Geregelte Wasserwirtschaft

1905, von Prof. Dr. A. Backhaus, Berlin. Unter Regelung der Wasserwirtschaft versteht man meist nur die Maßnahmen zur Verhütung von Ueberschwemmungen, die Anlegung von Kanälen und den Ausbau vorhandener Flußläufe zur Förderung der Schiffahrt.

So wichtig auch in unserer Zeit die Hebung des Transportwesens ist, und so sehr man die gewaltigen Verwüstungen des entfelleten Elements bekämpfen muß, so sind doch diese Momente der Wasserwirtschaft geringfügig im Vergleich zu einer andern kulturellen Aufgabe des Wassers, naämich der Verbesserung der Pflanzenkultur. Für unsere gesamte Flora ist das Wasser nicht nur der Hauptbestandteil, es dient vielmehr auch als Transportmittel für die Nährstoffe aus dem Boden in den Pflanzenleib, und die hierzu nötigen Wassermngen sind ganz bedeutende. In unserm Klima kann man im Mittel als Wasserbedarf für kg Trockenerntemasse 550 kg Wasser annehmen. Als eine gute Getreide- oder Futterernte nimmt man auf den Hektar 100kg Trockensubstanz an.

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Man braucht also hierzu 3500 cbm Wasser oder einen Regenfall von 550 mm im Jahr. Die mittlere Regenhöhe im Deutschen Reich beträgt 650 mm. In Berlin ist sie nur 594 min, in den Monaten Mai bis September sogar 288 mm und in den Hauptvegetationsmonaten Mai bis Juli nur 188 mm. Es gibt aber Gegenden in Deutschland, die in bezug auf Menge und Verteilung des Regenfalls noch ungünstiger liegen als Berlin. Es ist einleuchtend, daß, wenn die Niederschläge dem Grund und Boden rasch entführt werden, wenn durch Verdunstungen ein weiterer Teil verloren geht, wenn infolge der hoch entwickelten modernen Bodenkultur große Massen wasserbedürftiger Kulturpflanzen vorhanden sind und schließlich Unregelmäßigkeiten in der Verteilung des Regens vorkommen, die Kulturpflanzen verdursten müssen und der Ertrag des Ackerbaues, der doch immer noch als die wichtigste Quelle des Volksvermögens betrachtet werden muß, versagt.

Die lang andauernde Trockenheit im Jahr 1904 hat, gering gerechnet, einen Ertragsausfall von 50 Mk. auf den Hektar Kulturland oder im ganzen Deutschen Reich einen Verlust von 2,5 Milliarden Mark gebracht. Aber auch jahraus, jahrein leiden große Länderstriche unseres Vaterlandes, insbesondere der leichtere Boden der norddeutschen Tiefebene, an Wassermangel, und der Landwirt, der sonst die Faktoren des Gedeihens der Kulturpflanzen bis zu einem hohen Grad beherrscht, wird meistens durch ungenügende Feuchtigkeit an der höheren Ausnutzung der Naturkräfte behindert. Dabei fließen nach Intze in der Sekunde aus Deutschland 5700 cbm oder im Tag 492 Millionen cbm Wasser ins Meer, die einen Segen von Ackerbauerzeugnissen ermöglichen könnten. Versuche auf den Berliner Rieselfeldern im Jahr 1904 ergaben, daß man mit einem in der trockenen Zeit künstlich zugeführten Kubikmeter Wasser eine Erhöhung des Erntewertes von 5 bis 13 Pf. erzielen konnte. Diese Zahlen und Erwägungen beweisen die hohe Bedeutung der Regelung der Wasserwirtschaft für unsere Kulturpflanzen.

Eine Bewässerung des Ackerlandes ist im allgemeinen in Deutschland noch unbekannt. Mit der ihnen eigenen Energie haben die Amerikaner dieses Kulturmoment in den letzten Dezennien in erstaunlicher Art und Weise gefördert.

Im Jahr 1849 wurde durch die Mormonen in Utah die erste primitive Bewässerungsanlage eingerichtet, seit dieser Zeit sind über 30 Millionen Aeres in blühende Bewässerungswirtschaft genommen. Im Jahr 1893, als in Deutschland eine seltene Dürre eine große Mißernte herbeiführte, konnte ich im nordamerikanischen Westen in einem viel trockeneren Klima als in Deutschland die üppigste Pflanzenvegetation, die nur durch künstliche Bewässerung entstanden war, beobachten. Große Schiffsladungen Heu mussten damals aus amerikanischen Bewässerungswirtschaften nach der alten Welt exportiert werden, weil man es hier viel weniger als dort verstand, das Wasser für die Pflanzenkultur nutzbar zu machen. Freilich ist das Beispiel wärmerer, fast tropischer Länder mit kräftigem Boden für uns nicht allein maßgebend. Es müssten die klimatischen, die Bodenverhältnisse, speziellen Landwirtschaftlichen Betriebseinrichtungen, die bestimmte Form, in denen sich die Wasserwirtschaft darbietet, und auch die Nebenbenutzung des Wassers eingehend berücksichtigt werden, um mit der Einführung einer künstlichen Bewässerung nicht Fiasko zu machen.

Die Naturkräfte, die sich in dem Wasser darbieten, sind ganz gewaltig. 400 Milliarden cbm Regen fallen in Deutschland jährlich nieder. Die Kraft, die diese durch das Herabfließen nach der Meereshöhe entwickeln können, repräsentiert auf der Grundlage eines Preises von 10 Pf. für die Pferdekraftstunde einen Wert von 17 1/2 Milliarden Mark im Jahr.

Wenn man diese Wassermenge sämtlich für die landwirtwirtschaftliche Produktion verwenden könnte, so ließe sich daraus, auf der Grundlage, daß 1 cbm Wasser mit 5 Pf. zu verwerten ist, ein Ertrag des Ackerbaues von 20 Milliarden Mark erzielen. Um das Wasser zu erhalten, sind außer den vorhandenen Seen und Teichen Stauweiher und Talsperren notwendig, die sich sämtlich durch Fischzucht in ausgedehnter Weise nutzbar machen ließen und so ebenfalls große Volksvermögen erzielen lassen. Als Transportmittel bietet das Wasser weitere Vorteile, die hier nicht näher veranschlagt werden können. Schließlich ist die Wasserversorgung von Städten, Dörfern, Gütern ein hochwichtiger Umstand, der ebenfalls bei den Fragen der Wasserwirtschaft berücksichtigt werden muß. Die Entwässerung und Reinigung der menschlichen Wohnorte sowie der Industrie sind von einer hohen hygienischen Bedeutung. Es gilt aber nicht nur in der Wasserwirtschaft, von den wohltätigen Wirkungen des Wassers Gebrauch zu machen und sie noch weit intensiver auszunutzen, es müssen vielmehr auch seine schädlichen Einflüsse ferngehalten werden. Es gilt insbesondere, die Ueberschwemmungsgefahren zu vermeiden und das Uebermaß von Wasser aus dem Kulturboden, das zur Versumpfung und Störung des Pflanzenwachstums führt, zu verhüten. Diese eben bezeichneten Aufgaben einer geregelten Wasserwirtschaft, die sämtlich ineinandergreifen, mögen im einzelnen noch etwas näher verfolgt werden.

Fragt man sich, ob eine Einwirkung auf die Vermehrung des Regenfalls möglich ist, so ist dieses entschieden zu bejahen. Es handelt sich namentlich um den Schutz des Waldes, um Aufforstung öder Flächen, um Anlage von Baumpflanzungen auf dem Kulturland, weil hierdurch der Regen an gezogen und der Niederschlag bis zu einem gewissen Grad erhöht werden kann. Ebenso wirken aber auch größere Wasserflächen, die durch ihre Verdunstung oder durch direkte Anziehung der Luftfeuchtigkeit den Regenfall vermehren.

Mehr als auf die Vermehrung des atmosphärischen Niederschlags ist eine Einwirkung in bezug auf die Konservierung des Wassers möglich. Zunächst handelt es sich um die Erhaltung des wohltätigen Elements im Kulturboden. Der Landwirt hat eine ganze Reihe von Mitteln in der Hand um die Winterfeuchtigkeit sowie auch den Sommerregen vor einem raschen Ablaufen und Verdunsten zu schützen, z. B. die Tiefkultur, um ein größeres Wasserreservoir in der Ackerkrume zu schaffen, die Bereicherung des Kulturlandes mit Humus, da hierdurch gleichzeitig Wasserkapazität und Wasserkapillarität gesteigert wird, wechselnder Anbau von tief- und flachwurzelnden Pflanzen, Auswahl geeigneter Sorten von Kulturpflanzen, Erhaltung beziehungsweise Vermehrung von Wäldern, Hecken und Baumpflanzungen, um austrocknende Winde fernzuhalten, Einführung der Drillsaat und Hackkultur, da hierdurch in ganz hervorragender Weise die direkte Wasserverdunstung des Bodens beeinträchtigt wird, Bekämpfung des Unkrauts, chemische Beeinflussung des Kulturlandes, insbesondere Erhöhung der Absorbtionsfähigkeit durch Salzdüngung, sachgemäße Ausführung der Bestellung und Anwendung der Ventildrainage zwecks willkürlicher Ausschaltung der Entwässerung im Frühjahr und Sommer.

Es ist natürlich unmöglich, daß sämtliches Wasser durch die vorher genannten Maßnahmen im Kulturboden aufgespeichert werden kann; gewisse Ueberschüsse sind vorhanden, die ebenso wie solche von unbebautem Land, sei es als Oberflächenwasser, sei es als Quellwasser, zum Abfließen kommen und durch die Wasserläufe dem Meer zueilen. Hier ist es nun eine der größten Aufgaben der Neuzeit, nicht nur durch die vorhandenen Teiche, Seen und Flußläufe das Wasser zu erhalten, vielmehr auch durch Neuanlagen von Stauweihern, Talsperren und Kanälen Reservoirs zu schaffen, die große Massen aufnehmen und sie allmählich für Zwecke der Landwirtschaft, der Industrie und Schiffahrt abgeben können. Viel zu einseitig hat man in der neusten Zeit diese Anlagen nur zur Bekämpfung der Hochwassergefahr empfohlen. Es lassen sich sehr wohl mit diesem allerdings ungemein wichtigen Zweck auch die sonstigen Aufgaben der Wasserwirtschaft verbinden und dadurch solche Anlagen erst recht lukrativ machen. Mit großem Erfolg hat man an vielen Orten Deutschlands derartige Anlagen errichtet, aber wir befinden uns erst im Anfang einer Entwicklung. Wie weit man in andern Ländern mit diesem System schon gegangen ist, zeigt die Angabe, daß in der Provinz Madras in Britisch-Indien allein 50 000 Sammelbecken vorhanden sind. Der Mörissee der alten Aegypter im Umfang von 12 000 ha, nach anderer Lesart sogar 120 000 ha, ist das großartigste der diesbezüglichen Werke.

In ähnlicher Weise betrachtet, können auch die Benutzung des Wassers zu Transportzwecken und die Kanalpolitik eine ganz andere Bedeutung annehmen, wenn sie von einem allgemeinen wasserwirtschaftlichen Standpunkt aus verfolgt werden.

Die Wasserwege bilden unbedingt ein ganz vorzügliches Transportmittel das nicht nur der Industrie, sondern auch der Landwirtschaft zugute kommt, namentlich wenn sie an Intensität weiter steigt.

Neue Stauweiher, Sammelbecken und Kanalbauten bedeuten landwirtschaftlich durchaus nicht einen Verlust an Terrain zur Produktion von Nahrungsmitteln. Es lassen sich unter den richtigen Vorbedingungen hier durch Fischzucht vielleicht größere Mengen von menschlichen Nahrungsmitteln gewinnen, als auf schlechtem Kulturland. Die durch oberirdischen Abfluß mitgerissenen organischen und mineralischen Bestandteile des Grund und Bodens können unter den richtigen Vorbedingungen, die man nötigenfalls künstlich schaffen kann, im Wasser sehr bald zu einer gewaltigen niederen Flora und Fauna sich entwickeln, nach dem biologischen Entwicklungsgang, daß die einfachsten Bakterien, Pilze, Algen durch höher organisierte Protozoen, Infusorien, Krustazeen und Weichtiere ersetzt werden und diese schließlich als Fischnahrung dienen. So hat man schon Fischerträge im Wert bis 1000 Mark auf den Hektar in guten Teichen gewonnen, und es ist einleuchtend, daß auch nur geringe Einnahmen andere wasserwirtschaftliche Zwecke unterstützen können, daß namentlich Sammelbecken und Kanäle hierdurch einen wichtigen Nebennutzen liefern könnten. Die Fischzucht wird erheblich gefördert, wenn in die Wasserwirtschaft auch die Bewässerung eingeschaltet wird, da hierdurch eine Reinigung der Gewässer durch Bodenfiltration möglich ist und namentlich die schädlichen Abwässer von Städten und Fabriken nur auf diese Weise in gutem Zustand übergeführt werden können.

Die Ausnutzung der Wasserkraft bildet noch mehr als die vorgenannte Aufgabe eine Ergänzung zu andern wasserwirtschaftlichen Maßnahmen. Das herabfließende Wasser repräsentiert in Deutschland eine Kraft von 20 Millionen PS., die zurzeit kaum zu 1 Prozent ausgenutzt werden, die aber in der Lage wären, sämtliche Dampfmaschinen zu ersetzen, wenn sie vollständig in lebendige Kraft umgesetzt werden könnten. Daß durch einzelne Kanalbauten in dieser Beziehung schon eine große Ausnutzung erfolgen kann, zeigt der Umstand, daß durch den projektierten masurischen Schifffahrtskanal allein 40 000 PS. gewonnen werden. Mit Hilfe der modernen Elektrotechnik ist man in der Lage, diese Kräfte auf weitere Entfernungen hinzuleiten und sie dann gerade für die Landwirtschaft nutzbar zu verwenden. In Europa ist in dieser Beziehung jedenfalls die Schweiz am weitesten vorgeschritten. Nach Lorenz existierten dort Ende 1901 schon 215 Elektrizitätswerke, die durch Wasserkraft gespeist wurden, mit einer Gesamtleistung von 160 000 PS. Wenn man den elektrischen Strom zu einem Preis von 10 Pfennig für das Kilowatt den umliegenden Gewerben und namentlich auch der Landwirtschaft zur Verfügung stellte, so wird damit ein Mittel zur Verbilligung der Produktion, insbesondere zur Bewältigung der Arbeit geboten, wie es voraussichtlich kein besseres in der nächsten Zeit geben wird. Die Wasserbauten würden gleichzeitig damit solche Erträge abwerfen, daß die sonstigen Zwecke hierdurch ungemein erleichtert würden. Gerade in der Landwirtschaft geht man neuerdings mit großem Erfolg dazu über, anstatt durch menschliche oder tierische Arbeitskräfte oder auch durch Dampf oder andere Motoren den Antrieb landwirtschaftlicher Maschinen, insbesondere Dreschmaschinen, Schrotmühlen, Häckselmaschinen, Pumpen, Rübenschneider, Kreissägen usw. durch Elektromotoren auszuführen, und es erscheint nur eine Frage der Zeit, daß für den Feldbau, insbesondere die schweren Arbeiten, Pflügen, Eggen, Walzen ebenfalls elektrisch ausgeführt werden.

Die Wasserversorgung von Wohnorten und Gewerben läßt sich in Verbindung mit größeren wasserwirtschaftlichen Anlagen sehr wohl vereinen. Nachdem bis jetzt Wasserleitungen hauptsächlich nur in Städten durchgeführt und hier zu einer unentbehrlichen Einrichtung geworden sind, sollte man auch in kleineren Orten, selbst auf einzelnen Landgütern, eine bequeme und billige Wasserversorgung in Erwägung ziehen. Es bedeutet dies durchaus keinen Luxus, kann vielmehr durch Ersparung der Arbeiten für sonstige Wasserbeschaffung, ferner durch bessere, gesündere Wasserverabreichung an Menschen und Tiere, zum Betrieb technischer Gewerbe einen großen Vorteil bieten.

Die Entwässerung und Sanierung von Wohnorten und Industrien greift ebenfalls in das Gebiet wasserwirtschaftlicher Aufgaben hinein. Die heute unbedingt als die gesündeste Reinigung der Städte geltende Kanalisation und Wasserspülung läßt sich viel leichter und besser durchführen, wenn damit gleichzeitig andere wasserwirtschaftliche Aufgaben, namentlich die Bewässerung, verbunden ist. Viel zu einseitig hat man bisher die Kanalisation nur aus Gründen der Städtesanierung vorgenommen und ist so zu wirtschaftlich geradezu verschwenderischen Maßnahmen durch Reinigung der Abwässer mit biologischen und chemischen Verfahren gekommen, die nicht nur eine Vernichtung der im Wasser vorhandenen wertvollen Pflanzennährstoffe, als vielmehr auch die Vorhinderung einer Verwendung des Wassers zu Bewässerungszwecken herbeiführen.

Aus vorgenannten Gründen scheint mir gerade in Deutschland die Einführung einer umfangreichen Bewässerungswirtschaft von den Städten ausgehen zu müssen, um deren Abwässer durch Rieselfelder zu verwerten. Für die Städte des Deutschen Reichs über 10 000 Einwohner könnte eine Landfläche von 238 000 Hektar einer Düngung und Bewässerung unterworfen werden, wenn eine rationelle Kanalisation und Rieselfeldanlage überall eingeführt würde. Es würden damit für 71,4 Millionen Mark Dungstoffe zur Ausnutzung kommen, die jetzt zum großen Teil verloren gehen.

Gerade das Beispiel der Berliner Rieselfelder zeigt, wie sehr auch in unserm Klima die Bewässerung von Bedeutung ist, denn ihre Erfolge beruhen mehr noch als auf der starken Düngung auf der Möglichkeit der Anfeuchtung im Sommer.

Ein Versuch auf den Rieselfeldern im Sommer 1904 ergab einen Mehrertrag infolge der Bewässerung für den Hektar:

Hafer206,25 Mk.Gras, 1. Schnitt60,17 Mk.
Weizen275,20 Mk.Hanf117,20 Mk

In unsern deutschen Verhältnissen wird eine vollständige Bewässerungswirtschaft nur selten in landwirtschaftlichen Betrieben in Betracht kommen. Es wird sich meistens nur darum handeln, einen Teil des vorhandenen Areals willkürlich mit Wasser zu versorgen. Mangelnde Sonnenwärme, Bodenkraft und das Vorhandensein einer gewissen Niederschlagsmenge machen es hier unmöglich, das Beispiel anderer Länder in bezug auf künstliche Bewässerung nachzuahmen. Als Hauptbetrieb wird die Bewässerungswirtschaft lediglich für Gärtnerei und Handelsgewächse in Betracht kommen. Diese intensiven Kulturen lohnen einen erhöhten Aufwand für das ganze Areal. Es wird ferner die Bewässerung für den Wiesenbau in Betracht zu ziehen sein. Der Wiesenbau, vor hundert Jahren als der wichtigste Zweig der Landwirtschaft betrachtet, dann eine Zeitlang vernachlässigt, gewinnt heute wieder eine große Bedeutung, weil er einen geringen Aufwand an der immer kostspieliger werdenden Arbeit erfordert und durch neue Hilfsmittel, als Düngung, Einsaat und Bodenbearbeitung, in hohem Grad verbessert werden kann. Tritt eine systematische Bewässerung noch hinzu, so vermag der Wiesenbau die Landwirtschaft in hohem Grad zu erleichtern und rentabler zu gestalten. Wenn nun für diese Kulturart die Bewässerung vorliegt oder neu eingerichtet wird, so kann sehr wohl eine künstliche Wasserzufuhr für einen Teil des Ackerlandes vorgesehen werden. In erster Linie ist hier die Kultur von Rüben, und zwar Futter- wie Zuckerrüben, ungemein dankbar. Aber auch Getreidearten, namentlich Weizen und Hafer, ferner Futterpflanzen und Handelsgewächse lassen sich mit Bewässerung kultivieren.

Hand in Hand mit allen Bewässerungsfragen muß immer die Entwässerung gehen. Durch eine zweckentsprechende Entwässerung werden die Wohnorte gesund und bewohnbar. Es wird auf großen Flächen die Versumpfung verhütet und auch auf gewöhnlichem Kulturland der Nachteil stauender Nässe als mangelnde Oxydation und Durchlüftung des Bodens verhindert. Auch diese Frage muß deshalb bei allen wasserwirtschaftlichen Aufgaben immer streng berücksichtigt werden.

Unsere vorher genannten wasserwirtschaftlichen Aufgaben, namentlich die Konservierung der Bodenfeuchtigkeit, die Ansammlung des überflüssigen Wassers in Stauweihern und Kanälen, die Bewässerung, sind sämtlich in der Lage, die Hochwassergefahr zu reduzieren. Intze berechnet, daß die 102 Dammbrüche, die seit 300 Jahren an der Weichsel und Nogat vorgekommen sind, allein einen Schaden von 300 Millionen Mark verursachten.

Es gilt aber nicht nur, die vorstehenden landwirtschaftlichen und kulturtechnischen Momente in unserer Wasserwirtschaft weiter zu fördern, es müssen auch für weitere Verbesserungen und Durchführungen dieses aussichtsvollen Kulturmoments rechtliche Grundlagen geschaffen werden. In bezug auf das Wasserrecht bestehen große Mängel. Ein Reichsgesetz, errichtet auf der Grundlage, daß die fließende Welle Gemeingut der Nation ist und dem einzelnen nur ein Benutzungsrecht zusteht, das durch besondere gesetzliche Bestimmungen zu regeln ist, würde das Radikalmittel bilden.

Dieser Artikel erschien zuerst 1905 in Die Woche. Der Originalartikel beinhaltete keine Bilder, das hier verwendete Bild ist ein Beispielbild von PublicDomainPictures auf Pixabay.