Berliner Neubauten 51 – Das Kaufhaus „Stuttgart“, Spandauer Str. 59/61

Architekten Kavser & v. Grolzheim. Spandauer Strasse No. 59/61, unweit der Bischofstrasse, ist im vorigen Jahre im Auftrage des Hrn. Geh. Kommerzienrath Siegle zu Stuttgart, nach den Plänen und unter der Oberleitung und Aufsicht der Architekten Hrn. Kayser & von Grofzheim, ein grosses monumentales Geschäftshaus erbaut worden.

Es ist die Stätte des alten, s. Z. von Baurath Eduard Knoblauch errichteten Ständehauses der Provinz Brandenburg, das im Jahre 1888 abgebrochen wurde, nachdem im Westen Berlins in anderer Gestalt ein zeitgemässer Neubau als Ersatz für dasselbe entstanden war. Um der Liegenschaft eine günstigere Gestalt zu geben, erwarb Hr. Siegle das Grundstück Bischofstrasse 18 hinzu. Die gesammte Grundfläche derselben beträgt danach rd. 2640 qm, von welcher nach Ausführung des Neubaues 625 qm auf die Höfe entfallen, so dass sich eine bebaute Fläche von rd. 2000 qm ergiebt.

Der Bau, dessen auf eine möglichst vielseitige Verwendbarkeit berechnete Grundriss-Anordnung wohl keiner weiteren Beschreibung bedarf, besteht aus Erdgeschoss und 4 Obergeschossen. Die beiden Höfe sind so geräumig, dass das Fuhrwerk auf ihnen frei verkehren und bequem wenden kann; es ist jedoch nicht allein die Rücksicht hierauf, welche zu einer derartigen Zusammenfassung des Hofraums geführt hat, sondern vor allem die Absicht, die nach den Höfen belegenen Geschäfts-Gelasse, in denen tagsüber eine grosse Anzahl Menschen verkehrt, möglichst ausgiebig mit Licht und Luft zu versorgen. Der Zugang von der Strasse nach den Höfen wird durch doppelte Durchfahrten hergestellt. Der Feuersicherheit ist nach allen Richtungen hin auf das sorgfältigste Rechnung getragen: es sind im ganzen 2 Haupt- und 4 Nebentreppen angelegt, die bei Feuersgefahr eine Entleerung des ganzen Gebäudes in der kürzesten Zeit ermöglichen. Zwischen den beiden Haupttreppen sind 2 Personenaufzüge nach dem System „Otis“ angeordnet und an den Hoffronten 4 Waarenaufzüge, die zur bequemen Beförderung der Waaren nach den Obergeschossen und nach den Kellern bestimmt sind.

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Im Erdgeschoss rechts ist eine kleine Restauration in Form einer Frühstücksstube eingerichtet, in der Hr. Siegle das in seiner Stuttgarter Brauerei gebraute Bier zu Berliner Preisen ausschänken lässt.

Das Gebäude hat eine Zentralheizungs-Anlage, und zwar eine Niederdruck-Dampfheizung erhalten, die von der Firma Schäffer & Walcker in Berlin, nach dem System von Bechem & Post in Hagen, ausgeführt worden ist.

Kaufhaus Stuttgart – Berlin, Spanndauer Str. 59-61

Die Fassade nach der Spandauer Strasse zeigt im Erdgeschoss und im I. Obergeschoss echte Sandstein-Verkleidung, während in den übrigen Geschossen die Einfassungen der Fenster aus Kunstsandstein bestehen und die Wandflächen mit chamoisfarbigen Verblendziegeln bekleidet sind.

Der Aufbau in der Mitte der Fassade zeigt in goldenen Lettern die Bestimmung des Gebäudes, welchem Hr. Siegle, in pietätvollem Bezug auf seine Heimath, den Namen „Stuttgart“ gegeben hat. In den grossen Schaufenster – Oeffnungen bilden gusseiserne Firmenschilder die Trennung des I. Obergeschosses vom Erdgeschoss. – Die Hoffassaden sind in den oberen Stockwerken mit Verblendung aus lichtgelben Ziegeln hergestellt, während Erdgeschoss und I. Obergeschoss Sandstein-Nachahmung zeigen. Die Vordertreppen sind in Schmiedeisen ausgeführt, die Hintertreppen in Kunstsandstein.

Kaufhaus Stuttgart in Berlin

Die Kosten für die Erwerbung der Grundstücke, einschliesslich der sehr bedeutenden Ablösungssumme für die Traufgerechtigkeit, erreichen die Höhe von 1 500 000 M.

Die Baukosten belaufen sich auf etwa 900 000 M., so dass der Gesammtwerth des Kaufhauses „Stuttgart“ rund 2 400 000 M. beträgt. – Der Bau ist am 15. August v. J. dem Bauherrn übergeben worden.

Dieser Artikel erschien zuerst 1890 in der Deutschen Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „T.“