Monumental-Brunnen in Erfurt

Architekt; Heinrich Stöckhardt; Bildhauer: Heinz Hoffmeister in Berlin. Am 6. September d. J. ist zu Erfurt unter entsprechenden Feierlichkeiten der in den beigefügten Abbildungen dargestellte Monumental-Brunnen enthüllt und der Benutzung übergeben worden.

Die alte Hauptstadt Thüringens, die nach Auflassung ihrer Festungswerke einer viel versprechenden Entwickelung und voraussichtlich einer neuen Blüthe entgegen geht, hat damit zu dem Schatze ihrer mittelalterliehen Denkmale wiederum eine künstlerische Schöpfung unserer Zeit gewonnen, zu deren Besitz man ihr nur aufrichtig Glück wünschen kann.

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Der Gedanke zur Errichtung dieses Brunnens, welcher vor etwa einem Jahrzehnt gefasst wurde, ist ausgegangen von dem Vorstande des Erfurter Verschönerungs-Vereins und steht in Beziehung zu der Vollendung des städtischen Wasserwerks. Es sollte diesem segensreichen Unternehmen damit gleichsam ein Denkmal gesetzt werden. Nachdem man ursprünglich nur eine bescheidene Anlage geplant hatte, ging man gern auf die Aussicht ein, dieselbe in stattlicher künstlerischer Form auszugestalten, welche der Stadt durch die Zusage eines Staats-Zuschusses aus dem der Verwaltung des kgl. Kultusministerium unterstehenden, sogen. „Kunstfonds“ sich eröffnete. So wurde i. J. 1886 ein beschränkter Wettbewerb zur Gewinnung eines geeigneten Entwurfs eingeleitet, zu der 8 Arbeiten (theils im Modell, theils in Zeichnung) eingingen. Die über die Verwendung jenes Fonds berathende Kommission entschied sich für den Entwurf des Architekten Heinrich Stöckhardt in Berlin, der, in Gemeinschaft mit dem Bildhauer Heinz Hoffmeister, auch bei der wiederholten Preisbewerbung um den (später nach einem Gnauth’schen Entwurfe ausgeführten) Brunnen auf dem Augustus-Platze in Leipzig siegreich gewesen war. Unter der Bedingung, dass der Entwurf unter der Oberleitung des Urhebers, mit Zuziehung des Bildhauers Hoffmeister in Berlin und des Erzgiessers Howaldt in Braunschweig zur Ausführung gebracht werde, bewilligte das Staatsministerium einen Beitrag von 10 000 M., d. i. ein Drittheil der auf 30 000 M. veranschlagten Herstellungs-Kosten. 11 000 M. hatte der Verschönerungs-Verein aufgebracht; den Rest übernahm, im bereitwilligen Eingehen auf jene Bedingungen, die Stadtgemeinde Erfurt, welche durch ihre technischen Kräfte überdies die Herstellung der Fundamente, die Wasser-Zu- und Abfluss-Anlage und die das Denkmal umgebenden Garten-Anlagen hat ausführen lassen.

Monumentalbrunnen in Erfurt – Lageplan

Als Standort für den Brunnen war der südwestliche, platzartig erweiterte Endpunkt des vornehmsten Strassenzuges der Stadt, des sogen. „Anger“ ausersehen worden. Die von allen Seiten frei stehende Anlage hat hier nicht nur einen für ihre Erscheinung sehr günstigen Hintergrund, sondern kommt bei der verhältnissmässigen Nähe der seitlichen Gebäude auch ihrer Grösse nach gut zur Geltung, ohne dass der Maassstab des Aufbaues übertrieben zu werden brauchte. Andererseits bedingte diese Stelle, wie ein Blick auf den beigefügten kleinen Lageplan zeigt, eine Anordnung des Brunnen-Denkmals, bei welcher das letztere im Grundriss etwas in die Länge gezogen und unter vorzugsweiser Betonung einer Schauseite entwickelt werden musste.

Monumentalbrunnen in Erfurt – Querschnitt

Da sowohl der Aufriss wie der Durchschnitt der Anlage mitgetheilt sind, so kann die Beschreibung derselben in knappen Zügen gehalten werden. Den hoch ragenden Mittelpunkt des Ganzen bildet ein Obelisk auf barockem Fussgestell, zu dessen Seiten 2 auf die beiden Haupt-Erwerbszweige des heutigen Erfurt, die Industrie und den Gartenbau bezügliche allegorische Figuren lagern. Es steht dieser Mittelbau frei innerhalb eines rechteckigen, auf den 3 Nebenseiten durch kleine, auf der Hauptseite durch einen grossen flachbogigen Vorsprung erweiterten Brunnen-Beckens, in das zwei, aus den Seitentheilen empor steigende Strahlen, sowie ein an der Hinterseite angebrachter, aus einem Delphin entspringender, zur Wasserentnahme bestimmer Lauffbrunnen sich unmittelbar entgiessen. Das Schaustück der eigentlichen Wasserkünste entfaltet sich dagegen auf der Vorderseite des Mittelbaus. Hier entströmt dem Fusse des Obelisken aus einer maske zunächst eine reichliche Wassermasse, mit welcher 2 Platten zu spielen scheinen. Sie fällt in eine Muschel und läuft aus dieser über in einen Delphin, der seinerseits aus Maul und Nüstern gleichfalls Wasser hervor sprudelt. Das gesammte Wasser, zu dem noch 2 aus den Urnen der grossen Seitenfiguren gespendete Strahlen treten, vereinigt sich in einer grossen unteren Halbkreis-Schale, aus der es schliesslich in das unterste Becken überläuft.

Der als Monolith von 5,25 m Höhe hergestellte Obelisk und die 3,40 m breite Ueberlaufschale bestehen aus politurreif geschliffenem rothem schwedischem Granit; die ganze übrige Architektur ist von Seeberger Sandstein (Grundstein) ausgeführt. Aus Bronze gegossen sind die obere Ausguss-Maske sowie die beiden spielenden Putten und eine unterhalb des Ausgusses auf der Rückseite angeordnete Inschrifttafel, welche Beginn und Vollendung des Werks, sowie die Namen des Architekten und Bildhauers angiebt. In Kupfer getrieben (mit innerem Gerüst aus verkupferten Eisenstäben) sind die Muschel, die beiden Hauptfiguren, der Delphin des Laufbrunnens auf der Rückseite und das über dem letzteren befindliche Erfurter Wappen. Letztere beiden kleineren Arbeiten hat F. Peters in Berlin gefertigt; die Inschrifttafel ist von Koch & Bein in Berlin geliefert; alle übrigen Metallarbeiten sind dagegen aus der Werkstatt von H. Howaldt in Braunschweig hervor gegangen, während die Steinmetz-Arbeiten durch die Firma Florenz Moeller in Erfurt bewirkt wurden. Die (in der Hälfte der wirklichen Grösse bewirkte) Modellirung sämmtlicher, nach ihrer allgemeinen Anordnung von dem Architekten entworfenen Figuren ist das Werk des Bildhauers Heinz Hoffmeister in Berlin.

Monumentalbrunnen in Erfurt

Ueber den technischen Theil der Ausführung. giebt der Durchschnitt genügende Auskunft; nur dürfte noch zu bemerken sein, dass die Steine der unteren Beckenwandung behufs besserer Dichtigkeit mit einander durch Verzinkung verbunden sind. Die Gesammthöhe des Denkmals beträgt 12,00 m, der grösste Durchmesser des unteren Beckens 10,50 m.

Die Erscheinung der Anlage ist eine sehr gewinnende, Wenn ihr voller Reiz natürlich nur entfaltet wird, sobald die, zufolge geschickter Anordnung, bei verhältnissmässig sparsamem Verbrauch doch ungemein reich wirkende gesammte Wasserfülle sich ergiesst, so kommen die Schönheit des Umrissbildes wie die sinnige und liebevolle Gestaltung der Einzelheiten auch immerhin selbst dann zur Geltung, falls – wie gewöhnlich – nur der Laufbrunnen der Rückseite in Thätigkeit gesetzt ist. Beiläufig gesagt, bildet es einen bemerkenswerthen Vorzug des Werks, dass auch diese (bei so vielen Denkmälern stark vernachlässigte) Rückseite ein äusserst anziehendes Bild gewährt. Einen nicht geringen Antheil an der Schönheit des Ganzen hat ferner noch die durch Zusammenstellung verschiedener Stoffe erzielte, farbige Wirkung; letztere wird im Verlaufe der Zeit – sobald erst die Sandsteintheile einen dunkleren Ton annehmen, bezw. mit Moos sich überziehen, die Metalltheile aber Edelrost ansetzen – nur noch gewinnen.

Alles in allem ist es eine überaus erfreuliche Schöpfung, die wir hier vor uns sehen – erfreulich nicht nur durch ihren künstlerischen Werth an sich, sondern namentlich auch dann, wenn wir sie mit dem vergleichen, was auf verwandtem Gebiet in Deutschland noch vor einem Menschenalter durchschnittlich geleistet wurde und wenn wir bedenken, mit wie verhältnissmässig kleinen Mitteln dieser Erfolg erzielt worden ist. An dem letzteren haben neben dem Architekten, welchem das Hauptverdienst gebührt, selbstverständlich auch Bildhauer und Erzgiesser, denen die Verkörperung seiner Gedanken zufiel, ihren nicht zu unterschätzenden Antheil.

Dieser Artikel erschien zuerst 1890 in der Deutschen Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „-F.-„