Mannigfaltig sind die prunkvollen Abzeichen, deren sich die Herrscherhäuser bei festlichen Gelegenheiten bedienen, um ihre Macht und Würde auch äußerlich zu offenbaren.
Wenn Zepter und Krone an den hohen Beruf der Männer erinnern, die durch Geburt und Erziehung zur Führung von Nationen bestimmt sind, so gebührt auch dem Thronsessel eine besondere Beachtung wegen der verschiedenartigen Gestalt, die er in den einzelnen Ländern annimmt. Ihm wird sein Platz an einer Stelle angewiesen, die sofort in die Augen fällt und von den übrigen Kennzeichen der Herrschermacht umgeben ist. Stufen führen zu ihm empor, das Wappen des Landes prangt dahinter, ein Baldachin breitet sich schützend darüber aus.
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Sein Zweck besteht nicht darin wie bei andern Einzelsitzen, dem Körper eine bequeme Haltung zu geben, hin die ungezwungene Freiheit der Bewegungen zu gestatten, sondern vielmehr einen Teil in dem leuchtenden Gesamtbild auszumachen, das uns durch das Auftreten es Herrschers geboten wird. Bei der Ausgestaltung solcher Sessel drückt sich neben dem Geschmack des einzelnen auch der Geist der geschichtlichen Entwicklung aus, die dem Staat seine Wege gewiesen hat, so daß in Hinweis darauf mancherlei Interesse bietet.
Lassen wir uns wie im Flug zu den Hauptstädten Europas tragen, wo die Herrschergeschlechter in ihren Schlössern ungezählte Schätze gesammelt haben! Wir möchten die für Kaiser, Könige und Fürsten bestimmten Sessel gern so betrachten, als ob sie nicht über aller Herren Länder verstreut, sondern durch einen merkwürdigen Zufall aneinandergerückt wären.
Den Vorrang lassen wir natürlich unserm Vaterland, indem wir mit dem preußischen Herrscherhaus beginnen und unsere Schritte nach Berlin zu dem ehrwürdigen Königlichen Schloß wenden. Der Weiße Saal, dessen Türen sich bei den großen Hoffestlichkeiten sowie bei der Eröffnung des Reichs tags und Landtags auftun, strahlt uns mit seinem Schmuck von farbigem Marmor und vergoldeter Bronze, seinen Marmorstandbildern und Reliefs wundersam entgegen. Durch drei Stufen erhöht ist der Platz, für die zwei Thronsessel, die auf ihren Rücklehnen je eine Krone zeigen und auf den Seitenlehnen und am Fußgestell reiches Schmuck- und Schnitzwerk aufweisen. Darüber breitet sich an der Wand der Adler mit der Krone aus, während der ganze Sitz von einem Baldachin überdacht wird. Alles einfach, würdig und ernst, ein echtes Sinnbild der strengen Zucht und Arbeitsamkeit, aus der der preußische Staat zu seiner jetzigen Bedeutung als Leiter der Geschicke Deutschlands emporgeblüht ist.
Von der Spree zur Newa, wo sich in St. Petersburg das bräunlichgelbe Gebäude des Winterpalais erhebt, die Residenz des Zaren. Wir treten sogleich in den Georgssaal hinein, der von sechs großen Kronleuchtern erhellt wird. Weiße korinthische Marmorsäulen geben dem Saal ein besonders festliches Ansehen. An der nördlichen Schmalseite ist der Thron errichtet, zu dem man auf breit auslaufenden Stufen gelangt. Dahinter ist das große Reichswappen in Gold auf rotem Samt gestickt.
Ueber dem Baldachin er blicken wir zwischen den Balkonfenstern den Heiligen Georg, wie er den Drachen tötet. Alles atmet hier bei Festlichkeiten eine bis zur orientalischen Ueppigkeit gesteigerte Pracht, wie sie dem Charakter und der Phantasie des Russenvolks entspricht.
Den Doppelthron des englischen Königspaars müssen wir im Parlamentsgebäude am Ufer der Themse in London suchen. Eine Fülle von charakteristischen Sinnbildern und Wappen ist auf der spitz nach oben auslaufenden, mit einer Krone bedeckten Rücklehne angebracht. Neben jeder der äußeren Seitenlehnen erblicken wir eine kniende Engelsfigur auf reich verzierten schmalen Säulen. Der Eindruck des Mächtigen und Gesättigten, das dem Wesen des englischen Volkes entspricht, überwiegt bei der Ausführung dieser Gegenstände.
„Fern im Süd das schöne Spanien“, wie Geibel singt, bildet das Ziel unserer Reise, wenn wir den Königspalast in Madrid aufsuchen, der, auf stolzen Höhen am Tal des Manzanares gelegen, einen so großartig malerischen Ausblick gewährt. Im Innern halten wir uns im Salon de Embajadores auf, an dessen Decke uns Tiepolo das spanische Königtum in Verbindung mit Repräsentanten des Volkes darstellt. Von den Kristallkronen und den Spiegeln strahlt bei festlichen Gelegenheiten ein Meer von Licht aus und zeigt uns den Königsthron, den zwei weibliche Genien bewachen, während ihn gleichzeitig vier Löwen auf den Stufen behüten.
Die Residenz des Königs von Italien bildet in Rom der Palazzo del Quirinale, wo früher die Päpste ihren Sommeraufenthalt nahmen. Wir schreiben unsern Namen in das ausliegende Buch ein und werden von einem Diener durch die Sala regia, deren Fresken uns fesseln, und die Cappella Paolina mit ihren vergoldeten Stukkaturen zum Thronsaal geführt. Unter einem mächtigen Kronleuchter von Glaskristall steht der Thronsessel, verhältnismäßig niedrig und einfach, aber von jener eigenartigen Vornehmheit des Geschmacks, die das Vorrecht der Italiener zu sein scheint.
Durch auffallenden Prunk fällt der Thronsaal im Schloß Rosenborg in Kopenhagen auf, wo die aus Silber und Narwalzähnen hergestellten Festsitze des Königs von Dänemark und seiner Gemahlin durch drei große silberne Löwen bewacht werden. Die Wüstenkönige zeigen auf dem Parkett des Schlosses verschiedenartige Stellungen.
Der mittlere ist ausschreitend dargestellt, der davon links befindliche ruht auf den Hinterbeinen, während der dritte auf der rechten Seite sich auf die Vorderbeine stützt, als ob er eine Gefahr wittere und sich zum Sprung vorbereite.
Ganz anders zeigt sich wieder der Raum im Königlichen Schloß von Stockholm, wo König Oskar II. von Schweden residiert.
Auch dort haben Thron und Wappen eine eigenartige Ausführung erfahren, die bis auf Einzelheiten sinnvoll durchgeführt ist, und die um so mehr ins Auge springt, wenn wir uns nach dem Schloß in Amsterdam begeben, um den Festraum der Königin von Holland mit seinem reichen Schmuck zu betrachten.
Serbiens an düsteren Erinnerungen so reiche Hauptstadt Belgrad, das Schloß des Fürsten von Monaco an der gesegneten Küste Italiens, endlich das Palais in Söul, wo wir den von den Japanern so hart bedrängten Kaiser von Korea im fernen Osten auf seinem Thron erblicken, bilden hierzu einen pikanten Gegensatz. Der Gedanke an Herrschaft und Glanz, das Bewußtsein, den Willen und das Schicksal eines ganzen Volkes in den Händen zu haben, verlangen überall nach dem gleichen Ausdruck, nach Formen, die durch die Ueberlieferung ausgeprägt sind und den Festplatz der Herrscher als etwas Erhabenes und Unnahbares erscheinen lassen.
Dieser Artikel von Eugen Zabel erschien zuerst 1905 in Die Woche.