Rathhaus zu Geestemünde

Rathhaus zu Geestemünde - Perspektivische Ansicht

Der im vorigen Jahre zwischen Mitgliedern des Berliner und Hannoverschen Architekten-Vereins veranstaltete engere Wettbewerb für ein Rathhaus zu Geestemünde hat nur eine geringe Betheiligung wachgerufen, trotzdem die Aufgabe als eine recht dankbare zu bezeichnen war.

Die Ursache hiervon ist wohl in den verhältnissmässig grossen Anforderungen (4 Grundrisse, 3 Ansichten, 2 Durchschnitte in 1/200) gegenüber den mässigen Preisen (1000, 600 und 400 M.) zu suchen. Nur 8 Entwürfe waren eingegangen; doch konnten die Preise vertheilt und ein Entwurf zum Ankauf empfohlen werden.

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Die mit dem ersten Preise gekrönte Arbeit des Prof. Stier in Hannover, von der wir eine perspektivische Ansicht, sowie die Grundrisse der beiden Hauptgeschosse mittheilen, ist inzwischen auch seitens der städtischen Behörden zur Ausführung bestimmt worden. Der zur Seite von zwei schiefwinklig gegen die Hauptstrasse – die Bahnhofstrasse – gerichteten Nebenstrassen begrenzte Bauplatz ist in der Art ausgenutzt, dass das Gebäude durchgehends rechtwinklige Begrenzungen erhalten konnte und an der Rückseite noch ein auskömmlicher Garten verblieb. Der Haupteingang liegt an der Bahnhofstrasse, ein Nebeneingang zur Wohnung des Bürgermeisters ist in der rechten Seitenstrasse angeordnet, Das Gebäude enthält einen kleinen Innenhof, der zur Beleuchtung der Gänge und der Haupttreppe dient, während sämmtliche Geschäfts- und Wohnräume von den Aussenseiten her ihr Licht erhalten. Die ersteren sind dem Programme gemäss im Erdgeschoss untergebracht, während sich im oberen Geschosse nur der Stadtverordneten-Sitzungssaal und ein Reservezimmer befinden. Der übrige Raum wird hier von der Dienstwohnung des Bürgermeisters in Anspruch genommen. Die thunlichst einfache Aussenarchitektur, welche durch einen Thurm neben dem Haupteingang, sowie durch einen Staffelgiebel über dem Sitzungssaal etwas grössere Bedeutung erhalten hat, soll durchgehends in Ziegelbau ausgeführt werden. Für die Ausführung sind, nachdem sich aus dem Wettbewerbe klar ergeben hatte, dass die anfänglich im Bauprogramm ausgeworfene Bausumme von 140 000 M. zu gering bemessen sei, 175000 Mark bewilligt worden.

Rathhaus zu Geestemünde – Grundriss

Die mit dem zweiten Preis ausgezeichnete Arbeit des Architekten Pfann in Berlin, schloss das Gebäude den schiefen Baufluchten an, hatte jedoch durch die Anordnung des Haupteinganges auf der spitzen Nordwestseite und Betonung desselben durch einen kräftigen Thurm die Schwierigkeiten dieser Lage geschickt vermieden. Der Entwurf überschritt jedoch die inbezug auf die Bausumme gesteckten Grenzen erheblich. Die flott gezeichnete, in derben Formen norddeutscher Renaissance gehaltene Architektur entsprach in ihrem Charakter nicht ganz dem geforderten Ziegelmaterial.

Rathhaus zu Geestemünde – Perspektivische Ansicht

Dem gegenüber vertrat der Entwurf des Reg.-Baumstrs. Diestel in Berlin, welchem der dritte Preis zutheil geworden ist, in recht ansprechender Weise die neuere, auf gothischen Formen beruhende Ausbildung dieses Materials. Er sowohl wie der zum Ankauf empfohlene Plan des Architekten Süssenguth, ebenfalls aus Berlin, verdanken diesen Erfolg wohl hauptsächlich dem wirkungsvollen Aufbau des Aeusseren. Die Grundrisse liessen in Hinsicht auf die Anforderungen der Klarheit und praktischen Benutzbarkeit manches zu wünschen übrig, besonders war die, übrigens in fast sämmtlichen Entwürfen wiederkehrende, Anordnung mangelhafter und dem Verkehr nicht genügender Treppen auffällig.

Dieser Artikel erschien zuerst 1891 in der Deutschen Bauzeitung.