Entwürfe zur Umgestaltung des Gasthofes zum „Weissen Hirschen“ in Rothenburg o. T.

Gegenwärtiger Zustand

Wie die beistehende Abbildung zeigt, bietet der Gasthof zum „Weissen Hirschen“ in Rothenburg o. T. an seiner gegen die Tauber gelegenen Seite eine wenig anmuthende und recht unharmonisch in das einheitliche Stadtbild sich einfügende Ansicht dar, ein Mangel, der von allen künstlerisch empfindenden Besuchern der schönen Tauberstadt recht schwer gefühlt wurde.

Als daher vor nun etwa 1 ½ Jahren in Rothenburg der Verband Akademischer Architekten-Vereine deutscher Sprache gegründet wurde mit der satzungsgemässen Verpflichtung wechselnder Monats-Konkurrenzen, da wurde von dem damaligen Vororte des Vereins, dem Akad. Arch.-V. Braunschweig, der Gedanke aufgegriffen, auf dem Wege eines unter den Mitgliedern des Verbandes zu eröffnenden idealen Wettbewerbes Entwürfe zur Umgestaltung der nach der Tauberseite gelegenen Fassade des Gasthofes zu gewinnen. Dabei sollten die Räume in ihrer jetzigen Anordnung bestehen bleiben und alle unnöthigen Kosten im Hinblick auf die Hoffnung, den Umbau nach irgend einem schönen Entwurf bald in Angriff genommen zu sehen, möglichst vermieden werden. Im wesentlichen war daher auf eine möglichst einfache und charakteristische Fassaden- und Dachbildunge von gefälliger Umrisslinie hinzuarbeiten.

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Die Entwürfe wurden beurtheilt von den Hrn. Geh. Hfrth. Prof. C. Uhde, Prof. H. Pfeifer und Kreisbauinsp. Bohnsack in Braunschweig. Die Entscheidung fiel zugunsten des Entwurfes des Hrn. Rud. Jacobs in Charlottenburg aus. Ihm rühmt das Preisgericht nach, dass mit dieser Lösung der Beweis erbracht sei, dass es mit verhältnissmässig geringen Mitteln möglich sein würde, den „Weissen Hirschen“ so zu vervollständigen, dass er nicht mehr wie bisher durch seine Dachlosigkeit die Harmonie des herrlichen Städtebildes störe, sondern sich als eine Zierde in den Kranz der übrigen Bauten der Stadt von ächt deutschem Gepräge einfüge. Der Entwurf könne zudem zur Ausführung gebracht werden ohne Störung des Hotelbetriebes.

Gegenwärtiger Zustand
Gegenwärtiger Zustand

In künstlerischer Beziehung zeige der Entwurf einen glücklichen Griff in der Vertheilung der Dachmassen. Ein mächtiger steiler Giebel mit heller Verputzfiäche beherrscht die Fernwirkung, während dagegen ein Walm mit offener Laube ein Gegengewicht bildet zu der vorhandenen Terrasse mit Plattform an der anderen Seite des Hauses. Im übrigen aber befürchtet das Preisgericht, dass der in der Mitte des grossen Giebels angeordnete schlanke Erker, der bis zum First hinaufreicht, für die Ferne den Zusammenhang der Giebelfläche zu sehr zerschneide und daher in seiner Höhe wohl etwas eingeschränkt werden müsse.

Entwurf des Hrn. Rud. Jacobs in Charlottenburg bei Berlin
Entwurf des Hrn. Rud. Jacobs in Charlottenburg bei Berlin

In einem zweiten Entwurf, als dessen Verfasser sich Hr. Max Herfurt in Dresden erwies und der in den Abbildungen dargestellt ist, fallen die tüchtigen künstlerischen Fähigkeiten des Verfassers und sein feines Gefühl für deutsche Empfindung insbesondere auch in der Verbindung der gemauerten Architektur mit Fachwerk auf. Gleichwohl hat das Preisgericht tadeln müssen, dass der Entwurf der strengen Programmforderung, alle unnöthigen Kosten zu vermeiden, nicht entspreche. Sonst aber wird anerkannt, dass sich die Architektur sowohl der Umgebung wie dem vorhandenen Gebäude gut anpasse; doch habe der Verfasser, wahrscheinlich in dem Bestreben, die Dachlösung interessanter zu gestalten, zu einigen kleinen Motiven gegriffen, die sich nicht ungezwungen aus der Aufgabe selbst ergeben und die Fernwirkung beeinträchtigen.

Entwurf des Hrn. Max Herfurt in Dresden
Entwurf des Hrn. Max Herfurt in Dresden
Entwurf des Hrn. Max Herfurt in Dresden
Entwurf des Hrn. Max Herfurt in Dresden

Imganzen ist anzuerkennen, dass der Wettbewerb nicht erfolglos war und wenn er nur den Besitzer des „Weissen Hirschen“ auf die Störung des jetzigen Zustandes aufmerksam gemacht und in ihm den Gedanken einer dem Stadtbilde günstigen baukünstlerischen Umgestaltung geweckt oder gestärkt hat, so war das aus idealen Gesichtspunkten betriebene Unternehmen auch praktisch nicht ohne einigen Gewinn. –

Dieser Artikel erschien zuerst am 28.03.1900 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „- H. -“.