Neubau einer Kleinkinder-Bewahranstalt zu Erfurt

Neubau einer Kleinkinder-Bewahranstalt zu Erfurt

Die Erweiterung der Stadt Erfurt liess das Bedürfniss erkennen, zur Unterbringung von kleinen Kindern während der Tageszeit eine weitere Anstalt zu errichten. Die Privatwohlthätigkeit hat bisher drei derartige Anstalten unterhalten. Aber ihre zumtheil grossen Entfernungen von den Arbeiterquartieren liessen es erwünscht erscheinen, durch Errichtung einer Kleinkinder-Bewahranstalt in unmittelbarer Nähe der von Arbeitern bewohnten Stadtlage dem Bedürfnisse Rechnung zu tragen, den Eltern und Müttern in bequemerer Weise Gelegenheit zu geben, ihre kleinen Kinder des Morgen mit nicht zu grossem Aufwande an Zeit in die Kleinkinder-Bewahranstalt zu bringen und sie am Nachmittage und Abend von dort wieder abzuholen.

Eine zu diesem Zwecke gebildete Kommission regte es an, in nördlicher Lage der Stadt, in unmittelbarer Nachbarschaft des sich unmittelbar an die Stadt Erfurt anschliessenden und gleichfalls von Arbeitern stark bevölkerten Nachbarortes Ilversgehofen, ein Grundstück von der Stadtverwaltung zu erbitten. Im Johannesfelde, neben einer vor einigen Jahren neuerbauten Volksschule an der Yorkstrasse, der Johannesschule, wurde seitens der Stadt ein Grundstück von rd. 2800 qm zur Verfügung gestellt, welches gross genug ist, das Gebäude der Anstalt unterzubringen und neben demselben einen genügend grossen Garten zur Bewegung der Kinder im Freien zu belassen.

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Das Bauprogramm setzte folgenden Bedarf an Räumen fest:
2 Schulzimmer für zusammen 150 Kinder, eine geräumige Garderobe, ein Schlafzimmer mit Kästen für, rd. 1/3 der Kinder, eine Theeküche zum Wärmen von Speisen und Milch, die erforderlichen Abortanlagen, Wohnzımmer für 3 Schwestern, Küche und Speisekammer, Waschküche, Plättzimmer, Wäscheboden, ein Sprechzimmer neben dem Eingange. Im Laufe der Zeit wurde das Programm noch dahin erweitert, dass in der Anstalt, welcher Schwestern des Hallenser Diakonissenhauses vorstehen, mehre Zimmer zur Unterbringung von Schwestern desselben Hauses vorgesehen werden sollten, welche die Krankenpflege in den verschiedenen Kirchgemeinden der Stadt besorgen, bisher aber zumtheil in gemietheten Räumen untergebracht worden sind.

Die Zahl von 130 Kindern ist eine reichliche und nur durch die örtliche Lage der neuen Anstalt gerechtfertigt, da die Anstalt aus der unmittelbaren Umgebung einen lebhaften Zuspruch haben wird. In Halle a. S. Bestehen 6 in Kassel 5, in Gotha 2 stark besuchte Kleinkinder-Bewahranstalten. In Stolp (24 000 Einwohner) bestanden 1895 3 solcher Anstalten, von zusammen 356 Kindern: besucht, in Bochum 54 000 Einwohner) 5 mit 530 Kindern, in Barmen (187 000 Einwohner) 21 Kleinkinderschulen mit 2800 Kindern. In Erfurt (z. Z. Mit 82 000 Einwohnern) ist die jetzt vorhandene Zahl von 326 bewahrten Kindern verältnissmässig sehr gering und es wird deshalb der Zuwachs von 150 Plätzen voraussichtlich durch das vorhandene und bis jetzt nicht befriedigte Bedürfniss sehr bald aufgebraucht sein.

Da die Zahl der wartenden Schwestern eine geringe ist, so erschien es zweckmässig, den Betrieb möglichst dadurch zu erleichtern, dass die sämmtlichen, für die Pflege und Wartung der Kinder erforderlichen Räume ins Erdgeschoss verlegt wurden; ebenso die Speiseküche, da eine der Schwestern deren Besorgung zu übernehmen haben wird. Die Wohnräume der Schwestern sind in die Obergeschosse des vorderen Querbaues verlegt worden. Wasch- und Plättzimmer sind im Kellergeschoss angeordnet worden. Nur der Querbau ist unterkellert.

Neubau einer Kleinkinder-Bewahranstalt zu Erfurt
Neubau einer Kleinkinder-Bewahranstalt zu Erfurt

Die Anordnung des Hauptgrundrisses ist aus der nebenstehenden Zeichnung zu ersehen. Durch den Haupteingang, welcher neben einigen Stufen eine Rampe zum Auffahren der Kinderwagen enthält, gelangt man in den Vorraum, an den die Garderobe sich anschliesst. Von dieser sind die beiden Schulzimmer, der Schlafraum und die Aborte, Theeküche usw. durch einen mit Oberlicht erleuchteten Gang zu erreichen. Eine offene Veranda, sowie der Vorraum nebst grösserer Veranda dienen zur Bewegung der Kinder während der Zwischenstunden und bei regnerischer oder heisser Witterung. Die Himmelsrichtungen sind angegeben. Der Querbau ist mit steilem Schieferdach, der Langbau mit den Schulzimmern ist eingeschossig mit Holzzementbedachung ausgeführt. Zur Erleichterung des Betriebes ist eine Niederdruck-Dampfheizung angelegt.

Einschliesslich der Kosten der Einrichtung sind die Baukosten auf 63 800 M. ermittelt. Sie werden durch Sammlungen der Kommission und durch eine Stiftung gedeckt werden. Der Bau ist im Rohbau vollendet und wird im Laufe des kommenden Sommers zur Benutzung fertig gestellt sein. –

Dieser Artikel erschien zuerst am 23.12.1899 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „Kortüm“.