Zebras und Zebroide

Von Dr. L. Heck, Direktor des Berliner Zoologischen Gartens. Die schwarz und weiß gestreiften, wie künstlich angestrichenen Zebras gehören seit Bestehen der Zoologischen Gärten zu ihren meist bestaunten Schaustücken, zumal sie immer für unzähmbar wilde Tiere galten, die trotzigen Mutes selbst mit dem Löwen anbinden, wenn er an einem der Ihren sich vergriff.

Erst in unsern Tagen ist man auf den Gedanken gekommen, zu versuchen, ob man sie nicht am Ende doch nutzbar verwenden, ein klima- und seuchenfestes Reit- und Zugtier für das tropische Afrika herauszüchten könne. Das giebt heute dem Zebra wenigstens die Möglichkeit einer gewissen praktischen Bedeutung und erhöht noch unser Interesse für die an sich schon so eigenartig schönen Tiere.

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Der von dem römischen Kaiser Caracalla im Zirkus getötete Hippotigris (Tigerpferd), der von dieser afrikanischen Wildpferdgruppe durch den Geschichtsschreiber Dio Cassius der europäischen Kulturwelt die erste Kunde brachte, muß wohl ein Grevys-Zebra (Edquusgreyyi A. M.-E.) gewesen sein; denn dieses ist die nördlichste Art, im inneren Somaliland (Gallaland) und Südabessinien (Schoa) zu Hause, also von Süden her bis ins Nilgebiet reichend, wohin sich ja andrerseits wieder über Aegypten die Verbindungen des römischen Weltreichs ausdehnten.

Zugerittenes Zebra der Kilimandscharogesellschaft
Bastardzebra zwischen Berg- und Chapmanns Zebra
Zugerittenes Zebroid Falz-Feinischer Zucht

In der Neuzeit wurde Grevys Zebra sozusagen von neuem entdeckt durch ein Geschenk des abessinischen Negus Menelik an den Präsidenten der französischen Republik, nach dem dann Milne-Edwards vom Pariser Museum für Naturkunde die Art benannte. später spaltete man diese noch in zwei, indem man von dem eigentlichen schwarzschwänzigen Grevyschen das weißschwänzige Fauresche Zebra aus dem Hawaschgebiet abtrennte auf Grund eines weiteren Exemplars, das unter Faures Regierung nach Paris kam. Beiden Arten (oder geographischen Formen dergleichen Art, wie man will) ist die dichte, enge Streifung des ganzen Körpers gemeinsam, die namentlich auf den Läufen und dem Kreuz sehr schmal und fein ist und an letzterer Stelle zu beiden Seiten des breiten schwarzen Rückenstreifens ein weißes Feld frei lässt.

Faures Zebra ist es, das auf unserm Bild mein Kollege Porte vom Jardin d’acclimatation bestiegen hat, um seine Zahmheit zu zeigen. Ehe verblüffende Aufnahme: der Pariser im Gehrock, weißer Binde und Zylinder auf dem innerabessinischen Tigerpferd. Thatsächlich setzte dieses schöne Tier, das ich auch lebend gesehen habe, durch seine außerordentliche Zahmheit und Sanftmut in Erstaunen; es stand im Stall, wurde behandelt wie irgendein Pony und konnte allerdings zu Zebrazähmungsversuchen allen Mut machen. Es bleibt nun abzuwarten, ob weitere Exemplare – solche sind bis jetzt nicht nach Europa gekommen – ebenso gut artig sein werden, und ob die ruhige Duldung von Sattel und Geschirr sich wirklich umsetzen läßt in ernsthafte, lebenslängliche Arbeit unter dem Reiter und vor dem Wagen.

Systemansche, groß angelegte Versuche im Einfangen, Zähmen, Zureiten und Einfahren von Zebras macht ja zur Zeit die Kilimandscharo-Handels- und Landwirtschaftsgesellschaft auf ihrem bezeichnend und verheißungsvoll „Trakehnen“ genannten Zebragestüt in der Massaisteppe Deutschostafrikas, und nach den Berichten ihres Vertreters F. v. Bronsart, des Leiter der Versuche, mit überraschendem Erfolg. Die Augenblicksaufnahmen, die der Genannte eingesandt hat, erlauben keinen Zweifel mehr, daß selbst ausgewachsene Zebras, alte Hengste des in Deutschostafrika heimischen Böhms-Zebras (E. boehmi Mtsch), von unserm Museumskustos Matschie dem leider zu früh verstorbenen Afrikareisenden Böhm zu Ehren genannt, durch vorsichtiges Training in kurzer Zeit dazu gebracht werden können, ruhig und fromm Geschirr und Reiter zu dulden. v. Bronsart hat als alter, für Jagd und Tierwelt passionierter „Afrikaner“ offenbar ein ganz besonderes Geschick, mit Aufgebot von Hunderten gut geschulter, eingeborener Treiber Zebraherden einzukreisen und langsam in große, mit Dornhecken eingezäunte Fangkrale zu „drücken“, aus denen sie erst in Einzellaufplätze und dann in Stallboxen gelangen.

Zebroide Falz-Feinischer Zucht

So an das Gefangenleben im engen Raum und den Umgang mit dem Menschen gewöhnt sind sie schließlich nach v. Bronsarts eingehenden Schilderungen nicht schwieriger zuzureiten und einzufahren als die „rohen“ Zwei· und Vierjährigen unter unsern Pferden auch. Sechs Stück solcher Böhms-Zebras aus dem deutschostafrikanischen Trakehnen sind mit einer Tierlieferung der Kilimandscharo-Handels- und Landwirtschaftsgesellschaft kürzlich zu dem bekannten Hamburger Tierhändler Hagenbeck gekommen; ich habe sie dort gesehen, mir einen Hengst ausgesucht und gehört, daß vier davon Kommissionsrat Busch gekauft hat, um sie für seinen Zirkus zu dressieren.

Das hat schon Eduard Wulff mit dem von Reiche-Alfeld regelmäßig eingeführten Transvaalzebra (B. Chapmanni Layard) aus dem Gebiet zwischen Limpopo- und Zambesifluß unternommen und längere Zeit durchgeführt; dann aber gab er es auf, weil ihm die Tiere durch Bösartigkeit und Widerspenstigkeit zu unbequem wurden und im Verhältnis zu diesen Schwierigkeiten und Gefahren die Nummer zu wenig Effekt beim Publikum machte. Günstiger urteilt der Dresseur Philadelphia und der schwedische Menageriebesitzer Scholz, der in seinem Menageriezirkus jetzt eine einzelne Zebrastute als Freiheits-, Spring· und Apportierpferd vorführt, sie einen Revolver abschießen und zuletzt im Feuerregen stehen läßt.

Daß auch Chapmanns-Zebras vollkommen zahm werden können, wie Haustiere, ist außer aller Frage; sie müssen nur von „guten Hirten“ in entsprechender Umgebung entsprechend behandelt werden, d. h. einerseits eine gewisse Freiheit, womöglich auf der Weide, genießen, andrerseits aber auch die fürsorgliche und pflegerische Herrschaft der Menschen fühlen. So habe ich sie im vorigen Herbst m Ascania Nova gesehen, dem Tiereldorado meines Freundes Falz-Fein, der sich dort mit Straußen, Zebras und Antilopen ein Stück innerafrikanischen Tierlebens auf seine südrussische Steppe gezaubert hat. Die Stute ging mit mongolischen Urwildpferden – Falz-Fein hat die ersten dieser hochinteressanten Tiere lebend eingeführt – mit Halbblütern von solchen und einem Kulan (gelbem asiatischem Wildesel) ganz frei auf der Weide unter Obhut eines berittenen Hirtenjungen, der aber meistenteils gar nicht im Sattel saß, sondern ganz behaglich bei seinen Schützlingen schlafend im Gras lag: so wenig Aufsicht war nötig! Der Hengst hat auf die eingezäunte „Tiersteppe“ gebracht werden müssen, wo auf 400 Morgen die Strauße und Antilopen laufen; aber nicht etwa, weil er bösartig und gefährlich geworden wäre, sondern nur, weil er derart verliebt in Pferdestuten ist, daß er laut wiehernd hinter jedem Guts- und Bauernfuhrwerk herrennt, so daß die Pferdescheu werden und den Menschen ein „Heidenschreck“ in die Glieder fährt. Manch frommes russisches Bäuerlein mag gedacht haben, der leibhaftige Gottseibeiuns sei hinter ihm und sein letztes Stündlein habe geschlagen, wenn das schwarzweiß gestreifte Pferdeungeheuer mit seinem eigenartigen, kurz abgebrochenen Wiehern herangetrabt kam. Diese Vorliebe für fremde Weiblichkeit bei dem Falz-Feinschen Zebrahengst hatte übrigens eine geradezu tragische Schattenseite in einer feindlichen Abneigung gegen die eigene Stute: er biß sie eines Tags tot.

Ponystute mit Zebroid Ewardscher Zucht
Bergzebra mit Zebroidfohlen im Berliner Zoologischen Garten

Sonst ist aber seine Pferdeliebe gut ausgenutzt worden und hat schöne Früchte getragen in Gestalt prächtiger Zebroidenmischlinge mit Pferden. Falz-Fein hat als erfahrener Großzüchter diese Zebroidenfrage ganz umfassend in Angriff genommen und kann heute schon alle möglichen Zebra-Pferdemischlinge vorführen. So stammt der erste von links auf Abb. S. 1741 vom Zebrahengst und einer gelblichweißen Bauernstute, der folgende umgekehrt von einem gelblichweißen Bauernhengst und der Zebrastute, der dritte von einem Vollblut-Araberhengst und der Zebrastute und der vierte vom Zebrahengst und einer besseren Zuchtstute mit ziemlich viel englischem Blut. Beim Einfahren und Zureiten, das ich selbst zum Teil mitgemacht habe, war auch deutlich zu beobachten, wie sich das edlere Pferdeblut in besserem Körperbau und besserer Gemütsart der Mischlinge geltend macht. Ein Fingerzeig für etwaige Zebroidzüchtung zu wirklichen Nutzzwecken.

Vom fachwissenschaftlichen Standpunkt aus hat sich der Edinburger Professor Ewart lange Jahre mit der Zebroidenzucht beschäftigt und seine wertvollen Erfahrungen und Beobachtungen in mehreren bedeutsamen Werken niedergelegt, in denen er die verschiedensten Fragen der Pferdezucht und der Haustierzucht überhaupt neu beleuchtet. Er scheint mit seinen Versuchen jetzt zu einem gewissen Abschluß gekommen zu sein, hat wenigstens seinen berühmten Zebrazuchthengst Matopo an Hagenbeck verkauft, der ihn an den Fürsten Hohenlohe-Oehringen weitergeben wird. Genannter Standesherr will sich jetzt ebenfalls dankenswerterweise der Zebroidenzucht widmen. Das Ewartsche Zebroid Mulatto, gezogen mit einer edlen englischen Ponystute, besitzt jetzt König Eduard VII.

Fauresches Zebra im Pariser Jardin d’accilimatation

Mir selbst ist es gelungen, im Berliner Zoologischen Garten ein ebenso schönes wie seltenes Zebroid zu züchten, nämlich einen Maulesel von einem falben (gelben, schwarzmähnigen) Shetlandponyhengst und einer Bergzebrastute (E. zebra L.), jener südlichsten, kapischen Zebraart, die, bis dahin nur noch in einigen letzten Resten geschont, jetzt durch den Krieg vielleicht ganz vom Erdboden verschwunden ist; sie zeichnet sich durch eselartige Gestalt und starke, enge, über den ganzen Körper bis an die Hufe reichende Streifung aus. Bei dieser Gelegenheit mag bemerkt werden, daß die Zebras, so eigenartig sie im Leben erscheinen, im Skelett und Gebiß nicht von den grauen Wildeseln zu unterscheiden sind, mit denen sie die Heimat Afrika teilen; sie bilden also mit diesen offenbar eine enger zusammengehörige Gruppe der afrikanischen Wildpferde, und man ist um so mehr berechtigt, einen Pferdemischling mit einer Zebrastute als Maulesel zu bezeichnen, da der Maulesel im genaueren naturgeschichtlichen Sinn ja das Kind von Pferdehengst und Eselstute ist. Er wird mit unserm Hausesel im Gegensatz zu dem umgekehrten Mischling, dem Maultier, der das Hauptnutztier ganzer Länder und Erdteile ist, kaum gezüchtet; verbürgt sind mir nur zwei Stück, die der Altmeister unserer wissenschaftlichen Tierzucht, Kühn-Halle, im dortigen landwirtschaftlichen Institut gezüchtet hat.

Dieser Bergzebra-Maulesel hat auf der Abbildung noch das wollige Fohlenkleid; jetzt ist er glatt und glänzend, gold-gelb vom Vater, mit den schwarzen Streifen über den ganzen Körper von der Mutter – ein prachtvolles Tier! – und wird von unserm Inspektor Havemaun seit einiger Zeit mit der ihm eigenen Geduld und Geschicklichkeit darauf eingeübt, Mitglied unserer Reitkarawane für die Kinder zu werden. Von seinen körperlichen Eigenschaften kann man sagen. daß er plötzlich zu ganz unglaublicher Kraftentfaltung fähig ist und solche auch immer noch manchmal übt im Zusammenhang mit seiner geistigen Eigenart, der nichts von Bösartigkeit, wohl aber eine gewisse Schreckhaftigkeit anhaftet.

Schließlich hat man auch schon Mischlinge zwischen verschiedenen Zebraarten gezogen. Von den geographisch benachbarten Formen, die hintereinander in unsere zoologischen Gärten kamen, je nachdem die Entvölkerung Südafrikas von Tieren durch Buren und Engländer vor sich ging, sind sie oft schwer als solche anzusprechen; als recht charakteristische Zwischenform dagegen erschien mir der abgebildete Bastard zwischen Chapmanns- und Bergzebra, den ich neulich in Hagenbecks Stellinger Tierpark sah, weil in ihm das Eselartige des Bergzebras so deutlich zum Vorschein kommt.

Eingefahrenes Zebra aus Falz-Feinischer Zucht
Eduard Wulff mit seinem dressierten Zebras

Was ist nun über wirklich nutzbare Verwendung von Zebras und Zebroiden zu sagen? Ueber ihre Leistungsfãhigkeit, die hier, und über ihre Unempfänglichkeit gegen Seuchen und Blutschmarotzer, die in Afrika selbst zunächst das Wichtigste ist? Warum Zebramaultiere nicht ebenso leistungsfähig sein sollen, wie gewöhnliche Eselmaultiere, ist durchaus nicht einzusehen; denn der Zebrahengst, ihr Vater, ist in der Regel stärker und besser gebaut als der Eselhengst, und er teilt mit ihm den einzigen Fehler, den er im Sinn der Arbeitsfãhigkeit etwa hat, die weichen und dünnen Fesseln. Das Klima spielt so gut wie gar keine Rolle; ich lasse unsere Zebras, wenn es nicht gerade den ganzen Tag regnet oder schneit, schon seit Jahren auch im Winter täglich ins Freie.

Dagegen haben sich die Zebroide in der Widerstandsfähigkeit gegen Blutschmarotzer, namentlich das böse, aalartig im Blut sich dahinschlängelnde Trypanosoma der Thetsekrankheit, leider nicht bewährt. Drei Zebroide, die Ewart zu Ansteckungsversuchen an Kanthack, Durham und Blandford hergab, gingen an der Krankheit ebenso schnell und unter den gleichen Erscheinungen ein wie Pferde.

Zahme Zebras im falz-feinischen Tierpark zu Ascania Nova

Wie verhalten sich nun die reinblütigen Zebras gegen Thetse? Das ist natürlich die wichtigste, die grundlegende Vorfrage für alle die neuerlichen Bestrebungen, die auf Schaffung eines seuchenfesten Reit- und Arbeitstiers in unsern Kolonien abzielen. Hier kann uns einen Fingerzeig jener erste oben schon genannte Transport deutschostafrikanischer Zebras geben, die jüngst in Hamburg angekommen sind. Diese Tiere sind durch Englischostafrika mit der Ugandabahn über Mombassa ausgeführt worden, also sicher durch Thetsegebiete gekommen, und ich machte daher gleich die Aerzte des Tropenhygienischen Instituts in Hamburg auf diese seltene Gelegenheit aufmerksam. Es wurden auch kleine Blutproben aus einem Ohrritz entnommen, aber keine Thetseparasiten gefunden; ebensowenig bei einem Hengst des Transports der inzwischen in den Besitz unseres Gartens überging und vom Kochschen Institut aus untersucht wurde. Man kann also annehmen, daß die Zebras thatsächlich thetsefest sind. Der exakte Beweis würde allerdings erst durch das Experiment geliefert werden, daß wiederholte, planmäßige Einspritzungen vom Blut eines thetsekranken Tiers in ein Zebra resultatlos verliefen, ohne bei diesem die Thetsekrankheit zu erzeugen. Wer will aber bei solchem unbändigen, bissigen Tier, wie es das Zebra im Zoologischen Garten gewöhnlich ist, dieses Experiment machen? Und wer wird solch wertvolles Stück dazu hergeben? Es müßte bei der Kilimandscharogesellschaft an Ort und Stelle gemacht werden, wo der Bestand (achtzig Stück) groß und der Wert zunächst noch gering ist!

Dieser Artikel erschien zuerst am 13.09.1902 in Die Woche.