Wenn wir es im Nachstehenden unternehmen, eine kleine Gruppe von deutschen Einfamilienhäusern in Wort und Bild zu schildern, die zumtheil ausgeführt, zumtheil aber auch nur auf das Papier gebannte Gedanken einer phantasiereichen Seele geblieben sind, so ist mit dieser Veröffentlichung keinesfalls die Bekräftigung irgend einer Tendenz nach irgend einer Richtung verbunden.
In der anspruchslosen Weise, wie die Entwürfe sich zu der hier veröffentlichten Gruppe zusammengefunden haben, durch den jede Absicht ausschliessenden Zufall, in dieser schlichten Weise wollen sie auch hingenommen sein. Es sind Beispiele für eine Auffassungsweise des deutschen Einfamilienhauses unserer Tage, die Zeugniss ablegen von den verschiedenen Einflüssen, unter denen das neuere architektonische Kunstwerk, das im Einfamilienhause vielleicht seinen intimsten und am meisten durchgeistigten Ausdruck gefunden hat, entsteht. Der Deutsche hat ja ein merkwürdiges Gemüth. Seine Vergangenheit hat neben den glanzvollsten Zeiten auch wieder Perioden gesehen, die einer Stärkung des Nationalgefühls nicht gerade förderlich waren.
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Das geht ihm auch heute noch nach. Und so sehen wir denn die keineswegs auffallende psychologische Erscheinung, dass fremde Einflüsse leicht geeignet sind, Herrschaft über seine Empfindung zu gewinnen und um so leichter, je mehr diese Einflüsse imstande sind, verwandte Gefühle anzuregen. So kommt es z. B., dass der Deutsche, der im tiefsten Grunde seiner Seele ein Heimathsgefühl und im engeren Sinne ein Heimstättengefühl hat, das durch das home sentiment des Engländers und Amerikaners in keiner Weise übertroffen wird, dem das Haus, das Feld, der Baum, die Mauer, die seinen Hof umzog, nach einem Worte der George Sand Dinge waren, denen er eine Art religiöser Verehrung und Werthschätzung entgegenbrachte, dass dieser Deutsche Zeiten hatte, in denen er den Gefallen an seiner eigenen Heimstätte verlor und ein scharfer Zwiespalt in den früheren Einklang zwischen dem Menschen und seinem Hause kam. Das war in den Zeiten politischen Niederganges, in denen der Blick mit fascinirter Beharrlichkeit auf die Zukunft gerichtet war, sodass Heinrich Heine im Jahre 1828 in seinen englischen Fragmenten von den Deutschen sagen konnte, sie seien ein spekulatives Volk, Ideologen, Vor- und Nachdenker, Träumer, die nur in der Vergangenheit und in der Zukunft lebten und keine Gegenwart hätten, während Engländer und Franzosen diese besässen. Begreiflich genug! Wer eine traurige Gegenwart hat. hat lieber keine oder richtet den Blick in eine freundlichere Zukunft.
Aus diesem Mangel einer Gegenwart mag es gekommen sein, dass der Deutsche das home sentiment, das immer in seiner Seele sass, etwas verloren hatte. Und als es ihm gelang, sich eine freundlichere Zukunft zu gestalten, da fehlten die natürlichen äusserlichen Bedingungen für die gleichzeitige Befriedigung des körperlichen Wohlgefühles und er blickte mit einer gewissen Begehrlichkeit nach den englischen Heimstätten hinüber, nach den Häusern, die in starkem home sentiment für ihre Besitzer Schlösser waren. Aber my house is my castle sind nur andere Worte für ein Gefühl, das der Deutsche in ebensolchem Maasse besitzt und das Thoas in Goethe’s Iphigenie auf Tauris mit den Worten kennzeichnet: „…. Der ist am glücklichsten, er sei ein König oder ein Geringer, dem in seinem Hause Wohl bereitet ist.“
Ich glaube, aus diesen Gesichtspunkten heraus ist die Entwicklung des neueren Einfamilienhauses in Deutschland zu erklären und zu verstehen, wie starke fremde Einflüsse, namentlich englische und amerikanische, nur vereinzelt solche der in ihrer Empfindungsweise von dem deutschen Gefühl grundverschiedenen romanischen Völker, Eingang finden konnten. Das prächtige, ja majestätische ihrer Behausungen sagte deutscher Empfindung weniger zu, als das englisch-amerikanische cheerful, homelike, das derselben selbst da verwandter erscheinen musste, wo es mit einem der deutschen Seele fremden gewissen krankhaften Heimweh nach der Kirche vermischt war. Denn Kirche und Haus sind beim Engländer und Amerikaner Einrichtungen, die vielfach verwandte Beziehungen haben. Seine „spiritual graces“ sind oft „born of religious beliefs and hopes“. Aus diesen Gesichtspunkten heraus ist es aber auch zu verstehen, wie die fremden Einflüsse mehr und mehr zurücktraten und das deutsche Element seine Herrschaft zu erringen trachtete. Die hier besprochene Gruppe von Beispielen enthält Beläge nach beiden Richtungen.
Ein interessantes Beispiel für das ungefähre Gleichgewicht zwischen beiden Einflüssen ist der hier zunächst mitgetheilte Entwurf des Hrn. Architekten H. Tscharmann in Leipzig für die Villa Kuhnt in Halle. Der Entwurf ist aus einem Wettbewerb hervorgegangen, dessen Bedingungen ein städtisches Wohnhaus für die Bedürfnisse einer Familie und zugleich für einen grösseren geselligen Verkehr forderten.
Das in Aussicht genommene Grundstück war ein Eckgrundstück, von dem ein Theil als freier Garten liegen bleiben sollte.
Für das Wohngebäude waren verlangt: ein geräumiger Vorraum mit Treppenhaus, ein Zimmer des Herrn mit Vorzimmer, ein Zimmer der Frau, ein Empfangs- und ein Gesellschaftssalon, ein Speisezimmer nebst Anrichteraum, ein Musiksalon, ein Saal für grössere (Gesellschaften, der sich in Verbindung mit einem Nebenraume zu kleineren Aufführungen eignen sollte, eine Halle, welche auch als Wintergarten zu benutzen war, dann Schlafzimmer, 3 Gastzimmer und eine Reihe von Nebenräumen für die Hauswirthschaft, darunter auch Stallungen mit Kutscherwohnung, also wie man sieht, ein auf grösseren geselligen Verkehr zugeschnittenes Einfamilienhaus. Die Lösung Tscharmann’s ist in den beigegebenen Illustrationen dargestellt. Die englischen Einflüsse sind unschwer zu erkennen, sie treten aber gegen die deutsche Auffassung in bemerkenswerther Weise zurück. Bei der Grundrissanlage ist versucht, unter Verzicht auf alle akademischen Axen lediglich eine dem Bedarf und dem Bauplatze angepasste Lösung zu gewinnen und zwar unter Berücksichtigung der Himmelsrichtung und mit dem Bestreben, einen möglichst geräumigen Garten übrig zu behalten. Zu der möglichst frisch und lebhaft gruppirten, besonders durch Farbe und Silhouette wirkenden Fassadenbildung wurde der Architekt durch die Ueberzeugung gedrängt, dass nur ein im schärfsten Gegensatz zu den umliegenden grossen Staatsbauten durchgebildeter Bau gegen deren grosse, glatte rothe Ziegelflächen aufkommen könne. So ist also der schöne Entwurf sowohl aus seinem inneren, wie aus den durch die Umgebung ihm auferlegten Bedingungen entstanden.
Deutsche Einfamilienhäuser.
(Fortsetzung vom 24.10.1896)
Sehr bemerkenswerthe Arbeiten aus dem Gebiete des deutschen Einfamilienhauses sind auch die von Hermann Solf und von Solf & Wichards in Berlin. Als eine gemeinsame Arbeit beider feinsinnigen Künstler kann der Entwurf zu dem Landhause R. Frommholz betrachtet werden, der aus äusserlichen Gründen nicht zur Ausführung gelangte, aber ein gut Theil persönlicher Eigenart enthält und deshalb hier wiedergegeben sein möge.
Die Grundrissgestaltung ist die einfachste und schlichteste, 4 Wohnräume und Küche im Erdgeschoss, die sich um eine Diele gruppiren, 3 Räume mit Vorraum im Dachgeschoss. Entsprechend ist der Aufbau. In seiner materiellen und künstlerischen Anspruchslosigkeit erinnert er an das grössere Bauernhaus, macht aber gleichwohl den städtischen Anforderungen einige Zugeständnisse, wie in dem Erker des Hauptgeschosses und dem halbkreisförmigen Fenster des Dachgeschosses, die aber keineswegs als städtische Zugeständnisse in der schlechteren Bedeutung dieses Wortes empfunden werden, sondern die sich durchaus innerhalb des Rahmens der Gesammtstimmung des Bauwerkes halten. Denn das ist das beste Theil des in diesem Entwurf wie in den folgenden Bauten steckenden künstlerischen Werthes, dass sich derselbe in keiner Weise aufdrängt, dass Haltung des Baues und Material jene feine Zurückhaltung erkennen lassen, welche ein Zeichen hochentwickelten Könnens und Empfindens ist, das sich nur dem Wissenden erschliesst. Die künstlerische Macht, die Absichtlichkeit der Wirkung verschwindet, es bleibt etwas, das wie die ursprüngliche Empfindung aussieht und doch nur ein Ergebniss geläutertster Kunstübung ist.
Das bezieht sich auch auf das Landhaus Kalisch-Lehmann in Grunewald bei Berlin. Das Haus ist im Jahre 1890 nach der Bauordnung für das platte Land erbaut worden und besteht aus einem Kellergeschoss, einem Erd-, Ober- und Dachgeschoss. Die Anordnung des Grundrisses ist wieder die schlichteste. In dem im Lichten 2,6 m hohen Kellergeschoss mit Balkendecke befinden sich zwei Stuben und Badezimmer für Dienstboten sowie Vorrathsräume; das im Lichten 3,60 m hohe Erdgeschoss, das 1,80 m über Gelände liegt, enthält Vorraum, Diele, Salon, Esszimmer, Veranda und Küche, das 3,10 m hohe Obergeschoss Diele, zwei Schlafzimmer, ein Spindenzimmer, 1 Fremdenzimmer und das Bad. Das Dachgeschoss mit seiner entsprechenden Erkerausbildung enthält ein grosses Arbeitszimmer für den Hausherrn und 2 kleinere Zimmer. Die Aussengestaltung ist die schlichteste, sie trägt der Ortsstimmung weitgehendste Rechnung. Der Sockel ist aus Rathenower Backsteinen mit weissen Fugen gemauert, seine Abdeckung erfolgte durch glasirte Nasensteine.
Die Einfassungen der Fenster bestehen aus weissem Cottaer Sandstein, die Mauerflächen tragen Mörtelputz. Die architektonische Gliederung des Hauptgesimses und der Dachtheile besteht aus Holz. Giebel, Thürmchen und Erker sind mit Schindeln aus amerikanischem Cypressholz bekleidet, das Dach ist mit braunglasirten Falzziereln aus der Fabrik von Ludovici gedeckt.
Der schlichten Ausbildung des Aeusseren entspricht das Innere. Der Salon und das Speisezimmer haben Stabfussboden erhalten; die Wände der Haupträume sind theils mit Oelfarbe, theils mit Leimfarbe gemalt, die Panneele bestehen aus Matte oder Ledertapete. Die Diele hat an Wänden und Decke Holzvertäfelung erhalten. Für die Treppe wurden alte eichene geschnitzte Lübecker Traillen verwendet. Decken, Wände und Thüren haben Freihandmalerei erhalten. Die Verwendung von Stuck war ausgeschlossen; wo Gesimse angebracht sind, da sind sie aus Holz. Die Thüren sind theils einfache Flügelthüren, theils Schiebethüren. Die Haupträume haben einen farbigen Schmuck durch Kachelöfen mit amerikanischem Kamineinsatz erhalten,
Das Haus Kalisch-Lehmann ist ein Landhaus in des Wortes bester Bedeutung. Mehr dem städtischen Charakter neigt sich das gleichfalls von Hermann Solf am Johannaplatz im Grunewald errichtete Landhaus Arons zu. Es ist in den Jahren 1890/91 nach der Bauordnung für das platte Land erbaut und besteht aus Keller-, Erd-, Ober- und Dachgeschoss. Die Grundrissgruppirung ist eine etwas reichere, als bei den vorher besprochenen beiden Werken, Das im Lichten 2,70 m hohe Kellergeschoss enthält einen geräumigen Flur, Küche, Speisekammer, Vorrathsräume, Waschküche, Raum für eine Niederdruck-Dampfheizung und 3 Dienstbotenzimmer. Das 4,05 m hohe Erdgeschoss enthält Vorraum, Diele, Anrichteraum, Speisezimmer, Wohnzimmer, Salon, ein Zimmer des Herrn und einen kleinen Wintergarten; das 3,40 m hohe Obergeschoss Diele, 6 Wohn- und Schlafzimmer und ein Badezimmer. Das Dachgeschoss hat zwei grössere und zwei kleinere Zimmer ergeben. Die Aussengestaltung ist durch Giebelaufbauten, Thürmchen, offene und bedeckte Veranden und Erker auf allen Seiten des Hauses eine lebhafte und malerisch gruppirte geworden. Im Sockel bestehen die Flächen und Fenstergewände aus weissen Steinzeugverblendern. Ueber dem Sockel sind sämmtliche Architekturtheile, soweit nicht Holz infrage kommt, aus rothem Göttinger Sandstein erstellt, die Flächen in naturfarbigem Mörtel geputzt. Das Eckthürmcehen, sowie der Nordgiebel haben durch Bildhauer Gieseke al fresco modellirte Mörtelverzierungen erhalten. Wo die Giebel, Erker usw. das Gesims frei gelassen haben, da ist dasselbe als übertretendes Sparrengesims ausgebildet worden. Einzelne Theile das Dachgeschosses sind als sichtbares Fachwerk hergestellt; das Dach wurde nach deutscher Art mit kleinen Schiefern gedeckt.
Auch das Innere ist entsprechend der reicheren Aussengestaltung reicher gehalten. Stuckornament und Malerei treten in ihre Rechte; das Speisezimmer hat eichene Panneele erhalten usw. Die Räume werden durch eine Niederdruck-Dampfheizung erwärmt; in den Haupträumen des Erdgeschosses stehen ausserdem Kamine für offenes Feuer.
Leider hat der schöne Bau durch unverstandene Aenderungen eine Einbusse an seiner ursprünglichen Wirkung erlitten.
Deutsche Einfamilienhäuser.
(Fortsetzung vom 14.11.1896)
Eine vertiefte Pflege, im Sinne englischer Vorbilder vorwiegend, findet der Bau des deutschen Einfamilienhauses durch den kgl. Brth. Otto March in Charlottenburg. In einer Reihe ausgezeichneter Bauten dieser Art, welche über die verschiedensten Gegenden Deutschlands zerstreut sind, ist der Grundsatz einer Verinnerlichung der Wohnungseinrichtung durch intime Ausgestaltung des Grundrisses und durch findige Ausnutzung aller sich ergebenden Hohlräume des Aufbaues zu verwirklichen versucht, ein Versuch, der durchgehends auch erreicht ist. Parallel hierzu geht eine künstlerische Ausstattung des Aeusseren und Inneren, die ein starkes individuelles Gepräge im Sinne des Zuschnittes auf den jeweiligen Bauherrn besitzt und sich von der üblichen Schablone in derselben weiten Weise entfernt, wie die Gesammtauffassung das deutschen Familienhauses des Künstlers. In dieser Gesammtauffassung, die einer ausgesprochen deutsch empfindenden Seele entspringt, ist es auch begründet, dass das von dem Künstler gestaltete Familienhaus trotz aller fremden Einflüsse, doch im wesentlichen deutschen Charakter sich bewahrt hat. Das mag einmal daher kommen, dass in der fremden Erscheinung das vorwiegend deutsche Element herausgegriffen ist, und dass andererseits, wenn dieses eine starke Anglisirung z. B. erfahren hat, eine Rückbildung im deutschen Sinne versucht wird.
Ein Beispiel hierfür ist unter anderem das Haus des Hrn. Rechtsanwalts W. Lohe in der Kanalstrasse in Düsseldorf, welches in den Jahren 1893-94 erbaut wurde. Es ist ein eingebautes Wohnhaus für eine Familie, das in dem hohen Untergeschoss Geschäfts- und Schreibstuben des Besitzers, Dienerzimmer, Küchenräume usw. enthält, während das Hauptgeschoss die üblichen Räume, wie Diele, Speisezimmer mit Anrichte, Zimmer des Herrn mit Bücherei und Zimmer der Frau aufnimmt.
Der sogenannte Salon fehlt. Das Obergeschoss enthält Wohnzimmer, Schlafzimmer, 2 Gastzimmer, ein Schrankzimmer und Nebenräume, das Dachgeschoss eine Malstube, Mägdekammern und ausgiebige Nebenräume. Die Raumeintheilung ist eine gedrängte und glückliche.
Von der Gestaltung des Aeusseren giebt die beigefügte Skizze ein ungefähres Bild. Die Formen sind ein Gemisch englischer und niederländischer bezw. belgischer Einflüsse. Die Architekturtheile bestehen aus gelblichem Pfälzer Sandstein, die Flächen aus rothen Verblendsteinen. Der breite Fries oberhalb des zweiten Geschosses ist nach den Modellen von Zeyer & Drechsler in Berlin in französischem Kalkstein gemeisselt. Die Ausführung der Steinhauerarbeiten hatte die Firma Ph. Holzmann & Co, in Berlin, die der Maurerarbeiten die Firma Mühlenkamp & Bender in Düsseldorf übernommen. Von dem das gewöhnliche Durchschnittsmaass übersteigenden künstlerischen Aufwand des Innern gewähren die beiden Skizzen eine zutreffende Anschauung. Die Arbeiten des inneren Ausbaues waren in der Hauptsache Berliner Firmen anvertraut. Die Baukosten betrugen, auf die Flächeneinheit bezogen, 380 M.
Deutsche Einfamilienhäuser.
(Fortsetzung vom 28.11.1896)
Ein zweites Beispiel für die Ausführungen ist das Landhaus des Hrn. Fritz Vorster bei Köln a. Rh.
Wenn in der Gestaltung desselben englische Erinnerungen in höherem Maasse wiederkehren, als z. B. in Haus Lohe in Düsseldorf, so entspricht dies einem Wunsche des Bauherrn, der längere Zeit in England lebte und in der künstlerischen und praktischen Behandlung des dortigen Wohnhausbaues Vorzüge fand, die er auf die eigene Wohnung übertragen liess.
Also zugleich wieder der persönliche Zuschnitt. In der Raum-Anordnung indessen sind der deutschen Lebensgewohnheit doch ihre berechtigten Eigenthümlichkeiten gewahrt, denn die Diele, die hier eine ausgesprochene Ausbildung erfahren hat, ist bekanntlich keine englische Erfindung.
Das Haus baut sich nach den Abbildungen in zwei Geschossen auf; ein Dachgeschoss ist zu bewohnbaren Räumen nur so weit ausgenutzt, als einzelne Giebelaufbauten dies gestatteten. Die Gruppirung der Räume ist eine zentrale mit der Diele als Mittelpunkt; der Himmelsrichtung ist Rechnung getragen, die Küche mit Nebenräumen nach Nordosten verlegt.
Im Aeusseren spielt die rothe Farbe des Thones in ihrer Zusammenwirkung mit einem landschaftlichen Hintergrund eine herrschende Rolle: roth sind die Fassadenflächen, roth sind auch die stattlichen, zur künstlerischen Mitwirkung berufenen Dachflächen. Licht sind die Architekturtheile und namentlich die plastischen Ornamentflächen der Giebel. Im übrigen: keine sklavische Axenanordnung, keine Symmetrie, sondern Gestalten aus dem Bedürfniss in Grundriss und Aufbau.
Dieses, gegenüber der Grundriss-Entwicklung unseres deutschen Wohnhauses, wie sie noch vor 20 Jahren und später geübt wurde, in hohem Maasse von einem Fortschritt in der Lebenshaltung zeugende Bestreben, zu welchem, das ist unleugbar, die englischen Vorbilder den Anstoss gegeben haben, kommt auch in dem von demselben Künstler erbauten Wohnhause des Hrn. Dr. Kolbe in Radebeul bei Dresden zur Erscheinung und zwar neben einem im übrigen ausgesprochenen deutschen Charakter. Die Grundriss-Entwicklung dieses gleichfalls vollkommen frei liegenden Wohnhauses deutet auf eine ähnliche Lebensführung hin, wie sie der Gestaltung des Hauses Vorster zugrunde lag. Eine zentrale Anordnung der Räume um eine Halle ist auch hier das beherrschende Moment des Grundrisses und ihre zwanglose Gestaltung und Abmessung die gegebene Grundlage für den freien, malerischen Aufbau. Die Anlage ist wiederum zweigeschossig und im Dachgeschoss gleichfalls nur da ausgenützt, wo Giebelaufbauten dies gestatteten.
Der Bau ist ein Ziegelfugenbau mit Verwendung von Sandstein für die architektonische Gliederung. Im übrigen entheben die beigegebenen Abbildungen, die ein zum Verständniss ausreichendes Bild des Aeusseren sowie namentlich auch des Charakters der inneren Ausstattung geben, von einer weiteren Beschreibung. Wohnlichkeit, physisch und psychisch genommen, ist hier wie dort das bewegende Grundmotiv.
Es wurde schon eingangs dieses Aufsatzes erwähnt, dass die in demselben vorgeführten Beispiele ihre Gruppirung lediglich dem Zufall, also einem äusserlichen Moment verdanken und dass der Verfasser keineswegs beabsichtigt, mit der Vorführung derselben einer ausgesprochenen Richtung zu huldigen. Wer die Bewegung im modernen Wohnhausbau verfolgt, kann vielleicht zu der Meinung kommen, dass die Heraushebung einer besonderen Richtung beabsichtigt sei.
Der Anglo-Amerikanismus hat bei uns gerade auf diesem Gebiete einen, fast wäre man versucht zu sagen bedrohlichen Umfang angenommen und sich weite Gebiete unterworfen.
Bedrohlich jedenfalls in dem Sinne, als er ein wesentliches Hinderniss für die Werthschätzung heimischer deutscher Bauweise gewesen ist. Damit soll keineswegs gesagt sein, dass nur die eine oder nur die andere Richtung eine Daseinsberechtigung hat. Man braucht seine nationale Gesinnung und Empfindung nicht zu verleugnen, wenn man dem Grundsatz huldigt, das Gute und Beste da zu nehmen, wo man es findet; das erstarkte Nationalbewusstsein, die Forderungen der heimischen Umwelt und das Nationalempfinden, das die härtesten Zeiten überdauert hat und durch keine, auch die stärksten Einflüsse nicht, zu unterdrücken ist, sorgen schon dafür, dass Art zu Art kommt. Erleichtertes Vordringen aber würde diesem Grundsatz verschafft, wenn es mehr als bisher gelungen wäre, deutscher Art vergangener Zeiten zu Verständniss und natürlichem Rechte zu verhelfen.
Dazu bedarf es freilich der Bekämpfung und Beseitigung immer noch weitverbreiteter Märchenanschauungen über die deutsche Vergangenheit. Wer es unternimmt, mit muthiger Selbstentäusserung durch den blind zusammengetragenen Verhau vorgefasster Meinungen und falscher Ueberlieferungen, mangelnder Kenntniss und strafbarer Flachheit und zugleich mit reiner, uneigennütziger Seele, aber angefeuert durch festen Willen und die Forderungen des deutschen Blutes, in die deutsche Vergangenheit vorzudringen, der wird ein Kunstleben entdecken so reich und so tief, dass ihm alle fremden Anleihen unserer kenntnissreichen Gegenwart dagegen erscheinen wie der Papierschein, der das Goldstück ersetzen muss. Glücklicherweise mehren sich die Anzeichen, dass wir aus diesem betrübenden Zustande einer Fremdherrschaft, die allerdings leider nicht die erste in deutschen Landen ist, zugunsten einer deutschen Herrschaft herauszukommen suchen. Es wäre doch auch eine merkwürdige Anomalie der Kulturgeschichte, wenn eine Vergangenheit, die reicher ist als die Vergangenheit von Völkern, die im modernen Kulturleben eine entscheidende Rolle spielen und dies nur können, weil sie sich mit Bewusstsein und mit Stolz auf ihre Vergangenheit zurückwenden, die Zeiten gesehen hat, in welcher deutsche Kultur über die ganze damals bekannte Erde ausstrahlte, wenn diese Vergangenheit nicht eine nationale Nachwirkung auszuüben vermöchte, ohne dass dadurch die Rechte der Gegenwart verkümmert zu werden brauchten. An der Vergangenheit liegt es also nicht, an wem denn aber sonst?
Diese Artikelserie erschien zuerst am 17. & 24.10.1896, sowie am 14. & 28.11.1896 in der Deutsche Bauzeitung, sie war gekennzeichnet mit „-H.-“.