1904, von Peter Jessen. Wer mit offenen Augen für die lebende Baukunst heute Kopenhagen besucht, wird sich reich belohnt finden. Seit der Aufhebung der alten Festungswälle, seit der Anlage des mächtigen Freihafens und seit der sehr energischen Entwicklung des Gemeinwesens sind dort große Aufgaben verschiedenster Art gestellt worden. Eine Reihe frischer Persönlichkeiten arbeitet mit größtem Ernst dahin, die dänische Architektur in einheitlichem Sinne zu fördern. Das ist in Deutschland noch zu wenig bekannt.
Wohl wissen wir, daß im Kunstgewerbe die Dänen heute ihre eigenen siegreichen Wege gehen.
Die beiden Porzellan-Manufakturen haben unter ihrer sicheren künstlerischen Leitung sich seit fünfzehn Jahren Weltruf und den Weltmarkt erobert. Wer sich in der lehrreichen dänischen Abteilung der Pariser Weltausstellung oder in unseren Kunstsalons und Zeitschriften umgesehen hat, der kennt auch die kräftigen dekorativen Plastiken und Malereien, die kernigen Silberarbeiten, die Versuche in Zinn, manche vorzügliche Möbel und namentlich die musterhaft organisierte Buchkunst. Darin schlagen die Künstler zum Teil eine starke, männliche Note an, die uns als entschieden nordisch anmutet.
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Schon 1900 in Paris konnte man sich in der bescheidenen, versteckt gelegenen Gruppe dänischer Architektur überzeugen, dass neben diesem Kunstgewerbe, oft mit ihm Hand in Hand, eine gleich frische Architektur erblühte. Die kleine Ausstellung hatte Martin Nyrop, der Schöpfer des neuen Rathauses von Kopenhagen, zusammengestellt. Es war schon damals klar: diese neue Baukunst ist modern in dem Sinne, daß sie sich auf die alte Kunst der eigenen Heimat stützt, nicht auf die Einzelheiten, auf das Beiwerk der Ornamente, auch nicht auf die sogenannte Monumentalkunst der Fürstenpaläste, sondern auf das, was sich auf dänischem Boden an dänischen Aufgaben zu nationaler Eigenart niedergeschlagen hat. Auf diese heimischen Grundlagen der heutigen Architektur müssen wir zuvörderst einen schnellen Blick werfen Aus der Epoche, die wir im besonderen als nordisch anzusehen pflegen, dem frühesten Mittelalter, gibt es in Dänemark keine Bauten mehr. Dafür weiß jeder Besucher Kopenhagens, daß die Handwerkskunst der ältesten Zeiten, wie sie im Nationalmuseum, im Prinzen-Palais, vereinigt ist, der stärkste Eindruck ist, den man in der nordischen Hauptstadt gewinnt. Diese Funde aus den Gräbern und Mooren von Jütland und den dänischen Inseln haben in der Welt der sogen. Prähistorie nicht ihres Gleichen an handwerklicher Sorgfalt und an Kraft und Größe des Stils: die spiegelblanken Steinwaffen von uralter Technik, in ihren Formen schon durch eine jüngere, reifere Kunst veredelt, die Schilde und Schwerter und mächtigen, seltsamen Blashörner der Bronzezeit, eine Fülle eigentümlicher Stücke aus den Epochen, da schon das Eisen bekannt geworden war, darunter die Holzgeräte und Schiffe, die das feuchte Moor durch die langen Jahrhunderte hin konserviert hat – lauter Reste von Kulturen voll gediegener Kraft und schlichter Größe, die der heutige Nordländer mit Stolz seinen Ahnen zuzählt. Es weht ein Hauch dieser rassigen Kultur auch durch die späteren Epochen der dänischen Kunst.
Namentlich hat die Baukunst im früheren christlichen Mittelalter noch unter diesem Geiste gestanden In Kopenhagen selbst ist davon nichts erhalten; denn dieses ist eine ziemlich junge Stadt und überdies durch viele Brände verheert worden. Aber ganz Jütland und die Inseln sind dicht besäet mit kleinen, einfachen Landkirchen aus romanischer und gotischer Zeit. Viele aus Granit, rohen oder behauenen Findlingssteinen, eine große Gruppe aus rheinischem Tuff, den man aus dem Brohltale einführte, andere aus heimischem, weichem Kreidestein, spätere aus Ziegeln.
Die Formen abgeleitet von den nicht besonders zahlreichen – Domen der größeren Städte und Bischofssitze (Ribe, Viborg, Aarhus, Roeskilde u. a.), ins Allereinfachste übersetzt; ein kurzes Schiff, ein schmaler Chor mit Nische, ein Glockenturm von verschiedener Gestalt, oft an der Seite eine Eingangshalle; das alles mit dem bescheidensten Ornament, oft ohne alle Zierraten nur als Gruppe, als Masse, als Körper wirksam, aber in dieser Einfachheit höchst wechselreich und für heutige einfache Aufgaben ungemein anregend. Darunter auch ganz abweichende Typen, wie namentlich jene seltsamen Rundkirchen auf Bornholm, die bei uns durch Fr. Laske’s Untersuchungen bekannt geworden sind. [Fr. Laske, Die vier Rundkirchen auf Bornholm und ihr mittelalterlicher Bilderschmuck. Berlin, Wilhelm Ernst Sohn, 1902.]
An den stattlichen Publikationen über alle jene Kirchen haben sich führende Kräfte auch der jüngeren dänischen Baukunst beteiligt. Das Mittelalter steht den heutigen Künstlern in dieser kernigen heimischen Art vor Augen.
Auch die Renaissance hat im dänischen Lande eigentümliche Gestalt gewonnen. Als gegen Ende des 16. Jahrhunderts König Friedrich I. und König Christian IV. ihre imposanten, herrlichen Schlösser schufen (Kronborg, Frederiksborg, Rosenborg, bekannt durch das Werk von Neckelmann und Meldahl [Denkmäler der Renaissance in Dänemark. Berlin, Ernst Wasmuth, 1888] mussten sie die Architekten und Kunstformen meist aus den Niederlanden holen. Nach ihrem Beispiel aber sind durch das Land hin viele einfachere Königssitze und Adelsschlösser gebaut worden, nach mittelalterlicher Tradition schlicht und wehrhaft, gewaltige Baumassen unter hohen Dächern, mit breiten Giebeln und kräftigen Türmen, die großen Backsteinflächen nur spärlich durch Hausteine unterbrochen, der plastische Schmuck meist auf ein Portal oder einen Giebel konzentriert, Muster großzügiger, sachlicher Bauart. Diese Adelshöfe (Herregaard) werden besonders in jüngster Zeit von den heute tätigen Architekten eifrig studiert; man sah eine Auswahl derselben auf der Pariser Weltausstellung mitten unter den neuesten Bauten; sie gelten als vorzügliche Schule für den heutigen Profanbau.
Die dänischen Landbaumeister haben diese gesunde handwerkliche Gesinnung aus der Zeit der Renaissance auch in das Barock gerettet. Die schönen Schlösser und Paläste in Kopenhagen (Christiansborg, heute in Ruinen, Amalienborg, verschiedene Adelspalais u. a. m.) mit ihrem feinen Sandsteinschmuck dienten nur als ferne Anregung. Statt der wehrhaften Burg will man jetzt auch auf dem Lande die offene französische Anlage mit Flügeln, Mittelrisalit, Freitreppe und Kuppel; der alte Rohbau weicht dem Putz. Aber es bleibt der Zug zum Schlichten und Klaren; nicht die Einzelheiten, die Säulen oder Ornamente beherrschen den Eindruck, sondern die Verteilung der Massen, die wohltuenden Verhältnisse, die Raumkunst. Gegen das Ende des 18. Jahrhunderts, unter der Herrschaft des Zopfstiles und des reineren Klassizismus, haben auch die Kunst des Innenraumes und das Möbel eigentümliche, ansprechende Formen gewonnen; an die saubere Furnier und Einlegearbeit und die verständige Zwecksicherheit dieser Handwerkskunst knüpft man heute mit gutem Gewinn wieder an. Selbst für die Grösse der lange unterschätzten Bauten des späteren Klassizismus, wie sie in Kopenhagen die Werke von Harsdorff, C. F. Hansen (Frauenkirche und altes Rathaus), des älteren Bindesböll (Thorwaldsen-Museum) zeigen, öffnen sich die Augen des heutigen Geschlechtes. Die zwei trefflichen Zeitschriften, die neuerdings über alle diese Fragen unterrichten, „Kunst“ und „Architekten“ (Mitteilungen des Akademischen Architekten – Vereins) [Beide in der Bibliothek des Kgl. Kunstgewerbe- Museums in Berlin, die auch eine Sammlung von Photographien alter und neuer dänischer Bauten besitzt.], pflegen alle diese ältere Kunst ebenso pietätvoll, wie sie die Arbeit der Lebenden würdigen, veranschaulichen und fördern.
So leiten die alten Vorbilder die heutigen Meister in mancherlei Richtung. Und doch geht aus allen diesen Anregungen verschiedener Zeiten eine im grunde einheitliche, durchaus neuzeitige Art hervor.
Denn vor aller Form, vor allen sogenannten Stilfragen herrscht bei den besten Kräften von heute das Praktische, das Sachliche, das Zweckbewusstsein im Sinne der heutigen Engländer. Wir wünschten dies an den einzelnen Werken der führenden Künstler anschaulich zu machen.
Die „Deutsche Bauzeitung‘ beabsichtigt, später die hervorragenderen Bauten dieser Bewegung in eingehender Beschreibung vorzuführen. Heute seien zur Einführung nur einige Beispiele herausgehoben, um die Ziele und die Wege der ganzen Bewegung zu kennzeichnen.
Die dänischen Architekten werden es für recht und billig halten, wenn wir unter den Werken und unter den Meistern von heute das neue Rathaus von Kopenhagen und seinen Schöpfer Martin Nyrop voranstellen. – Er ist schon frühe als eine starke Persönlichkeit bekannt geworden, als er im Jahre 1888 der nordischen Ausstellung in Kopenhagen ihr eigentümliches, frisches Gepräge gab und die heimischen Motive des nordischen Holzbaues mit starker künstlerischer Laune zu einer wirklichen Gelegenheits-Architektur verarbeitete; eine der frühesten Taten echter Ausstellungskunst, wie sie noch 1900 auf der Pariser Weltausstellung eigentlich nur die skandinavischen Nationen gewagt haben. Er hat dann für den Staat das Provinzialarchiv in Kopenhagen gebaut; das gewaltige, ganz schmucklose Magazin getrennt von der gefälligen Baugruppe, welche die Studien- und die Verwaltungsräume enthält, nur durch einen Gang mit ihr verbunden; ein Charakterbau echten Schlages. Als Sieger eines Wettbewerbes hat er seither die gewaltige Aufgabe durchgeführt, einer großen, modernen Stadt ein Rathaus zu schaffen, das zugleich Nutzbau und Festbau sein soll. 1894 ist der Grundstein gelegt worden; im Januar 1903 ist es endgültig bezogen worden; jetzt wird noch an dem Ausbau des grossen Hauptfestsaales gearbeitet.
Im Westen der Stadt,. nicht weit vom Bahnhof, bei den breiten Boulevards, die durch die Auflassung der alten Festungswälle entstanden sind, reckt sich die Front des mächtigen Hauses trotzig und doch feierlich empor. Der weite freie Platz davor ist leicht vertieft und bildet mit der Terrasse dicht am Gebäude eine wirksame Basis für den gewaltigen Körper. Wie unsere Bildbeilage zeigt, sind das Erdgeschoss und das erste Obergeschoss von mässigen Höhen, für die Nutzräume bestimmt; das zweite Obergeschoss ist das hohe Festgeschoss, das vorne an der Front den grossen Festsaal und hinten im Querflügel den Sitzungssaal der Bürgervertreter enthält. Das Material ist vorwiegend Backstein, groß, handgestrichen, von prachtvoller roter Farbe. Der Sockel Granit; die Türgewände und Fensterrahmen Sandstein; zu oberst, unter dem mächtigen Dach, ein niedriges Halbgeschoss, als Fries von hellem Kalkstein durchgebildet. Das dunkle Dach überragt der wuchtige Zinnenkranz, der das Haus der Kopenhagener Bürgerschaft wie eine Wehr krönt und schirmt.
Wer nur flüchtig hinsieht, mag diesen Zinnenkranz für ein Dekorationsstück halten. Sieht man näher zu, so wird es klar, dass dieses Hauptmotiv ganz sachlich aus dem Gerüst des ganzen Organismus herauswächst. Hinter der Vorderfront dehnt das Gebäude sich als tiefes Rechteck zwischen ansehnlichen Strassen aus; an der Mitte der Seitenfassaden jederseits ein Turm, links der hohe, beherrschende Campanile, der im Stadtbild von Kopenhagen lebhaft mitspricht, rechts eine gedrungene Turmgruppe. Innen zwei große Höfe; der vordere ein prachtvoller Lichthof, der hintere offen; zwischen ihnen ein Querflügel, der im oberen Hauptgeschoss in seiner ganzen Breite den Sitzungssaal der Bürgervertreter enthält. Gegen die Strassen gehen rings um das ganze Haus die Zimmer und Säle; gegen die beiden Höfe die langen Korridore. Zwischen den Korridoren und den Zimmerfluchten liegt nun ringsum eine besonders dicke Mauer, in der die Heizkanäle und ein sehr sorgfältiges Ventilations-System angebracht sind. Diese Mauer mit ihren vielen Lüftungsschachten ist es, die aus den Dächern emporragt und in den Essenkranz ausläuft.
So kühn wie dieses Hauptmotiv, so großzügig und klar scheint mir die Anordnung und Gestaltung aller einzelnen Teile und Räume des riesigen Hauses, von den schlichten Büreau-, Verwaltungs- und Verkehrsräumen bis zu dem großen Sitzungssaal, dem Kern der ganzen Anlage. Was da wirkt, sind das Räumliche, die klaren Verhältnisse und vor allem das Material. Man darf sagen, dass die Achtung vor den Baustoffen und die Kunst, ihre Schönheiten auszunutzen, den alten Meistern ganz nahe kommt. Vom Einfachsten bis zum Prächtigsten: in den Nutzräumen schlichtestes Holzwerk, glatte Wände, weiße Stuckdecken; in dem Neben-Treppenhaus des hinteren Querflügels prunklose Eisenkonstruktion; dagegen in dem großen, festlichen Lichthofe vorn ein heller, voller, überwältigender Einklang der edelsten Stoffe, unter denen kostbarer Marmor in großen Flächen und kleineren Einlagen vorwiegt, mit Motiven, die oft an die Kunst der Cosmaten erinnern; daneben in gemessenem Wechsel einzelne plastische Akzente, Wappen, Inschriften u. a. Auch neueste Dekorationstechniken werden nicht verschmäht: die Laibungen der großen Bögen, die vom Lichthof unter dem Querflügel zu den Haupttreppen führen, sind mit einem reizvollen Mövenfries aus glasierten Tonstücken auf Putzgrund verziert, in der Technik, die der Keramiker Kähler aus Nestved vor einigen Jahren auf der Berliner Kunstausstellung gezeigt hat. Es ist überhaupt lehrreich zu sehen, wie der Architekt seine dekorativen Mitarbeiter leitet.
Er gibt sich nicht in die Hände von Dekorations-Geschäften. Wer an solchem Werke mitarbeitet, soll ein Künstler sein. Den jungen Maler, dem er die Sopraporten anvertraut, schickt er zunächst auf Reisen, um ihn in den mittelalterlichen Kirchen die Technik und die Art der alten Kalkmalereien studieren zu lassen. Dann darf der Künstler nach seinen eigenen, höchst persönlichen Ideen arbeiten, aber stets in allen Hauptdispositionen vom Architekten geleitet. Denn aller Schmuck ist in großem, breitem Maßstabe geordnet, mit vollendetem Raumgefühl und in der vornehmen Beschränkung, die zu üben uns heute noch so schwer fällt. Dafür aber darf und soll jedes Einzelstück in sich ein vollendetes Kunstwerk sein, durch Stoff, Gehalt und Form; die Virtuosen des Kunstgewerbes sind durch Künstler ersetzt. Wir werden gut tun, uns Martin Nyrops Werk später auch darauf hin genauer anzusehen. Hier ist ein Architekt wirklich der Führer der neuen Handwerkskunst.
Wir haben den Geist, der im Rathausbau in Kopenhagen waltet, zu skizzieren gesucht: er ist – wie es scheint, von Jahr zu Jahr frischer – auch bei den übrigen dänischen Meistern lebendig. Das Bild, das man in Kopenhagen selber gewinnt, erweitert sich durch die Darstellungen aus den kleineren Städten, wie sie die genannten Zeitschriften und eine Reihe trefflicher Photographien bieten, die man in Kopenhagen zu Kauf findet. Ueber den Zusammenhang der Künstler orientiert vor allem ein Aufsatz von Eugen Jörgensen in der dänischen Zeitschrift „Kunst“, Jahrgang 1900.
Man findet Belege dafür, dass der Sinn für gesunde Schlichtheit im Anschluss an alte, heimische Bauweisen nicht einmal aus allerjüngster Zeit stammt. So steht unter den vielen Stiftungsgebäuden, die eine Eigentümlichkeit Kopenhagens bilden, aus den Jahren 1885 bis 1887 das Abel Cathrine’s Stift von H.Storck; ganz in den schmucklosen Backsteinformen der dänischen Barockkunst aufgeführt, mit einem kleinen Hof, der mit seiner schlichten Kapellenfront, von Grün überwuchert, mitten in der Großstadt wie ein Hort tiefsten Friedens anmutet. Ein zweites Stiftshaus von demselben Künstler liegt frei hinter einem der großen Zierteiche der äußeren Stadt, das Soldenfeldts-Stift am Sortedams-See: eine große eckige Fassade von ruhiger, monumentaler Würde; die leuchtende, rote Ziegelfläche unter dem glatten, einfarbigen Dache spiegelt sich in wundervollem Farbenklang auf der blanken Wasserfläche wieder. Der Meister wird auch besonderen Aufgaben sieghaft gerecht: bei dem Erweiterungsbau der Landmandsbank, galt es, neben dem Ziegelstein besonders reichlich norwegischen Marmor zu verwenden; man sieht, wie fremdes Material und italienische Motive mit dem heimischen Backstein und dem nordischen Raumgefühl in eins gestimmt werden.
Als die vielseitigste Persönlichkeit neben Martin Nyrop darf Hack Kampmann gelten. Als der Staat i. J.1888 das Archiv in Kopenhagen an Martin Nyrop übertrug, erhielt der jugendliche Kampmann gleichzeitig das Archiv in Viborg (Jütland) in Auftrag. Seine weiteren Werke stehen in Aarhus, der größten Stadt Jütlands, die im Laufe des 19. Jahrhunderts von 4000 auf 50 000 Einwohner gewachsen ist. Hier hat er als Königlicher Bauinspektor das Zollgebäude und die Staatsbibliothek gebaut, ferner für die Stadt das Theater und für einen Prinzen (als Geschenk der Nation) ein Landschloss; auch für die Stadterweiterung hat man ihn mit Plänen beauftragt. So verschiedene Aufgaben hat er in wechselnden Formen, aber in einem Geiste kraftvollen Ernstes gelöst. Das Zollgebäude (Zollkammer) ist ein Eckbau; an der Ecke ein hoher eckiger Turmbau zwischen zwei kernigen Rundtürmen, das Motiv des Stadtwappens von Aarhus; daneben die schlichten Flügel unter hohen Dächern; das Material Backstein in anmutiger Musterung, versetzt mit sparsamem Haustein. Sachlich und vornehm zugleich erscheint das Gebäude der Staatsbibliothek . Es liegt ganz frei und enthält aussen ringsum die Bücherräume. Die Fenster sind zu großen Gruppen zusammengefaßt, namentlich an der Rückfront, die unsere Abbildung zeigt; an den Mauerflächen dazwischen steht in großem, sicherem Rhythmus ein Paar kräftiger Wappen; über den Ziegelstein-Fassaden steigt das schräge Dach bis dahin, wo die inneren Mauern heraustreten und das große Oberlicht für den Lesesaal tragen, der in der Mitte des Gebäudes liegt. Da das Gelände ansteigt, so liegt die Vorderfront mit dem Eingang höher, an einer Terrasse. Eine Brücke führt zu dem Portal mit seiner eigenartigen Flächen-Verzierung aus Tauwerkmotiven.
Ganz auf festliche, farbige Wirkung ist die Front des Theaters gestimmt. Die Fassade, aus Ziegeln und französischem Kalkstein, wird bekrönt durch einen Fries und ein Giebelfeld aus farbigem Tonmosaik in der Art, die wir am Rathause kennen lernten. Wieder ganz verschieden das Landschloss Marselisborg bei Aarhus, das man als Hochzeitsgeschenk für den Prinzen Christian hat bauen lassen. Eine Uebersetzung der Vorbilder des 18. Jahrhunderts ins Moderne: die Fassade gegen den Garten breit gelagert, beherrscht durch das prachtvolle Giebelfeld mit den drei dänischen Löwen, einem vollen Kunstwerk in Maßstab, Zeichnung und Modellierung; die Eingangsfront nach der Art der Flügelpalais mit zwei kurzen seitlichen Vorsprüngen und runden Treppenhäusern; auch im Inneren in den Formen des Zopfstiles ein durchaus moderner Geist.
Gibt hier ein starker Künstler einer Stadt ihr Gepräge, so spürt man auf einem wichtigen Gebiete des öffentlichen Bauwesens eine besonders glückliche, einheitliche Hand. Der Architekt H.Wenck hat eine Reihe sehr charakteristischer Bahnhöfe geschaffen, in Kopenhagen den Güterbahnhof, dessen Lagerhaus für sich selber spricht; eine seltene Vereinigung von Wucht und Anmut; alle Einzelheiten auch hier handwerklich gesund und männlich; alle Reste des Stuckateur-Geschmackes sind überwunden. Verwandt ist, nach den Abbildungen zu urteilen, der Bahnhof in der rasch aufblühenden jütischen Küstenstadt Esbjerg, dem wichtigen Ausfuhrhafen an der Nordsee. In demselben Geiste kerniger Einfachheit bei sicherstem Raumgefühl eine ganze Reihe kleinerer Stationsgebäude an der Küstenbahn, die von Kopenhagen gen Norden führt.
Der neuere Kirchenbau verdient später ein eigenes Kapitel. In Kopenhagen sind in den letzten Jahren eine Reihe kleinerer, höchst eigenartiger Kirchen entstanden. Das Schema der Reißbrettgotik scheint völlig überwunden. Reizvolle Gruppen von verschiedenster Gestalt, mehr von den romanischen Landkirchen als von Monumental – Vorbildern abgeleitet; als Material vorwiegend Ziegel mit maßvollem Werksteinschmuck; die Ornamente kräftig, aber bescheiden und auf die Hauptpunkte beschränkt. Wir geben als Beispiel die Brorsonskirche von Thorvald Jörgensen, am Nordvestvej gelegen; der Kirchenraum ist für 800 Plätze berechnet; im Sockelgeschoss liegen Sakristei und Versammlungssäle; der Glockenturm links daneben.
Der Blick in das Innere zeigt lebendig, wie auch in der kirchlichen Kunst des Innenraumes nicht eine fromme Dekorationswut herrscht, sondern der Mut zu echter kerniger Einfachheit und Einfalt; ein Stück Granitkunst, die einem wirklich starken protestantischen Glauben so gut ansteht. In diesem Sinne sehe der Besucher Kopenhagens sich besonders die Immanuelkirche an, die sich die freie Gemeinde in Kopenhagen gebaut hat; in diesem stimmungsvollen Bau von A. Clemmensen kann man auch die tiefgründige, dekorative Malkunst der Brüder Skovgaard bewundern, die mit ihrem Freunde, dem Charakterkopf Th. Bindesböll, heute die stärksten Persönlichkeiten in der dänischen Dekorationskunst sind.
Vom Privatbau hoffen wir später zu berichten. Auch hier hat die neue Kunst manche frohen Anfänge zu verzeichnen. Und auch hier scheint die Losung zu gelten: eine Aufgabe, ein Mann!
Dieser Artikel erschien zuerst 1904 in der Deutsche Bauzeitung.