Zur Freilegung des Kölner Domes

(Denkschrift der „Vereinigung von Privat-Architekten- in Köln a. Rh.“)
Wer die vor kurzem angebrachten Merkzeichen zur Beurtheilung der Höhe der Bahnhofs Anlagen betrachtet und yon der Plangestaltung des neuen Zentralbahnhofs genügend Kenntniss genommen hat, wird zu der Ueberzeugung gelangt sein, dass wohl in Zukunft die Nordansicht des Domes vom neuen Balınhofs-Vorplatze aus in vortheilhafterer Weise als bisher zur Geltung kommen, dass jene aber auch durch das bedenkliche Näherrücken der Eisenbahn-Anlagen wesentliche Einbusse erleiden wird.

Um so dringlicher dürfte eine nochmalige genaue Prüfung derjenigen, theils im Projekt befindlichen, theils bereits für die Ausführung bestimmten Anlagen sein, welche eine günstige Ansicht des Domes von der Süd- und Westseite ermöglichen sollen, um so mehr auch, als es sich um bedeutende Kostenbeträge handelt und Dasjenige, was ausgeführt wird, für lange Zeiten bestehen bleiben soll.

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Neben dem sogenannten Stübben’schen Plane zur Freilegung der Südseite ist bezüglich der Westansicht das sogenannte Heimann’sche Projekt. welches als der Anfang des sogenannten Kaaf’schen mit der Kaiserstrasse betrachtet werden kann, zur Annahme empfohlen und durch die weiter bewilligten drei Dombau-Lotterien, für welche die Bedürfnissfrage noch nachzuweisen ist, für die Ausführung gesichert. Alle Projekte können unzweifelhaft als gute Anfänge für die Ausführung weiter gehender Pläne betrachtet werden, gleichviel in welcher Zeit dieselben zur Wirklichkeit werden. Wenn aber damit die Mehrzahl der seither aufgetretenen Projekte in das Gebiet der Berathung gezogen ist, so ist es geradezu unverständlich, dass eins der ältesten, das sogen. Philipp’sche, welches auf eine Umgestaltung des ganzen Blockes zwischen „Wallrafsplatz“ und „Domhof“ hinzielte, scheinbar ganz bei Seite gelegt ist.

Jedermann, der aus den Hauptverkehrs-Strassen Kölns, der Hohestrasse oder dem Museumsplatze, auf den „Wallrafsplatz“ tritt, wird unwillkürlich seine Blicke dem erhabenen Kunstdenkmale zuwenden und sich von da aus eine freie perspektivische Ansicht wünschen; hat doch der verstorbene Maler Professor Conrad, dem wir das im Vatikan befindliche grosse Bild vom Kölner Dom verdanken, gerade diesen Standpunkt nach langen Studien ausgewählt, ein Standpunkt, der nicht gesucht zu werden braucht, der täglich von Tausenden, die den Dom oder Bahnhof aufsuchen, oder sich nach dem Norden der Stadt begeben wollen, betreten werden muss. Ein Blick von dort aus wird die Ueberzeugung hervor rufen, dass es wohlbegründet ist, hierfür eine entsprechende Erweiterung und Aenderung des Stübben’schen Projektes eintreten zu lassen. Wir wollen eine solche aber keineswegs in einem grossen Maassstabe empfehlen, da alle Freilegungen ihre bestimmten Grenzen haben und der grosse Platz vor dem Mailänder Dom beispielsweise den Beweis liefert, dass man leicht zu weit gehen kann, und lediglich nur eine geschickte Umgestaltung des Blockes zwischen „Wallrafsplatz“ und „Domhof“, insbesondere eine andere als die geplante, als zweckmässig und wünschenswerth bezeichnen. Wenn auch dabei ein Theil des Grundstückes am Wallrafsplatz freigelegt werden und bleiben müsste, so kann nach Osten hin an Bauplätzen wieder gewonnen werden, so dass die Mehrkosten gegenüber dem Stübben’schen Projekt sich auf höchstens 5- 600 000 M. belaufen werden. Wir verkennen keineswegs die Schwierigkeiten, welche das Zustandekommen des genannten Projektes gemacht hat, sind uns aber anderseits auch der Art der Entstehung und Förderung dieses Projektes bewusst und halten es für keine Unmöglichkeit, dass eine zweckmässige und vernünftige Abänderung und Erweiterung desselben bei einigem guten Willen herbei geführt werden kann. Handelt es sich doch, wie gesagt um grosse Ausführungskosten und eine dieser Summe entsprechende Verantwortung seitens derjenigen, welche das letzte Wort zu reden haben.

Was das Bild des Domes vom „Wallrafsplatz“ aus gesehen besonders günstig machen wird, ist auch der Umstand, das: bei dem grossartigen perspektivischen Blick, die nahe liegende Gebäude einen Maassstab für die Grossartigkeit des Denkmal abgeben werden und man gleichzeitig entsprechende grosse ziemlich horizontale und geordnete Plätze bei der Ausführung der erforderlichen Anlagen erhält, auf denen sich die Verkehrswege so bequem anordnen lassen, dass die nöthigen geschützte Ruheplätze für die Betrachtung des Domes übrig bleiben.

Die Freilegung des Kölner Doms

Wir haben die Idee des von uns vertretenen Projektes in einer Skizze niedergelegt und hegen die feste Ueberzeugun; dass diejenigen Domfreunde, welche eine geschickte Freilegung ohne Nebenabsichten wirklich von Herzen wünschen, keine Müh und Arbeit scheuen werden, sie herbei zu führen.

[Die hier mitgetheilte Denkschrift ist seitens der Vereinigung von Kölner Privat-Architekten den bei der Angelegenheit betheiligten Behörden mit der Bitte tiberreicht worden, d-n in derselben enthaltenen Gedanken, soweit dies noch in den Grenzen der Möglichkeit liegt, Förderung angedeihın lassen zu wollen. Auch sind die entsprechenden Schritte geschehen, um den Vorschlag zur Kenntniss an Allerhöchster Stelle zu bringen.

Ueber den bisherigen Stand der Frage finden unsere Leser Auskunft in dem Vortrage, den Ir, Stadtbrth. J, Stübben über dieselbe auf der Wander-Versammlung des Verbandes in Frankfurt a. M. gehalten hat und der in No. 94, Jahrg. 86 u. Bl. veröffentlicht worden ist, Wir haben des besseren Vergleichs wegen der zu dieser Veröffentlichung gehörigen Plan das sogen. „verbundenen Süd- und Westprojekts“, das nach den bisherigen Beschlüssen im wesentlichen verwirklicht werden soll, dem Vorschlage der „Vereinigung“ gegenüber gestellt.
Die Redaktion der D, Bztg.]

Dieser Artikel erschien zuerst 1890 in der Deutschen Bauzeitung.