Villa Georg Kissling in Kleinburg bei Breslau

Architektur und Ausführung: Heinr. Schild in Breslau. In der Villenstadt Kleinburg bei Breslau, der durch den kürzlich in ihrer unmittelbaren Nähe angelegten Südpark weiteres Aufblühen in Aussicht steht, hat sich der jetzige Inhaber der Firma Conrad Kissling in den Jahren 1894/95 die hier dargestellte Villa bauen lassen. Der Bauplatz ist 4 Morgen gross; auf seinem westlichen Theil stehen die Gebäude; nach Osten, der Morgensonne ungehindert Einlass gewährend, dehnt sich der von dem Garten-Ingenieur A. Menzel geschickt angelegte Garten bis zur Grenze des Bauplatzes, bis zur Platanen-Allee aus.

Die Grundrissgestaltung der Villa, bei der die Küchenräume usw. im Sockelgeschoss, die Hauptwohnräume im erhöhten Erdgeschoss und die Schlaf- und Kinderzimmer im Ober-Geschoss angelegt sind, ist einfach und klar. Der Kern der Anlage ist das mit Oberlicht versehene, zweigeschossige Vestibül, von dem fast alle Zimmer unmittelbar Zugang haben, die auch wiederum unter sich in bequemer Verbindung stehen. Von guter Wirkung ist die lange Axe der Zimmerflucht von der Blumenhalle neben dem Speisesaal und Salon bis zum Wintergarten. Die nach der Gartenseite vorgelegten und eingebauten Terrassen, Loggien und Balkons, geschützt gegen die heisse Süd- und Nachmittagssonne, gewähren fast bei jedem Wetter, wenn die Temperatur es gestattet sich im Freien aufzuhalten, angenehme Sitzplätze. Eine Haupttreppe wurde unnöthig durch die Lage der Haupträume im Erdgeschoss; die in bescheidenen Abmessungen angelegte, mit dem Hofausgange in Verbindung stehende Haustreppe wird nur von den Familien-Mitgliedern und Nachtgästen benutzt. Die in den Hauptthurm gelegte Treppe vermittelt für die Dienerschaft den Verkehr von der Küche und dem Speiseaufzug nach dem Anrichte- und Speisezimmer, so wie weiter oben nach dem über dem Anrichteraum befindlichen Badezimmer mit den daranstossenden Schlafzimmern der Herrschaft und der Kinder.

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Die Fassaden sind in Sandstein, Putz und Ziegelfugenbau ausgeführt; das Sockelgeschoss ist ganz aus Sandstein, ebenso sind das Hauptportal, die Karyatiden an der Nordfront, die Säulen an der Ostfront, der obere Theil des Hauptthurmes, die Lucarne über dem Hauptportal, die Giebelabdeckungen und Aufsätze aus Sandstein, das Uebrige ist der geringen Kosten wegen aus Putz mit Rohbauflächen hergestellt.

Villa Kissling in Kleinburg bei Breslau – Grundriss

Das Innere ist in den Haupträumen ziemlich reich durchgebildet. Das Vestibül und der Treppenaufgang dazu sind in den Wänden aus Stuckmarmor; ersteres hat eine reich gemalte Glasdecke; die Lichtöffnung im Fussboden des Obergeschosses ist mit einem reichen Schmiedeisernen vergoldeten Gitter umgeben. Die Treppenstufen des Hauseinganges bestehen aus weissem Marmor; das Gewölbe sowie die Vouten unter der Gallerie im Vestibül sind mit flott modellirten Stuckornamenten (an Ort und Stelle angetragen) versehen und als oberer Abschluss der Vestibulwände sind reichere Stuckgesimse mit grosser Hohlkehle bis zur Glasdecke angebracht. Die grosse Hohlkehle ist mit Guirlanden tragenden Engeln auf himmelblauem Grunde bemalt, der Stuck ist entsprechend abgetönt und etwas vergoldet. Zwischen Treppenaufgang und Vestibül ist der Abschluss durch eine schmiedeiserne Glasthür mit tief herunter gehenden Scheiben hergestellt; an der dieser Thür gegenüberliegenden Vestibülwand befindet sich ein Marmor-Kamin mit Spiegelaufsatz. Das Vestibül hat 6 m Breite, 8,25 m Länge und macht in der vorbeschriebenen Ausstattung bei einer Höhe bis. zur Glasdecke von 13,4 m einen prächtigen Eindruck.

Villa Kissling in Kleinburg bei Breslau – Ansicht des Vestibüls

Der Salon ist mit einer reichen Stuckdecke nach dem Entwurfe des Hrn. Prof. Irmann von der Kunstgewerbeschule in Breslau und mit einem von demselben in Oelwachsfarbe auf Leinwand gemalten grossen Plafondgemälde, „den Triumph der Flora“ darstellend, versehen. Speise- und Herrenzimmer haben hohe Holztäfelungen mit Holzdecken. Erwähnt sei ferner noch das im Rococo-Geschmack durchgeführte Damenzimmer, welches mit dem Blick in den Wintergarten und dem kleinen gewölbten Nebenraum, wo der Schreibtisch der Frau des Hauses seine Aufstellung gefunden hat, allgemein Beifall gefunden hat.

Die Villa-hat Zentralheizung, für das Vestibül Luftheizung, für die Zimmer usw. Warmwasserheizung, ausserdem in allen Räumen elektrisches Licht. Die Lichtanstalt mit Akkumulatoren-Anlagen befindet sich im Untergeschoss des Wirthschaftsgebäudes.

Die Geschosshöhen sind im Keller 3,2 m, im Erdgeschoss 4,9 m und im Obergeschoss 3,6 m einschl. Balkenlage.

Die Ausführung der Arbeiten ist in der Hauptsache von Breslauer Firmen bewirkt.

Villa Kissling in Kleinburg bei Breslau – Vorderansicht

Die Maurerarbeiten habe ich selbst ausgeführt; die Zimmerarbeiten Rathszimmermstr. Kolbe; die Steinmetzarbeiten C. Franke; die Tischlerarbeiten theils Gebr. Bauer, theils Jos. Zwiener; die Schlosserarbeiten Gust. Trelenberg; die Klempnerarbeiten Emil Lehmann; die Stuckarbeiten Simmlinger & Gode; die Glaserarbeiten Oscar Ehrbeck; die Malerarbeiten W. Werner und Carl Denner, sowie die Firma Recksiegel & Scholtz. Die Wasserleitungsarbeiten besorgte F. J. Stumpf, die Heizanlage die hiesige Filiale der Firma Gebr. Körting-Hannover, die elektr. Lichtanlage C. Krimping hier,, Vertr. der Firma Siemens & Halske. Den Stuckmarmor führte Carl Hauer in Berlin, die Glasmalereien Ferd. Müller in Quedlinburg, die Marmorkamine Emil Wille & Co. in Berlin und die Beleuchtungskörper CO. Kramme in Berlin aus.

Breslau, im Oktober 1896. Heinr. Schild, Arch.

Dieser Artikel erschien zuerst am 30.01.1897 in der Deutsche Bauzeitung.