Hut- und Pelzmoden

Ist es die Furcht vor dem harten Winter, den alle Wettermacher prophezeien, oder die Laune interessierter Kreise – es sind in diesem Jahr nicht nur die kostspieligen Pelzsorten, die sich der allgemeinen Beachtung erfreuen.

Es will scheinen, als sollten die kostbarsten Arten nicht ausreichen für den Massenbedarf. Den wertvollsten Fellarten, wie dem Blaufuchs, indischen Zobel, Seal und dem auf so grausame Art gewonnenen Karakül, sind Rivalen in bisher als minderwertig betrachteten Fellen erwachsen, vielleicht in erster Reihe aus wirtschaftlichen Gründen. Es bedarf nach Aussage der Sachverständigen vieler Jahre Schonzeit, um wieder größere Mengen guten Pelzwerks für den Welthandel zu gewinnen. Die Geldgier hat die Pelzjäger unter dem Tierbestand so wüten lassen, daß ganze Tiergattungen zu verschwinden drohen.

1. Hut á la Westminster
2. Toque aus Nerz
3. Moderner Dinerhut

Deshalb greift man jetzt gern zu dem Rauchwerk, das man noch vorigen Winter von der eleganten Toilette ausschloß, so z. B. dem Pelzkleidchen des grauen sibirischen Eichhörnchens, allgemein als Feh bekannt. Fehrücken ist natürlich das Beste an dem kleinen Tierchen, die ins Weiße fallende Wamme wird aber jetzt selbst zu sehr wertvollen Abendmänteln als Futter verwendet. Daneben erfreut sich Skunks großer Beliebtheit, dessen dunkelwarmer Ton und das seidige Haar – man hat jetzt die Kunst ergründet, diesem Pelzwerk das Struppige dauernd abzugewöhnen – Blondinen wie Brünetten, namentlich großen, schlanken Gestalten, besonders vorteilhaft zu Gesicht steht. Neu ist das Bestreben, ganz dunkles Pelzwerk mit sehr hellen oder weißen Stoffen – für Empfangs- oder Gesellschaftstoiletten – zusammenzustellen und umgekehrt schwarze Sammetroben eleganten Stils, etwa für ältere Damen, mit hellem Pelzbesatz, Hermelin oder sogenannten Llanoschinchilla (eine sehr hellgraue Spielart des peruanischen Chinchilla), zu verbrämen. Das Ineinandergreifen von Spitze und Pelzwerk gehört schon etwas in das Reich des Gestrigen, dagegen liebt man das unschöne und recht unkünstlerische Behängen breiterer Pelzteile mit schweren, meistens glitzernden Passementerien. Sich von solchen Ueberhitzungen der Mode freizuhalten, gehört zu den Pflichten des guten Geschmacks.

Die englische Mode, außer zu den großen Abendempfängen bei Hof zu jeder Gesellschaftstoilette den Hut zu tragen, hat in Frankreich und dann auch bei uns in Deutschland viel Anklang gefunden, und es läßt sich nicht leugnen, daß das Gesamtbild etwas Malerisches durch die vielfach phantastischen Formen, Farben und wallenden Federn erhält. Ob wir uns aber damit befreunden, auch bei Diners im engeren Kreis so zu erscheinen, bleibt vorläufig noch unentschieden. Einen solchen Dinerhut sehen wir auf Abbildung 3. Die Grundform aus weißem Filz, mit schwarzem Sammetrand und ebensolchem Bügel, mit schwarzen, kurzen Straußenfedern, Tüllrosetten und Lafrancerosen sehr geschmackvoll ausgestattet, hebt das Duftige des weißen Spitzenkleides in der That sehr glücklich heraus. Der viereckige, flache Ausschnitt ist, wie das Jabot, aus glattem Kreppchiffon und die Glockenärmel mit enggekräuselten Rüschen eingefaßt; ein metallschimmerndes Band bildet den spitzen Gürtel und den Bund am Bandgelenk, von dem eine Spitze tief über den Bandrücken herabfällt.

Runde, tief in die Stirn gesetzte Toques, als Gegensatz zu den sehr umfangreichen Krempenhüten, werden mit Pelzrändern in diesem Winter besonders viel getragen werden. Abbildung 2 veranschaulicht eine Toque aus Nerz. Den Kopf deckt ein braunes Seidenarrangement, in das sich ein Bouquet gelber Marschallnielrosen einschmiegt.

Der Hut aus mattgrauem Felbel (Abb. 4) eignet sich am besten für Promenaden zu Fuß oder zu Wagen, weniger für den Straßenverkehr. Die kühn geschwungene Form mit tressenbesetztem, hohem Kopf, den eine „Kokarde“, hier eine perlenumkränzte Gemme, schmückt, steht zweifellos unter dem Eindruck der Burenbegeisterung. Pariser Modisten haben den südafrikanischen Schlapphut freilich stark zivilisiert, vor allem durch die seitliche Bandrosette und das Blättergewinde, das sich um die Seidenstoffschärpe schlingt und auch, noch auf den Enden, die den Haarknoten bedecken, sichtbar wird.

Die ein wenig altfränkische und deshalb hypermoderne Fasson (Abb. I) ist ursprünglich eine Erfindung der Herzogin von Westminster, die unbekümmert um das, was in der Regentstreet ausgetüftelt wird, ihrem persönlichen Geschmack folgt. Der Hut hat den Vorzug, vollständig außerhalb des Bannkreises irgendeines Modejournals zu stehen und gewissermaßen auf Ueberlieferung zu beruhen. Der über den Augen und im Nacken herabgedrückte, sehr breite und geschweifte Rand ist innen wie außen faltig mit Musseline de Soie überzogen, der Kopf buckelt sich wie eine Kindermütze. Nach dem Stil von 1820 umgiebt ihn ein vorn geknotetes Band, das hinten zu einer Schleife mit halblangen Enden geknüpft ist.

4. Promenadenhut aus mattgrauem Felbel
5. Gesellschaftskostüm aus meerschaumweissem Velvet mit Pelzbesatz
6. Torerobarett mit Reiherstutz

Wie wir auf Abb. 5 sehn, erfüllt der Skunks seine Bestimmung, auch im lichtstrahlenden Salon vornehm zu wirken, auf das Allerbeste. Das prächtige Kostüm aus meerschaumweißen Velveten trägt reichen Pelzbesatz. Das nach Art der englischen „Pinafores“ geschnittene Ueberkleid – ein loses Latzteil auf der Taille, das sich vorn und im Rücken in schürzenartigen Bahnen fortsetzt – erhält vom Gürtel an Einfassungen von schmalen Pelzstreifen, während ein sehr viel breiterer Streifen den unteren Abschluß bildet, entsprechend dem rundgeschnittenen Besatz, der den Saum ringsherum umgiebt. Mit Ausnahme des Pinafore ist der auch um die Hüften sehr faltenreiche Rock mit braungrauer, golddurchzogener Filet antique inkrustiert und mit einer braundurchfädeten Goldborte, die wir an der Taille deutlich sehn, in Längs- und Zackenlinien verziert. Halsstück und Manschette in den leuchtenden Farben rumänischer Stickerei geben dem eleganten Anzug etwas Farbe. Mit dem Pelzbesatz harmoniert der bis zur Erde herabfallende Pelzkragen, eigentlich besser gesagt, Pelzshawl und die riesenhafte Muffe, in dieser Beutelform und Größe augenblicklich ein Toilettenrequisit der Pariserin, das ihr so unentbehrlich zu sein scheint, wie sonst der Fächer. Sieht man doch die echte Modedame in den Theaterlogen und bei kurzen Visiten kaum noch ohne einen solchen Pelzsack. Das spanische Barett verleiht dem ganzen Anzug, der für Bazarbesuche, den Konzertsaal oder ähnliche Toilettenrennen bestimmt ist, ein eigenartiges Gepräge.

Abbildung 6 zeigt das Torerobarett mit dem vollen Reiherstutz, der an den Hauptschmuck unserer Husarenregimenter erinnert, noch einmal, losgelöst von der ganzen Garnitur; das Barett bleibt auch zu jedem Jacken- oder Pelerinenkostüm kleidsam, besonders für junge, frische Gesichter.

Die Art, das Pelzwerk zu Mänteln, Jacken und Kragen zu verarbeiten, unterscheidet sich in diesem Jahr sehr wesentlich von dem bisher Modernen. Die Zusammenwirkung zweier, in Farbe und „Textur“ grundverschiedener Arten zu einem Effekt gilt als überwunden. Man mustert nicht mehr ein Nerzvetement mit Karakülbogen und Ansätzen, man zeichnet nicht mehr in eine Hermelinstola allerlei Schnörkel von Seal oder behängt Chinchillakragen mit Zobelschwänzen. Dagegen nimmt man als Futter eleganter oder praktischer Pelzhüllen immer ein abstechendes Pelzfutter, z. B. außen Skunks, innen Hermelin, außen Seal, innen Streifenfeh, außen Blaufuchs, innen Breitschwanz u. s. w. Die mehr und mehr hervortretenden langen und namentlich weiten, sackartigen Formen der Straßen und Abendmäntel zwingen auch zu möglichster Einfachheit. Man stelle sich einen nach Herrenart – nur sehr viel faltiger – geschnittenen Troisquart mit Streifen oder irgendwelchen Ornamentfiguren am unteren Rand oder auf den Rücken und Vorderteilen vor! Das hieße, schöne Gestalten zu Karikaturen machen. Um aber das ganz Glatte und dadurch das für unsere heutigen Begriffe Eintönige dieser Pelzumhänge zu mildern, werden die einzelnen Felle sozusagen terrassenartig aneinandergesetzt, so daß scheinbar ein rund herumlaufender Streifen etwas über dem andern liegt. Es entstehn so Unterbrechungen der Fläche, die nicht übel ausschauen.

Zum Schluß sei noch mit besonderer Freude bemerkt, daß die Schlangenboa selig entschlafen ist.

Wenn größere Pelzshawls zu warm sind, greift man zu Spitzengarnituren, weißen, butterfarbenen oder schwarzen, die allen Köpfen, blonden und brünetten, einen ebenso kleidsamen wie geschmackvollen Abschluß geben und zu Pelzmänteln und Hüten ihren Ruf der Eleganz und Vornehmheit vortrefflich bewahrheiten.

Dieser Artikel erschien zuerst am 15.11.1902 in Die Woche, er war gekennzeichnet mit „E. D.“