In unserm Zeitalter der Trusts, der Kartelle, der Betriebs-, Einkaufs- und Verkaufsgemeinschaften, und wie die Vereinigungen alle heißen mögen, zu denen die Produzenten, die Fabrikanten, Landwirte und Handwerker sich zusammengeschlossen haben, um in dem scharfen Konkurrenzkampf bestehen und die Preise hochhalten zu können, ist es nicht verwunderlich, daß auch die Konsumenten sich in Vereinen zusammenfinden, die auf Gegenseitigkeit und Selbsthilfe beruhen und die Förderung der materiellen Interessen ihrer Mitglieder bezwecken.
Unter den letzteren Vereinen sind die zahlreichsten die Konsumvereine, die darauf abzielen, ihren Mitgliedern die Lebensbedürfnisse durch gemeinsamen Einkauf billiger zu verschaffen. Wir finden diese Konsumvereine in allen Berufszweigen, und dem Zug der Zeit sind auch die Offiziere und Beamten gefolgt, sowohl in auch in andern europäischen Ländern.
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Den ersten derartigen Verein bildeten 1870 Offiziere und Beamte der englischen Armee und Flotte.
Die niedrigen Preise für Militäreffekten, Kleider, Wäsche und alle notwendigen Artikel des Haushalts und die großen pekuniären Ersparnisse, die für die Teilnehmer des Vereins hieraus erwuchsen, waren so ins Auge fallend, daß aus allen Teilen der britischen Armee und Flotte sich zahlreiche Mitglieder zum Eintritt in den Verein meldeten. Die Vereinigung erbaute sich in London ein großes Warenhaus und Verkaufslokal, die „Army and Navy Stores“ in Regentstreet (Abb.), und war nach wenigen Jahren schon nicht mehr imstande, dem Andrang zu genügen.
Es wurde 1879 ein neues, gleichartiges Unternehmen, die „Junior Army and Navy Stores“, ins Leben gerufen, die ebenfalls eigene Warenhäuser in der genannten Straße, der großen Verkehrsader von West London, besitzen.
Diese segensreiche Einrichtung bewährte sich so, daß bald auch der Beamtenstand dem Beispiel von Heer und Flotte folgte und in den „Civil Service Stores“ ein großes Warenhaus für die Beamten schuf.
Auch in Deutschland wurde naturgemäß bald der Wunsch rege, durch eine Einrichtung nach dem Muster der englischen Institute es unsern Beamten und Offizieren zu ermöglichen, ihre Bekleidung und Ausrüstung sowie ihre Lebensbedürfnisse in guter Qualität zu billigen Preisen einzukaufen. Infolge dieser Bestrebungen wurden vor 20 Jahren der Deutsche Offiziersverein und vor 15 Jahren das Warenhaus für deutsche Beamte ins Leben gerufen. Während die englischen Institute rein kaufmännischer Natur sind und keine weiteren gemeinnützigen Tendenzen verfolgen, wurde für die beiden deutschen Vereinigungen als alleiniger Zweck die Gemeinnützigkeit ihrer Bestrebungen und die Wahrung der wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder auf allen ihren Tätigkeitsgebieten hingestellt. Der Offiziersverein eröffnete seine Geschäftstätigkeit in Berlin Berlin am 1. April 1884 und zählt heute nach zwanzig Jahren 52 000 stimmberechtigte und 2000 außerordentliche Mitglieder, von denen rund 35 000 Waren vom Verein beziehen, während die übrigen zum größeren Teil die andern vom Verein gebotenen Vorteile, die zahlreichen Verkehrserleichterungen, die Vermittlung von Anstellungen, Auskünfte usw. ausnützen. Das Warenhaus für deutsche Beamte wurde im Jahr 1889 als Aktiengesellschaft ins Leben gerufen. Die Leitung des Warenhauses ruht jetzt in den Händen des Vereins der Kaufberechtigten des Warenhauses. Das Warenhaus bezweckt, den deutschen Beamten durch Bareinkauf und Barverkauf gute Waren zu möglichst niedrigen Preisen zu liefern, ihnen Verkehrserleichterungen und Preisermäßigungen in Hotels und Bädern, bei Versicherungsgesellschaften usw. zu erwirken, ihnen gute Geschäfte zu empfehlen und aus den Eintrittsgeldern und Ueberschüssen einen Darlehnsfonds zu bilden. Dieses Ziel ist erreicht worden. Der Verein besitzt ein eigenes stattliches Gebäude in der Bunsenstraße (Abb.) das nicht nur die Verkaufs- und Verwaltungsräume enthält, sondern auch eine mächtige Weinkellerei (Abb.) und ein Hotel für seine Mitglieder, die auf Reisen nach Berlin kommen.
Mitglieder des Vereins können alle aktiven und verabschiedeten unmittelbaren und mittelbaren Reichs-, Staats-, kirchlichen und Hofbeamten, einige andere Beamtenkategorien sowie Privatbeamte und die Witwen von zur Mitgliedschaft qualifizierten Personen werden. Nur Mitglieder des Vereins können von diesem Waren beziehen. Der Verein besitzt zurzeit rund 40 000 Mitglieder, von denen die Mehrzahl innerhalb des Deutschen Reiches, viele aber auch im Ausland wohnen, die sich zum Bezug ihrer verschiedenen Bedürfnisse vertrauensvoll an ihren Verein in der Heimat wenden.
Das Gegenstück zu den Londoner und Berliner Beamtenwarenhäusern befindet sich in Paris in der 8 Rue Christine, nahe dem Hotel de Ville: das Kaufhans für Pariser städtische und Staatsbeamte, gewöhnlich „La grande cooperative“ genannt. Das Haus ist schuldenfreies Eigentum der Interessenten, und das ganze Unternehmen ist äußerst erfolgreich, so daß in absehbarer Zeit die Subvention des Kaufhauses aus städtischen und Staatsmitteln entbehrlich werden wird. Die Kunden sind, wie es ja auch nicht anders zu erwarten ist, mit der Qualität der gelieferten Waren mit der Schnelligkeit der Zustellung und der Höhe der gutgeschriebenen Beträge im allgemeinen zufrieden.
Dieser Text erschien zuerst 1904 in Die Woche.