Gutswohnhaus Heinemeyer in Rohrsheim

Von Reg.-Baumeister Bohnsack in Braunschweig. Im Jahre 1886 beschloss der Gutsbesitzer Heinemeyer in Rohrsheim, Reg.-Bez. Magdeburg, den Neubau der sämmtlichen Wohn- und Wirthschafts- Gebäude seines Gutes.

Dem Unterzeichneten wurde der Auftrag, sowohl die Gesammt-Anlage, wie auch zunächst das Gutswohnhaus zu entwerfen und auszuführen. Die Aufgabe wurde wesentlich erleichtert dadurch, dass der Bauherr neben erheblichen Mitteln auch eine entschiedene Baulust und dazu die seltene Eigenschaft besass, nie kleinliche Gesichtspunkte walten und sich an dem Ziele, wenn dasselbe nach reiflicher Prüfung einmal festgestellt war, nicht irre machen zu lassen.

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Der neue Gutshof, in unmittelbarer Nähe des alten gelegen, gestattete eine glückliche Orientirung der Gebäude nach den Himmelsgegenden, war der Ortsstrasse zwanglos anzuschliessen und gewährte ausserdem den Vortheil, dass die neuen Gebäude einzeln und ohne erhebliche Benachtheiligung des Wirthschafts-Betriebes aufgeführt werden konnten. Das Wohngebäude, von welchem oben die Haupt-(Hof-)Ansicht und die seitliche Strassen- Ansicht, sowie der Grundriss des Erdgeschosses wiedergegeben sind, wurde zuerst inangriff genommen, im April 1887 begonnen und im Sommer 1888 vollendet. Es besteht aus einem 3,30 hohen Kellergeschosse, 2 Stockwerken von je 4,40 m einschl. Balkenlage und einem Kniestock von 1 m Höhe: der Dachboden ist nur zur Hälfte für die Dienerschaft ausgebaut. Der Hauptthurm erreicht bis zum Hauptgesims eine Höhe von 17 m vom Erdboden aus gerechnet,

Grundriss vom Erdgeschoss

Das Kellergeschoss enthält neben der Hauptküche mit Zubehör auch noch eine Küche für das Gesinde, sodann Waschhaus, Schlachtestube, Knechtestube, Bade- und Plättestube, und die sonst nöthigen Kellerräume. Im Erdgeschoss sind die Haupt-Wohnräume untergebracht, derart, dass die Zimmer der Frau und der durch Schiebethüren mit ihnen verbundene Saal an den westlich liegenden, mehre Morgen grossen, von dem Promenaden-Inspektor Kreiss in Braunschweig in reizvollster Weise angelegten Park grenzen.

Das Zimmer des Herrn, dem Hofe zu liegend und zugleich den Ausblick auf die Ortsstrasse und die Zufahrt gestattend, ist infolge einer während des Baues getroffenen Veränderung aus 2 Zimmern zusammen gezogen. Da es den Gewohnheiten der Familie gemäss des Abends zum gemeinsamen Aufenthalte dient, so führt von hier aus eine im kleineren Thurme liegende eiserne Wendeltreppe unmittelbar in das Schlafzimmer; letzteres liegt nach Süden und Osten und gestattet gleichfalls den freien Ueberblick über den Hof und die Ortsstrasse. Die übrigen Räume des Obergeschosses dienen als Kinderzimmer, Wohnräume der Mutter und als Fremdenzinmer. Die Dienerschaft haust, wie schon erwähnt, im Dachgeschosse.

Die Fundamentirung bot keinerlei Schwierigkeiten. Alle gewöhnlichen Baumaterialien konnten in der Nähe bezogen werden; zu den Aussenwänden wurde für sämmtliche Architekturtheile Lutter’scher Sandstein verwandt, die Verblendsteine für die Flächen sind von der Aktien-Ziegelei in Heisede bei Sarstedt bezogen worden. Der hellere, ins Röthliche gehende Ton der Quader stimmt mit den dunkleren Backstein-Flächen angenehm zusammen. Um diesen Tönen noch mehr Klarheit zu verschaffen, war beabsichtigt, die Felder zwischen den Triglyphen-Konsolen der Hauptgesimse (auch am Thurme) aus Majolika-Platten in tietblauem Tone herzustellen; leider musste Umstände halber diese Anordnung vor der Hand aufgegeben werden und es sind statt dessen die Felder in den beabsichtigten Tönen provisorisch mit Kasein-Farbe auf Putz bemalt. Als Bedachungs-Material wurden – mit Ausnahme der beschieferten Thürme – schwarze gedämpfte Muldenziegel vom Möncheberge bei Kassel verwandt.

Gutswohnhaus Heinemeyer in Rohsheim

Der innere Ausbau ist zwar nicht luxuriös, hält sich aber von aller Schablone fern. Alle Zimmer im Erdgeschoss haben Stuckdecken, das Zimmer des Herrn ist auf 2 m Höhe getäfelt, und das Vestibül mit dem anschliessenden Treppenhause ist reich in Wachsfarbe gemalt. Der Saal und die Zimmer der Frau haben eichene Riemenböden, sämmtliche Räume des Erdgeschosses haben Fliesenöfen und die Fenster daselbst sind mit Rolljalousien versehen. Die Maurer-Arbeiten haben die Maurermstr. Heise und Wilkens, die Maler-Arbeiten der Dekorations-Maler Quensen, die umfangreichen Schmiede-Arbeiten der Kunst-Schlosser W. Fischer, sämmtlich in Braunschweig wohnend, zu grosser Zufriedenheit des Bauherrn und des Architekten ausgeführt.

Die Kosten des Baues belaufen sich auf 77 000 M. wobei zu bemerken ist, dass sämmtliche Fuhren vom Bauherrn geleistet, in obiger Summe also nicht mitberechnet sind. Bei rd. 340 qm bebauter Fläche stellt sich also 1 qm auf etwa 227 M., während 1 cbm Inhalt – vom Keller-Fussboden bis Oberkante Hauptgesims gemessen – 17 M. gekostet hat. G. Bohnsack.

Dieser Artikel erschien zuerst 1891 in der Deutschen Bauzeitung.