonzimmer und zwei Toilettenräume, Die Verbindung mit den Messlokalen im Zwischengeschoss des Bibliothekflügels ist durch eine kurze Treppe hergestellt. Im 2. und 3. Obergeschoss sind gegen die Strassen und Höfe 37 Messlokale untergebracht, während im hinteren, gegen die Neumarkt-Grundstücke zu gelegenen Theile der Konzertsaal mit Galerien und Garderoben untergebracht ist. Durch diese Anordnung wurde einerseits eine möglichste Isolirung des Saales für Konzertzwecke und andererseits eine Verbindung desselben mit den übrigen Messräumen und Benutzbarkeit zu Verkaufsständen oder Ausstellungen während der Messen ermöglicht.

Der Saal entspricht in seinen Abmessungen ungefähr dem kleinen Saale im neuen Gewandhause, beziehentlich dem Saale des königl. Konservatoriums der Musik, welche beide nach den Maassen des alten Gewandhaussaales angelegt sind. Er enthält imganzen 914 bequeme Sitzplätze.

Das Dachgeschoss ist zu Kistenlagern und zur Unterbringung der Stühle des Saales auf die Dauer der Messen bestimmt.

Die zwei grossen Haupttreppen sind unmittelbar an den Saal angelehnt und so angeordnet, dass eine möglichst rasche Entleerung des Saales und der Galerie stattfinden kann. Zum Transport von Personen und Waaren sind zwei Aufzüge, für den Weinkeller ein solcher, sämmtlich mit elektrischem Betrieb im Anschluss an das Kabelnetz vorgesehen. Die Konstruktionen des Gebäudes sind möglichst feuersicher, der Neuzeit entsprechend ausgeführt. Zur Erwärmung dient eine Niederdruck-Dampfheizung, verbunden mit einer Pulsions-Ventilation für den Konzertsaal; für die Beleuchtung ist elektrisches Licht eingerichtet.

Die innere Ausstattung ist mit Ausnahme des Saales, der eine reichere Durchbildung erfahren hat (s. Beilage), in einfacher Weise ausgeführt worden. Das Aeussere ist Putzbau mit mässiger Verwendung von Werkstein für exponirte Architekturtheile, die in ihren Kunstformen an die des Bibliothekflügels vom alten Gewandhause sich anlehnen.

Die Gesammtkosten des Neubaues des städtischen Kaufhauses haben sich auf 861 500 M. belaufen, während der Umbau des Bibliothekflügels 266 400 M. kostete.

Zu erwähnen ist noch, dass in der Nische über der Hofeinfahrt an der Universitätsstrasse eine vom Bildhauer Seffner modellirte und in Bronze zu giessende 2,3 m hohe Figur Kaiser Maximilians Platz finden wird. Eine Inschrifttafel darüber meldet: Erbaut 1895 und 1896 unter König Albert, 400 Jahre nach der Bestätigung der Leipziger Messen durch Kaiser Max.

Die Formensprache der äusseren Erscheinung der gesammten Gebäudegruppe lehnt sich eng an gewisse Leipziger Messhäuser vom Anfang des vorigen Jahrhunderts an. Aus dem Grundriss des Erdgeschosses ist die Möglichkeit einer Erweiterung der Anlage nach dem Neumarkte zu ersichtlich. Von den hier infrage kommenden Grundstücken befinden sich einige übrigens z. Zt. noch nicht im Besitze der Stadtgemeinde.

Die Ausführung des Umbaues wie des Neubaues lag in den Händen des städt. Bauinspektors Reg.-Baumeisters Rayher, dem die Architekten Möller und Kerber zur Seite standen. Mit der Detaillirung und selbständigen künstlerischen Durchbildung des Konzertsaales war Hr. Arch. Schumacher betraut, wärend Hr. Arch. Max Bischof die hier beigegebenen Federzeichnungen fertigte.

Dieser Artikel erschien zuerst am 02.01.1897 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „H. L.“.