Die Anlage einer Thalsperre bei Einsiedel zur Wasserversorgung der Stadt Chemnitz

Unsere Mittheilungen in den Jahrgängen 1890 Seite 563 und 1892 Seite 335 d. Bl. Können wir nun dahin ergänzen, dass sowohl die Mauer, welche die Thalsperre bildet, als auch die Filterbassins, der Reinwasser-Behälter, die Sandwäsche und alle weiteren Nebenanlagen vollendet sind.

Wie in jenen früheren Mittheilungen schon angegeben wurde, ist die erwähnte Mauer in einem Seitenthale des Zwönitzflusses bei Einsiedel errichtet und bezweckt, das in diesem Thale abfliessende Wasser zu sammeln. Mittels eines Ueberführungsgrabens wird auch das Wasser aus dem Fischzuchtthale (einem Thale, welches an das erstgenannte Thal unmittelbar angrenzt) in das Sammelbecken geleitet. Der Lageplan, Abbildg. 1, giebt das Nähere hierüber an.

Abbildg. 1 Lageplan

Das gesammelte Wasser wird in den überwölbten Filtern (3 Stück von je 680 qm Filterfläche) gereinigt, dann in den Sammelbehälter (2000 cbm Inhalt) geleitet und fliesst von hier aus durch einen Stollen mit natürlichem Gefälle der Stadt zu. Auf diesem Wege nimmt die Stollenleitung noch Quellwasser aus den durchkreuzten Seitenthälern auf, vereinigt sich mit dem von dem älteren, in der Flur Altchemnitz-Erfenschlag gelegenen Wasserwerk durch eine Pumpenanlage geförderten Wasser und fliesst dann gemeinschaftlich mit letzterem in den Hochbehälter der Stadt.

Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z. B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i. d. R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bei diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Lokalgeschichte.de gibt die Texte (zu denen i. d. R. auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen von Lokalgeschichte.de inhaltlich geteilt werden.

Die Stadt Chemnitz zählt gegenwärtig 150.000 Einwohner und bedarf für ihren Gebrauch durchschnittlich 7000 cbm Wasser, zurzeit des höchsten Wasserverbrauchs dagegen bis 12 000 cbm Wasser auf den Tag.

Die neue durch die Einsiedeler Thalsperre gebildete Sammelanlage soll nun in der Hauptsache die ältere Anlage dahin ergänzen, dass der Mehrbedarf an Wasser in den Sommermonaten gedeckt werden kann.

Durch die Thalsperrenmauer wird ein Sammelbecken von 360 000 cbm Fassungsraum abgeschlossen. Das Wasser kann nach den neuerdings wieder vorgenommenen bakteriologischen und chemischen Untersuchungen als ein in jeder Hinsicht vorzügliches Trinkwasser bezeichnet werden. Das Niederschlagsgebiet beträgt für das Sammelbecken in beiden Thälern zusammen 270 ha mit einer beobachteten Abflussmenge von durchschnittlich jährlich 800 000 cbm. Der grösste Theil dieses Gebietes ist bewaldet und befindet sich im Besitzes des Staates und der Stadt; eine Verunreinigung des abfliessenden Wasses bei starken Niederschlägen durch abgespültes Ackerland ist somit nicht zu befürchten; auch jede andere Verunreinigung erscheint ausgeschlossen.

Die grösste Wassertiefe des Beckens ist 18,75 m; die Wasserfläche beträgt 4 ha.

Abbildg. 2 Querschnitt der Thalsperrenmauer

Die Mauer, im Querschnitt in Abbildg. 2. dargestellt, hat eine obere Länge von 180 m, eine Höhe von 20 m über Erdgleiche und ist an der tiefsten Stelle 8 m unter Bodenfläche gegründet. Sie hat eine Stärke von 20 m im Fundament, 14 m in Erdgleiche und 4 m an der Krone. Sie ist gegen das Wasser in einem Radius von 400 m gekrümmt. Zur Herstellung des im Cyklopenverbande ausgeführten Mauerkörpers wurden Hornblendeschiefer, Quarzitschiefer und Thonschiefer in Verbindung mit Zement – Kalk – Mörtel (1 Theil Zement, ½ Theil Fettkalk und 5 Theile gewaschener Sand) verwendet.

Der Mörtelverbrauch betrug etwa 1/3 des Gesammtmauerinhaltes von 24 200 cbm. Der Thonschiefer wurde an Ort und Stelle gebrochen, während die anderen Mauersteine, Hornblende-und Quarzitschiefer, den 1 Stunde entfernten Dittersdorfer Brüchen entnommen wurden. Gegründet wurde auf festen Thonschieferfelsen. Die Mauer ist mit einer 20 cm starken Betonschicht abgedeckt, welche mit Gussasphalt überzogen ist. Wie aus dem Querschnitt weiter zu ersehen, ist die Wasserseite der Thalsperre, soweit sie im Boden liegt, mit einer 30 cm starken Betonschicht bekleidet, während der obere Theil der Mauer einen 2 ½ bis 3 cm starken Zementverputz trägt, den man ausserdem noch durch doppelten Adiodon-Anstrich möglichst wasserdicht zu machen suchte. Dies ist auch vollständig erreicht.

Jeder Ueberlastung des Beckens durch plötzlich eintretende, besonders starke Regengüsse und hierdurch bedingten höheren Stau ist durch Anlage eines 25 m breiten Ueberfallwehres mit anschliessendem Hochwasserkanal von 8 ½ m Breite und 1 ½ m Tiefe, der imstande ist, 30 cbm Wasser in der Sekunde abzuführen, vorgebeugt. Dieser Abflusskanal hat 1:100 Gefälle; dem stark geneigten Gelände entsprechend sind ausserdem in der Sohle mehre senkrechte, meist 1 m hohe Absätze angeordnet.

Abbildg. ohne Beschriftung

Abgelassen wird das Wasser durch 2 in verschiedenen Höhen liegende, mit Schiebern versehene Oeffnungen b und c des Einsatzschachtes, welcher in der Mitte der Mauer aus Zement-Stampfbeton hergestellt ist, während ein dritter Schieber a als Grundablass dient. Vom Innern des Schachtes aus wird das Wasser geschlossen in 2 Rohrsträngen durch die Mauer nach den Filtern oder dem Grundablasskanal geführt. Die in einem Granitkanal frei in der Mauer liegenden und daher jederzeit zugänglichen Rohrleitungen können gegen den Einlasschicht hin wiederum durch je einen Flachschieber abgeschlossen werden.

Abbildg. 3 Ansicht der Thalsperrenmauer

Abbildg. 3 zeigt die nach einer photographischen Aufnahme hergestellte perspektivische Ansicht der Thalsperrenmauer. Die Architektur derselben, sowie der übrigen zugehörigen Anlagen, der Eingänge zu den Filtern, der Sandwäsche usw. ist in kräftiger Weise gehalten. Sämmtliches Mauerwerk ist als Cyklopenmauerwerk hergestellt, während im übrigen dunkelrothe Ziegel, Granit und Sandstein Verwendung gefunden haben,

Die Mauer wächst als wuchtige Steinmasse zwischen den beiderseitigen Abhängen empor und wird zu beiden Seiten durch kräftige Wartthürme mit Zinnenbekrönung flankirt, während der obere Mauerabschluss durch einen stark hervortretenden, auf Konsolen ruhenden Bogenfries mit Brüstung aus rothen Ziegeln und Gesimsen aus Granit und Sandstein gebildet wird. Die Brüstung ist ferner durch Erkervorbauten unterbrochen. Das grau-grünliche Mauerwerk, welches nur einen kräftigen Granitsockel hat, wird auf diese Weise äusserst günstig belebt und es darf wohl gesagt werden, dass das ganze architektonische Bild den örtlichen Verhältnissen glücklich angepasst erscheint. Auf die architektonische Gestaltung wurde bei dieser Anlage besonderer Werth gelegt, weil der Ort Einsiedel nahe bei der Stadt Chemnitz gelegen ist und infolge dessen eine häufige Besichtigung dieser grossartigen Anlage von Einheimischen und Fremden zu erwarten stand, wie sich dies auch schon jetzt in kaum geahnter Weise gezeigt hat.

Die Anlage, zu welcher im Herbst 1890 der Grundstein gelegt worden ist, wurde in den Jahren 1891 bis 1893 nach den Plänen und unter Leitung der Hrn. Stadtbrth. Hechler und Wasserwerks-Direktor Nau ausgeführt.

Die Herstellung der Mauer und der Nebenanlagen war der Firma B. Liebold & Co. in Holzminden übertragen; die Filter sind von den Herren Windschild & Langelott in Cossebande-Dresden in Zement-Stampfbeton ausgeführt worden, während die Herstellung des Reinwasserbehälters ebenfalls in Zement-Stampfbeton die Zementwaarenfabrik Dyckerhoff & Widmann in Biebrich a. Rh. übernommen hatte. Sämmtlicher Zement zur Thalsperrenmauer wurde von der Portland-Zement-Fabrik „Stern“ in Stettin geliefert.

Der Kostenaufwand für die Gesammt-Anlage einschliesslich aller Nebenanlagen beläuft sich auf etwa 1 250 000 M.

Wir müssen noch weiter beifügen, dass im vorigen Jahre, während die Bauarbeiten im vollen Gange waren Se. Majestät König Albert von Sachsen das Bauwerk besichtigte und sich in der eingehendsten Weise über die Ausführung selbst unterrichtete, sowie dass auch Se, Exzellenz Herr Staatsminister von Metzsch und andere höhere Beamte wiederholt Gelegenheit nahmen, die hochinteressanten Arbeiten in Augenschein zu nehmen.

Die Einweihung und Inbetriebnahme der Anlage hat am 14. Juni d. J. stattgefunden.

Die Uebereinstimmung der Abbildungen und des Textes mit der in No, 27 des C.-Bl. d. B.-V. vom 7. Juli gebrachten Mittheilung erklärt sich daraus, dass Hr. Stadtbrth. Hechler dieselben, ohne dass wir davon wussten, gleichzeitig auch an jenes Blatt gesandt hatte. Bei der sachlichen Bedeutung des dargestellten Werkes glauben wir aus dem Umstande, dass der Aufsatz im C.-Bl. etwas früher erschienen ist, einen Anlass zur Unterdrückung desselben in unserer Zeitung nicht nehmen zu sollen. D. Red.

Dieser Artikel erschien zuerst 1894 in der Deutsche Bauzeitung.