Berliner Neubauten 81 – Das Wohnhaus v. Dirksen, Margarethen-Strasse 11

Architekten Kayser & v. Groszheim. Während das in No. 31 veröffentlichte Rothschild’sche Haus trotz vornehmer Anlage und gediegener Durchführung zufolge seines Maasstabes noch nicht aus dem Rahmen heraustritt, den die gebräuchliche Anschauung mit dem Namen „Wohnhaus“ verbindet, dürfte die Anwendung dieser Bezeichnung auf den hier dargestellten Bau vielen unstatthaft erscheinen.

Er behauptet unzweifelhaft einen höheren Rang und gehört in die Gattung derjenigen Gebäude, die man – als noch die gräuliche Unsitte herrschte, feinere Begriffsfärbungen durch Fremdwörter auszudrücken – „Palais“ nannte. Soll dieses Wort, für welches in dem Sarrazin’schen Verdeutschungs-Wörterbuch leider eine dem üblichen Sinn entsprechende Verdeutschung fehlt („prächtiges Haus“ erscheint uns eben so wenig zutreffend wie „Herrenhaus“), verpönt werden und die Zwischenstufe zwischen „Wohnhaus“ und „Palast“ vorläufig in Wegfall kommen, so müssen wir uns im vorliegenden Falle allerdings für den ersten bescheideneren Namen entscheiden. Denn an die mit dem Worte „Palast“ verknüpfte Vorstellung reicht die fragliche Anlage doch noch nicht hinan. Die letztere ist von den Architekten Kayser & v. Groszheim ein Jahr vor dem Rothschild’schen Hause, also 1894/95 für den Geh. Legationsrath v. Dirksen ausgeführt worden. Das am Ende der Margarethen-Strasse stehende Haus lehnt sich nur einseitig und auf geringe Tiefe an den Brandgiebel des Nachbarhauses an; auf der entgegen gesetzten, mannichfach abgestuften und gebrochenen Seite kehrt es sich dem grossen parkartigen Garten zu, der ihm mit dem Grundstück Potsdamer Strasse 19 gemeinsam ist und von dem auch nach einer etwaigen späteren Durchlegung der Margarethen-Strasse nach der Potsdamer Strasse der grössere Theil erhalten bleiben wird.

Für die Grundriss-Lösung erwuchs eine wesentliche Schwierigkeit daraus, dass zur Schonung dieses Gartens der hintere Theil des Gebäudes parallel der Nachbargrenze geführt werden musste und dass diese Grenze mit der Strassenflucht einen sehr stumpfen Winkel bildet. Die Ausgleichung der hierdurch bedingten Schiefwinkligkeit ist in ebenso einfacher wie meisterhafter Weise bewirkt worden, indem sowohl der Einfahrtshalle, wie der Diele und dem Speisesaal eine fünfeckige Form (ein Parallelogramm erweitert durch ein Dreieck) gegeben wurde. Den stumpfen Winkel in der Gartenfassade verdeckt ein grosses Blumenhaus, durch welches zugleich eine zweite Verbindung zwischen Salon und Speisezimmer hergestellt ist.

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Die grosse zweigeschossige Diele, die durch Oberlicht erleuchtet ist und in welcher eine innere Treppe zum Obergeschoss empor führt, ist hier wesentlich als Gesellsehaftsraum aufgefasst und enthält demgemäss im Obergeschoss auch einen Orchester-Balkon. Dass ihr noch ein besonderer, geräumiger Vorplatz (mit dem zur Benutzung der Familie bestimmten Personen-Aufzuge) sich vorlegt, bildet neben den grossen Abmessungen der Gesellschafts-Räume und der ganz ungewöhnlich stattlichen Anlage der Eingangs- und Einfahrts-Halle eines derjenigen Momente, welche dem Hause ein überaus vornehmes Gepräge verleihen würden, auch wenn die Ausstattung dieser Räume eine weniger reiche und gediegene wäre. Einen eigenartigen Reiz hat die letztere dadurch erhalten, dass an sehr verschiedenen Stellen Theile alter Bauten, mannichfaltigen – namentlich italienischen – Ursprungs, Verwendung gefunden haben, die dann das Motiv für die ergänzende Ausstattung des betreffenden Raumes abgaben; hervor zu heben sind vor allem die Thüren der Bibliothek und die Decke des Speisesaals. Hieraus folgte von selbst, dass die Mehrzahl der Räume in Renaissance-Formen, mit reicher, zumtheil geschnitzter Wand- und Deckentäfelung durchgebildet ist, zu der sich in der Diele noch der Schmuck von Gobelins gesellt. Nur der Vorplatz zeigt eine Marmor-Architektur, während dem Salon und dem Damenzimmer eine Rococo-Ausstattung gegeben ist. Zu dem behaglichen Eindruck der Zimmer, die natürlich auch eine grössere Zahl selbstständiger Werke der Malerei und Plastik enthalten, trägt es nicht wenig bei, dass die meisten derselben mit Kaminen versehen sind. Letztere haben jedoch wesentlich dekorativen Zweck und werden nur gelegentlich zur Aushilfe benutzt, während die regelmässige Erwärmung des Hauses durch eine Zentralheizung bewirkt wird.

Wohnhaus Dirksen in Berlin, Erdgeschoss

Die Ausgestaltung des Obergeschosses, in welchem nach der Strassenseite die Zimmer der Kinder, nach der Gartenseite diejenigen der Eltern liegen, ist entsprechend einfacher gehalten. – Das Sockelgeschoss enthält ausser der Pförtner-Wohnung, den Räumen für die Heizung, den Küchen- und Wirthschaftsräumen, den Wein- und Vorrathskellern einige Garderoben- und Erfrischungsräume für Lawn-Tennis-Spieler. – In dem ausgebauten Dachgeschoss sind eine grössere Anzahl von Fremdenzimmern, die Wohnräume der Dienerschaft, die Waschküche mit Plättzimmer und Trockenboden und verschiedene Aufbewahrungs-Räume für Hausgeräthschaften untergebracht.

Für die von der Firma Philipp Holzmann & Co. in schlesischem Sandstein ausgeführte Strassenfassade, der in Uebereinstimmung mit dem vorwiegenden Gepräge des Innern die Formen der italienischen Hochrenaissance gegeben sind, hat Prof. Otto Lessing die Modelle angefertigt. Die Hof- und Gartenfassaden sind in sandsteinen Zementputz. hergestellt.

Wohnhaus Dirksen in Berlin, Obergeschoss

Unternehmerin der Maurerarbeiten war die A.-G. für Bauausführungen. Von den Holzarbeiten des Innern hatte die Firma H. Pallenberg in Köln die gesammte Einrichtung der Diele mit ihrer grossen Eichenholztreppe übernommen; die den Unterbau der letzteren tragenden Karyatiden sind jedoch von dem Bildhauer C. v. Vechtritz ausgeführt. In die übrigen Arbeiten, die infolge der Verwendung der alten, zumeist zu ergänzenden Stücke vielfach – sehr schwierig waren und grosse Geschicklichkeit bedingten, haben sich die Firmen Carl Müller & Co., Max Schulz & Co., Gebr. Bauer, Heideklang & Bilecki, Lommatzsch & Schröder getheilt. Die Kunstschmiede-Arbeiten sind von Ed. Puls, die Stuckarbeiten von Carl Hauer, die Malerarbeiten von M. J. Bodenstein und Otto Betzler in Köln, die Glaserarbeiten von J. C. Spinn & Co., die Thür- und Fenster-Beschläge von Franz Spengler, die Marmor-Arbi ten im Vorzimmer von M. L. Schleicher, diejenigen der Eingangshalle von der A.-G. „Kiefer“ ausgeführt. Die Zentralheizung hat Herm. Liebau in Magdeburg-Sudenburg, die Wasser-Einrichtungen David Grove, die Anlage der elektrischen Beleuchtung die Allgem. Elektr.-Gesellschaft, die gesamten Küchen-Einrichtungen (mit Gasfeuerung) C. A. Schuppmann, den elektrisch betriebenen Personen- Aufzug die Amerik. Aufzugbau-Ges., die Speisen-Aufzüge Carl Flohr, sämmtliche Fussboden-Platten und Wandkacheln die Firma N. Rosenfeld & Co. geliefert.

Wohnhaus Dirksen in Berlin, Margarethen-Strasse No. 11

Für das Stall- und Remisengebäude, dessen in hydraulischem Kalk geputzte Fassaden den natürlichen Ton des Putzes behalten haben und dessen Stallräume an Wänden und Decken mit glasirten Ziegeln bekleidet sind, hat die Firma Jacob Raven & Söhne sämmtliche besonderen Einrichtungen des Innern geliefert. Die Dachflächen sind durch W. Neumeister mit glasirten braunen Ludovici’schen Falzziegeln eingedeckt.

Dieser Artikel erschien zuerst am 19.06.1897 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „-F.-“.