Fernphotographie

Von Oberleuntnant a. D. A. Kiesling. Der Gesichtskreis unserer Augen ist mehr oder weniger eng begrenzt, je nach ihrer Beschaffenheit. Ueber gewisse Entfernungen hinaus vermag selbst das schärfste menschliche Auge nichts mehr zu erkennen. Wir können zwar unsern Gesichtskreis erheblich vergrößern, indem wir unser Auge mit einem Fernglas bewaffnen, aber diese Vergrößerung bewegt sich doch nur innerhalb bescheidener Grenzen.

Aehnlich verhält es sich in der Photographie mit der Leistungsfähigkeit der Objektive. Gewöhnliche Objektive haben einen beschränkten Aufnahmekreis; bringt man sie aber in Verbindung mit einem Fernrohr, so kann man auch diesen Kreis erheblich hinausschieben. Durch Einschaltung einer gelben Scheibe zwischen Aufnahmegegenstand und lichtempfindlicher Platte kann man sogar den sogenannten blauen Dunst auslöschen und noch da klare Bilder erhalten, wo unser Auge nur eine in Dunst gehüllte Ferne sieht. Gegen den eigentlichen grauen Nebel hilft aber auch keine gelbe Scheibe. Die Idee, Fernrohre zu photographischen Aufnahmen zu verwenden, ist schon vor vielen Jahrzehnten aufgetaucht und in der Astronomie mit Erfolg zur Anwendung gekommen. Für Erdaufnahmen dagegen ist dieser Gedanke erst vor wenigen Jahren nutzbar gemacht worden. Man konstruierte abgekürzte photographische Fernrohre, sogenannte Tele- oder Fernobjektive, eine Vereinigung von photographischem Objektiv und Fernrohr, die in Verbindung mit einer nicht zu langen Kamera brauchbare photographische Aufnahmen entfernter Gegenstände erheblich erleichterten.

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Dennoch besteht ein wesentlicher Unterschied in den Abmessungen eines gewöhnlichen und eines fernphotographischen Apparats, wie unsere Abbildung zeigt. Bei den hier zur Verwendung kommenden Abmessungen der Apparate gelingt es, ungefähr eine 10 bis 12fache lineare Vergrößerung mit dem Fernapparat gegen über dem gewöhnlichen Apparat zu erreichen. Mit dieser Vergrößerung lassen sich schon recht bemerkenswerte Resultate erreichen, wie unsere Abbildungen vom Schloß Babelsberg bei Potsdam, von der Kaiser Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin und namentlich von der Montblanc Kette zeigen.

Pantelegraph Castelli, Original- und Uebermittlungsdepesche

Der Wert der Fernphotographie besteht darin, daß sie uns gestattet, solche Gegenstände, an die wir mit einem gewöhnlichen photographischen Apparat nicht genügend nahe her ankommen können, doch noch in brauchbarer Größe abzubilden. Von dieser Eigenschaft machen Architekten, Topographen, Geographen u. s. w. ausgiebigen Gebrauch.

Einstellung eines gewöhnlichen und eines fernphotographischen Apparats

Eine weitere Verbesserung unserer Fernobjektive liegt sehr wohl im Bereich der Möglichkeit, aber stets wird der Aufnahmekreis dieser Objektive räumlich beschränkt bleiben. Wollen wir auf unbeschränkte Entfernungen photographieren, dann müssen wir die Fernobjektive im Stich lassen und die Hilfe des elektrischen Drahts in Anspruch nehmen. Zum besseren Verständnis dieser telegraphischen Photographie muß man die Einrichtung des sogenannten Kopiertelegraphen kennen.

fernphotographische Aufnahme des Schlosses Babelsberg aus einer Entfernung von 2600 Metern

Dieser Kopiertelegraph wurde 1856 von Caselli erfunden und Pantelegraph genannt; er gestattet Zeichnungen und Schriftstücke auf beliebige Entfernungen zu übertragen; Original und Kopie gleichen einander vollkommen, nur ein Unterschied besteht: die Originale bestehen aus zusammenhängenden Linien, die Kopien aus feinen, dicht nebeneinanderliegenden Strichen (vergl. die beiden obenstehenden Abbildungen).

fernphotographische Aufnahme der Montblanc-Kette aus einer Entfernung von 70 000 Metern

Dies Kopieren mittels des Telegraphen geschieht folgendermaßen: in den Stromkreis werden zwei ganz gleiche Apparate eingeschaltet, je einer am Aufgabe und Empfangsort der Depesche. Jeder Apparat enthält eine Kupferplatte, über die ein feiner Metallstift in dicht nebeneinander liegenden Linien schleift; die Bewegung der beiden Stifte ist an beiden Orten genau dieselbe. Am Aufgabeort wird nun die zu übertragende Zeichnung mit einer den elektrischen Strom nicht leitenden Tinte auf die Kupferplatte des Apparats gezeichnet, am Empfangsort wird auf die Kupferplatte ein feines Blatt Papier, das mit Jodstärkekleister getränkt ist, befestigt, so daß es sich zwischen Platte und Stift befindet. Jetzt werden beide Apparate gleichzeitig in Gang gebracht. Der elektrische Strom ist so lange geschlossen, als der Stift am Aufnahmeapparat die blanke Kupferplatte berührt; er wird sofort unterbrochen, sowie der Stift eine mit Tinte isolierte Stelle der Platte antrifft. Am Empfangsort geht der Strom durch das Jodstärkekleisterpapier hindurch und färbt dies dunkelblau; wird der Strom unterbrochen, so bleibt die Stelle des Papiers, über der sich gerade der Stift befindet, weiß. Es folgt daraus, daß jedesmal, wenn der Aufnahmestift einen Punkt der Zeichnung berührt, ein entsprechender Punkt der Kopie erzeugt wird indem der Stift des Aufnahmeapparats Strich für Strich die ganze Originalzeichnung berührt erzeugt er Strich für Strich die Kopie.

fernphotographische Aufnahme (600 Meter) der Kaiser Wilhelm-Gedächniskirche in Berlin

Bringt man nun anstelle einer Zeichnung eine Photographie mittels isolierender Masse (z. B chromierten Fischleim) auf der Kupferplatte des Aufnahmeapparats an, so kann man auch eine solche Photographie beliebig weit telegraphieren. Da jedoch der Pantelegraph keine Halbtöne wiederzugeben vermag sondern nur für Schwarz und Weiß eingerichtet ist, s muß die zu übertragende Photographie ein Rasterbild sein d. h. es muß in Linien und Punkte zerlegt werden. Unsere Leser kennen Rasterphotographien zur Genüge, denn alle Illustrationen der „Woche“, sofern sie durch Photographie erzeugt wurden, sind solche (durch ein Netz aufgenommene) Rasterbilder.

Amstutzs neuer Apparat für Fernaufnahmen

Neuerdings hat man nun in Amerika eine Methode ersonnen, die die Umwandlung der Originalphotographie in ein Rasterbild für die Zwecke der telegraphischen Uebertragung unnötig macht. Man stellt für den Aufnahmeapparat eine Kopie mittels Pigmentdrückers her; ein solches Pigmentbild ist reliefartig, die tiefsten Schatten sind am erhabensten, die hellsten Lichter ganz flach, die Halbtöne dazwischen, je nach ihrer Tiefe, mehr oder weniger erhaben. Dies Reliefbild wird auf der Kupferplatte des Aufnahmeapparats befestigt. Die Kupferplatte des Empfangsapparats dagegen wird mit einer dünnen Schicht von Paraffinwachs überzogen. Wenn der Telegraph nun in Betrieb gesetzt wird, so gleiten beide Metallstifte gleichmäßig über die beiden Kupferplatten hinweg. Der Aufnahmestift wird, sobald er eine erhabene Stelle der Reliefphotograpbie trifft, gehoben und sinkt wieder, sobald die Erhöhung der Bildschicht nachlässt. Durch Einschaltung eines Mikrophons werden diese Bewegungen des Stifts als Stromschwankungen bemerkbar, die den Empfangsstift mehr oder weniger tief in die Wachsschicht der Kupferplatte eindrücken. Es entsteht dadurch auf dieser letzten Platte ein vertieftes Relief der Originalphotographie, nur in Striche zerlegt. Aus praktischen Gründen läßt man den Stift erst die ganze Platte von oben nach unten überschleifen und dann von rechts nach links. Dadurch wird bewirkt, daß die Kopie ein gitterartiges Aussehen erhält, wodurch die Bildwirkung besser wird.

Das durch den elektrischen Draht übertragene Porträt des Erfinders der Ferphotographie Amstutz

Unsere letzte Abbildung zeigt uns das Porträt des Erfinders dieser Methode, des Amerikaners Amstutz, auf elektrischem Wege kopiert.

Welche Perspektive eröffnet dies Verfahren der weiteren Entwicklung der Fernphotographie! So wie wir durch das Telephon auf viele hundert Kilometer weit sprechen und hören, so werden wir durch den telephotographischen Apparat auf ebensolche Entfernungen sehen und photographieren können! Thatsächlich können wir es heute schon, nur liegt die Sache bis jetzt noch in den Anfangsstadien.

Dieser Artikel erschien zuerst 1900 in Die Woche.