Berliner Neubauten 79 – Das Wohnhaus Rothschild, Regenten-Strasse 19a

Architekten: Kayser & v. Groszheim. Das hier durch den Aufriss der Strassenfront und die beiden Haupt-Grundrisse zur Darstellung gebrachte Wohnhaus, welches die Architekten Kayser & v. Groszheim i. J. 1895/96 für den Kaufmann Hrn. Oskar Rothschild erbaut haben, liegt an der Regentenstrasse und ist auf einen Grundstücke errichtet, das bei Anlage dieser Strasse ursprünglich mit einem frei stehenden Hause bebaut worden war, seither aber zu mehren Baustellen für Reihenhäuser aufgetheilt worden ist.

Die Abmessungen des Rothschild’schen Besitzthums sind nur mässig; die Breite der Strassenfront beträgt nur rd. 17 m. Wenn auf dieser Baustelle eine vornehme Wohnung mit einer zusammenhängenden Reihe grosser, auch für festliche Geselligkeit geeigneter Räume geschaffen werden sollte, so konnte dies also nur durch eine entsprechende Entwicklung nach der Tiefe geschehen. Für die Gestaltung des Grundrisses ist dabei dasselbe Motiv gewählt worden, das die Architekten schon früher für das allerdings in wesentlich grösseren Verhältnissen angelegte Saloschinsche Haus (vergl. Jhrg. 92, No. 15 d. Bl.) zur Anwendung gebracht haben: eine Dreitheilung des Hauses, bei welcher den mittleren Theil die zu einer Flucht aufgerollten grossen Haupträume bilden, während zu einer Seite desselben im Hinterhause die kleinen Nebenräume angeordnet sind.

Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z. B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i. d. R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bei diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Lokalgeschichte.de gibt die Texte (zu denen i. d. R. auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen von Lokalgeschichte.de inhaltlich geteilt werden.

Zwischen Salon und Speisesaal liegt als Herz der ganzen Anlage auch hier eine, durch Erd- und Obergeschoss reichende Diele, die hier jedoch durch Seitenlicht beleuchtet wird und die zum Obergeschoss führende Familientreppe enthält. Durch die Verlegung der Wohn- und Gesellschaftsräume in ein hohes Erdgeschoss ist es überdies ermöglicht worden, für sie die ganze Breite der Front auszunutzen.

Das über dem Eingangsflur liegende kleine Damenzimmer musste hierbei allerdings um 1 m über die Fussbodenhöhe der übrigen Räume empor gehoben werden, doch verleiht gerade diese Anordnung des mit dem Salon durch eine offene Bogenstellung zusammenhängenden Raumes der Wohnung einen besonderen Reiz.

Hohes Erdgeschoss
1. Obergeschoss

Einer näheren Beschreibung des Grundrisses bedarf es wohl nicht. Es sei nur erwähnt, dass die unter dem vorderen Lichthofe des linken Seitenflügels liegende, durch Oberlicht erhellte Garderobe so niedrig gehalten ist, dass über ihr noch Fenster zur Beleuchtung des vorderen Treppenflurs angeordnet werden konnten. – Im tiefen Erdgeschoss liegen die Wohnung des Pförtners, der Heizraum für die Zentralheizungs-Anlage, die Küchen- und Wirthschafts-Räume, der Vorraths- und Weinkeller sowie eine grosse Wagenremise, die hier untergebracht ist, um das an die hintere Grenze des Grundstücks verlegte Stallgebäude möglichst klein halten zu können und Raum für einen Hausgarten zu gewinnen. Im 1. Obergeschoss haben sich 2 durch die Diele getrennte Gruppen von Räumen ergeben, deren vordere die Schlaf- und Toiletten-Zimmer der Eltern und deren hintere die Kinderzimmer umfasst.

Das ausgebaute Dachgeschoss enthält die Waschküche mit Plättzimmer und Trockenboden, einige Fremdenzimmer und die Wohnräume der Dienerschaft.

Auch auf die künstlerische Durchbildung und Ausstattung der Innenräume, die ohne auffallenden Prunk, aber in grosser Gediegenheit und Gefälligkeit – zumtheil mit echten Holzdecken und Täfelungen, zumtheil in Stuckverzierung durchgeführt sind – soll hier um so weniger im einzelnen eingegangen werden, als jede Schilderung derartiger Einrichtungen ohne bildliche Beigaben, die eigentlich sogar farbig gehalten sein müssten, nur geringen Werth besitzt. Dass die z. Z. herrschende Vorliebe für englische Vorbilder einerseits; für Rokoko-Ausstattungen andererseits zur Geltung gekommen ist, versteht sich von selbst. Als der interessanteste Raum dürfte das auf der rechten Seite des Salons liegende Herrenzimmer anzusehen sein, das gleichzeitig als Bibliothek und Billardzimmer dient und dementsprechend in seiner vorderen und hinteren Hälfte ganz verschieden ausgebildet worden ist, ohne dass die einheitliche Wirkung des Ganzen dadurch wesentlich gelitten hätte. Mit besonderer Liebe sind die Beleuchtungs-Einrichtungen behandelt, auf deren Anordnung die Dame des Hauses weitgehenden Einfluss ausgeübt hat. Nicht nur, dass die durch das elektrische Licht gegebene Möglichkeit der mannichfachsten, verschieden wirkenden Beleuchtungsarten in weitgehendem Maasse ausgenutzt ist: es ist auch in der Gestaltung der einzelnen Lichtträger eine grosse Mannichfaltigkeit angestrebt worden, die zumtheil vor phantastischen Bildungen nicht zurückgeschreckt ist.

Wohnhaus Rothschild – Aufriss der Strassenfront

Die etwas von englischen Vorbildern beeinflusste, in noch halb gothischen Frührenaissance-Formen gestaltete Strassen-Fassade ist durch die Firma Philipp Holzmann Co. in schlesischem (Hockenauer) Sandstein hergestellt worden; für die Einzelheiten hat Bildhauer Ernst Westpfahl die Modelle geliefert. Die Flächen der Hof- und Gartenfassaden sind mit weissen Siegersdorfer Verblendsteinen verblendet, die Gliederungen derselben in sandsteinartigem Putz gezogen, dem die Farbe des grünlichen Schweizer Sandsteins gegeben wurde.

Bauleitender war Hr. Architekt G. Fieck, Unterehmer der Maurerarbeiten Hr. Maurermstr. Jul. Gottheiner; die Kupferschmiede-Arbeiten sind von den Firmen Ed. Puls und Alb. Gossen geliefert. Als Ausführende sind ferner noch zu nennen: für die Stuckarbeiten des Innern Carl Hauer, für die Tischlerarbeiten Carl Müller & Co., Heideklang & Bilecki, H. Emmeluth, Lommatzsch & Schröder, Feldmann & Wegener und Siebert & Aschenbach, für die Fenster- und Thürbeschläge Franz Spengler, für die Malerarbeiten M. J. Bodenstein, für die Glaserarbeiten J. C. Spinn & Co, für die Wasseranlagen David Grove, für die Heizung Rietschel & Henneberg, für die elektrische Beleuchtung die Allgem. Elektricitäts-Ges., für die auf Gasfeuerung berechnete Küchen-Einrichtung C. A. Schuppmann und für die mit Hand betriebenen Speisen- und Wirthschafts-Aufzüge P. Müller. Die Linoleum- und Plattenbeläge der Fussböden, sowie die Wandkachelungen sind von N. Rosenfeld & Co., die Marmorarbeiten von der A.-G. „Kiefer“ geliefert.

Die Gesammtkosten des Baues haben rd. 283 000 M. betragen. Davon entfallen auf das Hauptgebäude 238 875 M. (bei einer bebauten Grundfläche von 455 qm 525 M. für 1 qm) und an Mehrkosten für 270 qm der in Sandstein ausgeführten Strassenfassade (zu 60 M. für 1 qm) noch 16 200 M. i. g. also 255 075 M.

Das 63 qm Grundfläche messende Stallgebäude hat 22 000 M. (350 M. für 1 qm), die Herstellung des Frontgitters, der Zäune, der Asphaltirung des Hofes und Garten-Anlagen rd. 6000 M. erfordert.

Dieser Artikel erschien zuerst am 17.04.1897 in der Deustche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „-F.-“.