Das neue Post- und Telegraphen-Gebäude in Rochlitz, Sa.

Am 1. Oktober v. J. ist das neue Posthaus in Rochlitz, zum Bezirke der Kaiserlichen Ober-Postdirektion in Leipzig gehörig, in feierlicher Weise im Beisein des Bezirkschefs, Hrn. Ober-Postdirektor Walter und des Bürgermeisters Hrn. Kärner. als Vertreter des Stadtraths, von dem Bezirks-Postbaurath der erstgenannten Behörde zur Inbetriebnahme übergeben worden.

Die Stadt, eine der ältesten Sachsens, ist bemerkenswerth durch die aus dem 15. Jahrhundert stammende Kunigunden-Kirche, das noch völlig erhaltene mittelalterliche Schloss und den Rochlitzerberg mit seinen ergiebigen Porphyrbrüchen. Die allmählich verwitternden Aussenmauern der Kirche zeigen reiches spätgothisches Maasswerk in den Spitzbogen-Fenstern und überaus zierliche Fialen-Bildungen an und über den Strebepfeilern, während der Thurm nebst der ganzen Westfront als höchst nüchterne und den älteren Stilformen in keiner Weise Rechnung tragende Zuthat erscheint, in aufdringlicher Weise den reizvolleren Theil des Bauwerks verdeckend.

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Die Frage einer stilgerechten Restauration, ähnlich wie sie bei der höchst interessanten, etwa aus der gleichen Zeit stammenden Stadtkirche in Zwickau gegenwärtig ungefähr zum Abschluss gebracht wird, ist dem Vernehmen nach vonseiten des sächsischen Ministeriums angeregt worden. – Das mittelalterliche Schloss ragt stattlich empor über dem linken Ufer der Mulde und ist auf einem, mit dem Rochlitzerberge zusammen hängenden Ausläufer, hart über der Stadt erbaut. Die äusserste Spitze desselben zunächst der Stadt nimmt die Burgkapelle ein, während nach dem Berge zu zwei mächtige Thürme das Ausgangsthor nach der alten Bergstrasse zu flankiren, welche in früherer Zeit durch eine Zugbrücke, heute mittels eines hohen gewölbten Bogens über der – wohl künstlichen – Schlucht zwischen Burgfelsen und dem eigentlichen Bergstocke in und durch den Schlosshof führt. Die ganze bedeutende Anlage giebt der Stadt ein malerisches, alterthümliches Gepräge. Leider übersetzt die Eisenbahn von Grossbothen nach Glauchau gerade hier, fast die Burgkapelle berührend, mittels einer Gitterbrücke, die sich als Bedürfnissbau der nüchternsten Art charakterisirt, die Mulde.

Der Rochlitzer Berg ist ein einzelner, 351 m über Meer sich erhebender, schön bewaldeter Bergstock, welcher weit und breit, ähnlich wie die, wohl in weiteren Kreisen bekannte Landeskrone bei Görlitz die Landschaft beherrscht. Oben ist er seit 1860 bekrönt durch den 26 m hohen, aus rothem Porphyr in romanischen Formen erbauten Friedrich-August-Thurm und – last not least – versehen mit einem stattlichen Restaurations-Gebäude nebst Anlagen, welche für den gleichzeitigen Aufenthalt von Hunderten von Gästen bequem ausreichen. Dieser Berg liefert den bekannten Rochlitzer Porphyr, ein schönes rosa-roth gefärbtes Hausteinmaterial, das schon seit Jahrhunderten und heute noch nach der Väter Weise aus überaus tiefen Schächten dem Innern des Berges entnommen zu Trögen, Treppenstufen und Mühlsteinen, aber auch zu Architekturstücken jeder Art verarbeitet und weit über Sachsens Grenzen hinaus verwendet wird.

Da anzunehmen war, dass bei dem wohlbekannten Kunstsinne des obersten Leiters der Post- und Telegraphen-Behörde für ein neues Postgebäude in einer solchen Stadt ein charakteristisches Gepräge der Aussenfronten unter Verwendung echter Materialien als gerechtfertigt erkannt werden würde, habe ich von vorn herein bei der Aufstellung des Fassaden-Entwurfes, von welchem hier zwei Ansichten gegeben sind, auf die Verwendung von Rochlitzer Porphyr zu den Architekturen und eine Verkleidung der Wandflächen mit feinen Agaer Verblendziegeln Bedacht genommen.

Auch ein Thürmchen wurde vorgesehen.

Die Anordnung der für den Dienstbetrieb erforderlichen Räume zeigt der Grundriss des Erdgeschosses; das Obergeschoss enthält ausser einem einzigen, gegenüber der Treppe gelegenen Amtszimmer z. Z, nur die Dienstwohnung des Amtsvorstehers.

Grundriss vom Erdgeschoss

Da in der Stadt selber, welche eine grosse Längenausdehnung, aber nur geringe Breitenentwickelung hat, kein geräumiger Bauplatz vorhanden war und der Stadtrath von Rochlitz beschlossen hatte, zur Gewinnung neuer Baugelände vom Mittelpunkte der Stadt, senkrecht zur Längenaxe derselben, eine neue stattliche Verbindungsstrasse nach dem entfernt gelegenen Bahnhofe anzulegen, so fand der Vorschlag, als erstes Haus an dieser neuen Strasse das Postgebäude zu errichten, Beifall bei den betheiligten Behörden und in den Kreisen der städtischen Bevölkerung. Der Stadtrath selbst bewirkte als Bauherr die Ausführung des Baues nach den Bauentwürfen der Postbehörde und letztere übernahm den Bau nach Vollendung als Mietherin, zunächst auf 20 Jahre und mit dem Rechte des Vorkaufs an dem Grundstück mit allen Baulichkeiten. Ein bezüglicher Bau- und Miethsvertrag wurde abgeschlossen und vom Staatssekretär des Reichspostamts im August 1889 genehmigt und bestätigt.

Die Bauarbeiten begannen schon im Sommer 1889 und waren programmgemäss zum 1. Oktober 1890 beendet. Der Bau kam im wesentlichen nach dem dargestellten Entwurfe zur Ausführung; doch wurde aus Ersparniss-Rücksichten sowohl das Thürmchen, wie das schmiedeiserne Ziergitter auf dem Dache fortgelassen, auch im Ausbau Mancherlei vereinfacht. Statt des ersteren wurde nur eine vor der Flucht vortretende Vorlage mit giebelartiger Endigung in Form und Charakterisirung dem Risalith der Hauptfassade entsprechend, statt des letzteren wurden vier kräftig gegliederte, aus Zink getriebene Eckspitzen, mit schmiedeisernem Blattwerk und Ranken, zugleich Träger der Blitzableiter-Fangspitzen, hergestellt. Hierdurch ist erreicht worden, dass man auch bei der jetzigen, vereinfachten Ausführung des Baues die ursprüngliche Absicht einer reicheren Gestaltung desselben nicht vermisst.

Im Einzelnen wäre bezüglich der Fassaden zu bemerken, dass dieselben, wie schon oben angegeben, durchweg aus echten Materialien, nämlich rothem Rochlitzer Porphyr zu den Architekturen und gelbröthlichen Feinziegeln zu den glatten Mauerflächen hergestellt sind. Die maassgebende Hauptseite hat 6 Axen, von denen 2 auf das breite Mittelrisalith kommen. Dasselbe ist mit einem in der Vorderfläche fluchtrechten, mittels skulpirter Anfängersteine seitlich etwas überkragendem, steilem Giebel geschlossen, welcher mit halbrundem Aufsatzstück nebst Muschelfüllung und Jahrzahltafel gekrönt ist. Ueber der höchsten Rundlinie erhebt sich als freie Endigung des Ganzen ein gegliedeter Obelisk und mehr hinterwärts denselben noch überragend – zeigt sich die an der Vorderkante des flachen Oberdaches angebrachte eiserne Fahnenstange mit vergoldetem Bund und Knopf. Die Hauptfront zeigt überdies durch eine oberhalb der Risalith-Fenster des 2. Geschosses angebrachte Werksteintafel mit der ausgemeisselten Inschrift „Kaiserliches Postamt“ und dem Reichsadler über dem Haupteingang den öffentlichen Charakter und die Bestimmung des Gebäudes an. – Musivische Musterungen aus dunkelbraun glasirten Ziegeln tragen zur weiteren Belebung der glatten Flächen und zur Hebung der architektonischen Gliederungen bei und die Schildflächen der Entlastungsbögen sind mit farbigen Mettlacher Fliesen nach besonderer Auswahl ausgesetzt. Hervor zu heben bleibt, dass auch die Hinterfront der Haltung des Ganzen entsprechend, wenn auch an und für sich in vereinfachter Weise, in tüchtiger, architektonischer Durchbildung zur Ausführung gekommen ist. Ueber dem gleichmässig umlaufenden Hauptgesimse des Gebäudes erhebt sich ein stattliches, ringsum gleichmässig ansteigendes, mit Schiefer eingedecktes Mansarddach,dessen Oberkanten – mit Zinkwulst abgeschlossen – das flache, nur nach der Hinterseite geneigte Holzzementdach einschliessen. Die steilen Flächen des Mansarddaches sind allseitig durch altdeutsche Lukarnen mit rundlich eingeschieferten Seitenbacken – die Ecken des flachen Oberdaches durch Eckspitzen mit gegliedertem Untertheil aus Zink und frei endigenden Spitzen und Rankenwerk aus geschmiedetem Eisen belebt.

Das Grundstück ist an den Strassenseiten mit eisernen Thoren und Gitterfeldern eingefasst, welche in Kunstschmiede-Arbeit hergestellt und zwischen gemauerten Ziegelsteinpfeilern mit gegliederten Porphyr-Deckplatten und Bundquadern befestigt sind. Gitter und Pfeiler erheben sich gleichmäßig über durchlaufendem, massiven Sockel aus polygonalem Bruchstein-Mauerwerk mit abgewässerter Decklatte.

Seiten- und Hauptansicht

Der Sorgfalt, mit welcher das Aeussere des Gebäudes zur Ausführung gekommen, entspricht auch der gesammte innere Ausbau, wenngleich sich derselbe unter Vermeidung von jedem Luxus innerhalb wirthschaftlich sehr eng gesteckter Grenzen halten musste, Die Kellerräume sind mit Ziegeln sauber gepflastert und überwölbt, an Decken und Wänden geputzt und geweisst, mit gehobelten Lattenthüren und mit einfachen, aussen vergitterten Fenstern versehen.

– Die Räume in den beiden Hauptgeschossen und im ausgebauten Dachgeschosse haben dagegen gedielte Fussböden und geputzte Balkendecken. In den Haus- und Treppenfluren, sowie in der Schalterhalle sind die Fussböden mit gemusterten, z. Th. farbigen Thonfliesen belegt. Die Treppenstufen vor den Hausthüren und innerhalb der Hausflure bestehen aus Granit, die Geschosstreppen bis zum Dachgeschoss aus Porphyr. Letztere sind freitragend konstruirt, eine Bauweise, die in Sachsen noch ziemlich unbekannt scheint und nur gegen vielfache Bedenken und innerliches Widerstreben der Baugewerksmeister durchgesetzt werden konnte. Die Podeste sind mit halben Klosterkappen sorgfältig unterwölbt und die Treppenläufe mit durchgehenden verzierten, schmiedeisernen Geländern ausgestattet, welche mit schwarzem Eisenlack gestrichen und an geeigneten Stellen, z. B. an Bund-Knöpfen und Rankenspitzen hell verkupfert worden sind. Die besseren Räume in beiden Geschossen sind – gleichfalls gegen die ortsübliche Gepflogenheit – mit Berliner Kachelöfen, die übrigen Räume mit eisernen Füll-Reguliröfen ausgestattet. Die Thüren sind grösstentheils als einflügelige, zum kleineren Theil als zweiflügelige Füllungsthüren nach besonderen Zeichnungen hergestellt mit Futter und Verkleidungen, in den Vorderzimmern der Wohnung auch mit Verdachungen versehen; das Holzwerk ist in schöner gelber Tönung gebeizt, an den Gliederungen abgesetzt und lackirt. Besonderer Werth ist auf die Herstellung der Schalteranlagen gelegt worden, welche in ihrer Ausführung eine charakteristische Zierde der Schalterhalle bilden.

Die Fenster sind durchweg Kastenfenster mit Baskülverschluss von der üblichen Konstruktion; nur sind alle Erdgeschossfenster der Sicherheit wegen mit inneren Fensterläden versehen worden. Wenn noch zugefügt wird, dass die gedielten Fussböden mit gelbgetöntem Oelfirniss gestrichen und die geputzten Wand- und Deckenflächen in einfach stilgerechter, farbiger Bemalung mit Leimfarben geschmückt sind, so wird das Bild des inneren Ausbaues hinreichend gezeichnet sein.

Es bleibt noch übrig, Einiges über die Ausführungs-Kosten mitzutheilen.

Das Grundstück hat eine Größe von 1152 qm und je 32 m bezw. 36 m Frontlänge in den beiden neuen Strassen, an deren Kreuzung es liegt. Die Kosten haben einschl. der Strassen-Entwässerungs- und Gasleitungs-Anlagen vor dem Grundstücke 12 000 M., mithin für 1 qm etwas mehr als 10 M. betragen.

Das Hauptgebäude hat 346 qm bebaute Grundfläche. Die Gesammtkosten desselben waren veranschlagt zu rd. 60.000 M., mithin 173 M. 44 Pf. für 1 qm, Diese Summe hat sich jedoch nicht ganz einhalten lassen; nach der endgültigen Abrechnung dürfte sich der Einheitspreis daher wohl annähernd auf 176 M. stellen.

Zu diesen Kosten treten noch 3460 M. hinzu für Herstellung eines eingeschossigen Nebengebäudes, mit offenem Wagenschuppen in der Mitte und seitlichen geschlossenen Anbauten. enthaltend Aborte und eine Waschküche, endlich die Kosten für die sämmtlichen Neben-Anlagen, als die oben beschriebenen massiven Einfriedigungen, mit schmiedeisernen Vergitterungen und Thoren, die Hofauffüllung und Befestigung, Garten-Anlagen und Wasserleitung usw., welche im Ganzen 5200 M. erfordert haben.

Die sämmtlichen- Arbeiten sind nach den gegebenen, ausführlichen Zeichnungen in durchweg recht zufriedenstellender Weise von Rochlitzer Baugewerksmeistern ausgeführt worden, Die örtliche Bauleitung war von dem Stadtrath in Rochlitz dem ortsansässigen Zimmermeister, Hrn. Baumeister Oesterreich übertragen worden, während die gesammten künstlerischen und technischen Entwurfs-Arbeiten dem Unterzeichneten obgelegen haben.

Leipzig, im November 1890,
Herm. Schmedding, Postbaurath

Dieser Artikel erschien zuerst 1891 in der Deutschen Bauzeitung