In der Königlich Preußischen Rheinprovinz, unweit der allen Stadt Köln, eine Stunde nordöstlich von Bonn, in der malerischen Ebene, welche südlich vom Siegflusse, und westlich vom Rheine begrenzt wird, erhebt sich der sogenannte Siegberg, welcher dem von ihm dominirten und mit ihm verbundenen Landstädtchen Siegburg seinen Namen giebt.
Vor alter Zeit prangte auf diesem herrlichen Bergkegel, der sich in der fruchtreichen Ebene über alle Maßen prachtvoll ausnimmt, und das große, alte bergische Land weithin beherrscht, eine ehrwürdige, reichgepfründete Abtei, deren pachtpflichtige Kreaturen die meisten Bauern-Gehöft-Besitzer der weiten Umgegend waren.
Um das Jahr 1056 trat der Erzbischof Anno von Köln in den Besitz der reichen Abtei Siegberg. Weil dieser Prälat nach seinem Tode heilig gesprochen wurde, so stieg der Ruf der Abtei um so höher, als die Gebeine des Heiligen in Siegburg beigesetzt wurden, was in der Folge große Pilgerzüge von nahe und fern, veranlaßte. Hiernach wird man es erklärlich finden, daß die vorliegende Prophezeihung die Abtei Siegberg, den Sitz oder die Stätte des heiligen Anonius, (Annos-Stätte) als Ausgangspunkt gewählt hat, da der Prophet in dem, unweit Siegburg, nahe an der Sieg gelegenen Dorfe Eschmar, etwa um das Jahr 1689 geboren war.
Der wahre Name Spielbähns ist, Bernard Rembolt, wie er in dem Todtenregister der Kirche zu St. Maria Ablaß in Köln, welches sich gegenwärtig auf dem Rathhause zu Köln befindet, unterm 23. Februar 1783, als an seinem Begräbnißtage, sich eingetragen findet.
Nach Angabe des Herrn W. Reuter in Sieglahr soll jedoch sein Familienname „Remscheidt“ gewesen sein. „Bähn“ ist der altdeutsche Ausdruck für „Bernard.“ Anm. des Verf.
Sein Vater, ein armer Leineweber, setzte seine Fabrikate in der Regel auf der Abtei Siegberg ab, auf welcher Geschäftsreise dieser dann den jungen Bernard gewöhnlich als Begleiter mitnahm. Später besorgte Bernard die Lieferungen seines Vaters allein, und war so glücklich die Augen des Herrn Abtes auf sich zu ziehen, der ihn in der Folge als geistlichen Boten in die ihm subordinirken Klöster Oberpleis, Heisterbach u. a. aufnahm. In dieser Eigenschaft im täglichen Verkehr mit der Geistlichkeit, worunter damals sehr gelehrte Monche sich befanden, gelangte Bernard bald zu Anschauungsweisen, die den meisten seiner Standes und Zeitgenossen fremd bleiben mußten.
Besonders empfänglich aber erwies sich Bernards von Natur weiches und schwärmerisches Gemüth für religiöse Uebungen.
Einsames, stundenlanges Gebet, Fasten und sonstige Leibeskasteiungen nährten seinen melancholischen Geist und machten ihn zum Lieblinge und Vertrauten des Clerus. Dieses Vertrauen erhellt aus dem Umstande, daß Bernard in seinem höhern Mannesalter von den Franziscanern zu Köln in kirchlichen Angelegenheiten nach Rom zum h. Vater beordert wurde, der ihn auch zu dem üblichen Fußkusse zugelassen haben soll.
Zu den Sonderbarkeiten dieses Mannes verdient der Umstand Erwähnung, daß er nach Beendigung seiner geistlichen Uebungen im Geigenspiel Erholung suchte. Seine Geige begleitete ihn auf allen Wegen; doch fällt ihre Combination mit dem Rosenkranze nicht so sehr ins Lächerliche wenn man weiß, daß seine ganze Virtuosität auf diesem Instrumente darin bestand, einfache Kirchenlieder abzuspielen, worunter sich das „Ave Maria gratia plena“ als sein Leibstückchen auszeichnete. Diese Vorliebe für das Geigenspiel erwarb ihm den Namen „Spielbähn“ obwohl die Bezeichnung „Lüg-Bähnchen“ — bei seinen Zeitgenossen nicht minder gang und gebe war, weil man seinen Visionen wenig Glauben schenkte.
Die erste Vision Spielbähns fällt in die Zeit, wo er von seiner Romreise zurückkehrte, bei Gelegenheit einer Versammlung auf der sogenannten Bauerbank, wie man in jener Zeit den Versammlungsort der Bauern nannte, der ein eigens hierzu bestimmter freier Platz im Dorfe war. Hier wurden die Angelegenheiten der Gemeinde berathen, die Gesetze oder das sogenannte, „Scheffenweisthumb“ — vorgelesen, und jeder Bauer mußte, bei Vermeidung großer Strafe, diesen Versammlungen — dem Bauergeding — beiwohnen, welches alljährlich einmal Statt fand. In den Städten nannte man ähnliche Berathungen das Herrengeding. Jene Versammlungen unserer Väter dürften wohl geeignet sein, uns bei unsern jetzigen Volksversammlungen ein beschämendes Bild vorzuhalten. Da waren die Wörter: Wahlklüngel, Demonstrationen, stürmische Debatte u. s. w. ganz unbekannte Ausdrücke; auch der Geringste durfte da seine Meinung offen aussprechen, und die Versammlung horchte aufmerksam und lautlos ebenso auf die Worte des Armen als auf die Rede des Reichen.
An dem beregten Bauergeding nun hatte sich auch Spielbähn das alte, unscheinliche Männchen mit dem grauen Haare, eingefunden, um in bescheidener Zurückgezogenheit an den Berathungen seiner Nachbarn Theil zu nehmen.
Niemand fand einen Anstoß darin, und keinem Reichern schwoll der Aerger oder der Neid das Gesicht roth, als der Vorstand auch den welt- und menschenkundigen Bähn mit freundlicher Stimme fragte:
„Ob er denn gar nichts zu bauerdingen (vorzutragen) habe ?“
Bernard erwiderte kurz:
„Künftiges Jahr werden wir nicht bauerdingen, weil dann die ganze hiesige Gegend mit fremden Kriegern überschwemmt sein wird.“
Wenn man aber auch damals diese Prophezeihung belächelte, so wurde sie doch in der Folge Ursache, daß man seinen Worten eine größere Aufmerksamkeit widmete, denn was er vorgesagt, erfüllte sich im folgenden Jahre wirklich.
In seinem höhern Alter pilgerte der greise Bernard in den Dörfern unserer lieben Rheingegend zwischen Köln und Honnef.
Auf jedem Bauerngute, in jedem Kloster fand der alte Spielbähn die freundlichste Aufnahme, weil Jeder die Ereignisse der fernen Zukunft gerne von ihm verkünden hörte. In dieser letzten Epoche seines Lebens hat ihn ein gewisser Benrodt, der früher ein Roßkamp (Pferdehändler) gewesen, auf seinen Zügen, als Stütze seiner altersschwachen Glieder, begleitet und sich auch besonders oft längere Zeit mit ihm bei den Karthäusern in Köln aufgehalten. Betagte Leute, die sowohl Spielbähn als seinen Vetter und nachherigen Begleiter den eben genannten Benrodt noch persönlich gekannt haben, erzählten mit vor einigen Tagen, daß dieset ec. Benrodt noch lange nach Spielbähn gelebt, und sich als dessen Apostel gerirt habe, indem er das Amt eines Propheten bis an seinen Tod fortgesetzt, dabei aber oft geäußert habe; daß er die Aufschlüsse, die er über die Zukunft besitze, den Karlhäuser-Herrn in Köln verdanke. Sobald es meinen Bemühungen gelingen wird, etwas Zuverläßiges über diesen Apostel Spielbähns aufzufinden, werde ich es als interessanten Beitrag zu der Geschichte der Seher, der Oeffentlichkeit übergeben.
Spielbähn starb in den Armen des Apothekers Herrn Schitzler zu Köln, wo er am 23. Februar 1783 auf dem Kirchhofe zu St. Maria Ablaß, beigesetzt wurde. Das Todtenregister auf dem Rathhause, so wie der Apotheker Herr Brocke zu Köln, bestätigen diese Angabe.
Dies ist ein Auszug aus dem Büchlein „Spielbähn, der Prophet“, welches von Wilhelm Schrattenholz geschrieben und 1848 erstmals veröffentlicht wurde. Das Bild ist ein Beispielbild und nicht im Buch enthalten. Mehr Infos dazu hier.