Bilder vom Ostseestrand.

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Die schöne Ostsee-Insel Rügen mit ihren zahlreichen Halbinseln und Buchten, ihren Buchenwäldern und Kreidefelsen ist seit lange ein bevorzugtes Reiseziel der Norddeutschen, und fängt in den letzten Jahren auch auf Süddeutschland mehr und mehr ihre Anziehungskraft auszuüben an.

Hauptsammelpunkt der Fremden ist das Seebad Saßniß auf der Halbinsel Jasmund, das sich infolge seiner bevorzugten Lage im letzten Jahrzehnt zu einem der besuchtesten Seebäder Deutschlands aufgeschwungen hat. Der Ort liegt am Ausgange einer Schlucht auf hochansteigendem felsigen Strande (Skizze 2) in unmittelbarer Nähe der Stubbenitz, eines prächtigen, die malerischen Kreidefelsen Jasmunds bedeckenden Buchenwaldes, und gewährt nicht nur freien Ausblick auf die weite Fläche der Ostsee, sondern auch eine Menge der genußreichsten Ausflüge.

Bilder vom Ostseestrand. Nach Originalskizzen von W. Wollschläger
Bilder vom Ostseestrand. Nach Originalskizzen von W. Wollschläger. 1. Die Wissower Klinken. 2. Strand bei Saßnitz. 8 Das Jagdschloß. 4. Mönchguter in Sonntagstracht. 5. Auf der Landzunge Reddewitz. 6. Lobberort.

Schon eine Wanderung von 20 Minuten unter den bis zum kreidigen Uferabhang wachsenden Buchen bringt uns nach den Wissower Klinken (Skizze 1), einer Reihe schroffer, malerischer Klippen, die kaum minder interessant sind, als Rügens Glanzpunkt, die berühmte Stubbenkammer, welche man, auf demselben Wege fortschreitend, in 1 ½ Stunden erreicht. Segelboote und Dampfer befördern den Badegast außerdem schnell nach den südlichen Theilen Rügens, dem schönen Wildpark der Granitz mit dem Jagdschlosse des Fürsten Puthus und der durch ihre Gestaltung wie ihre Bevölkerung merkwürdigen Halbinsel Mönchgut.

Um das Jagdschloß (Skizze 3) zu besuchen, läßt man sich in dem kleinen Badeorte Binz vom Dampfer an’s Land setzen, und gelangt dann in etwa ¾ Stunden zu dem auf einer Anhöhe gelegenen, von vier zinnengekrönten Rundthürmen flankirien Bau, Reiche alte Möbel, Waffen, Hirschgeweihe, Bilder u. dergl. machen das Innere sehenswerth, eine prächtige Aussicht erschließt sich von der Plattform des mittleren Wartthurmes, zu dem eine eiserne Wendeltreppe emporführt. Besonders die Halbinsel Mönchgut mit ihren zahlreichen Verzweigungen liegt wie auf einer Reliefkarte zu Füßen des Beschauers. Fast Niemand versäumt es auch, seinen Ausflug bis dorthin auszudehnen.

Die Bewohner in ihren altväterischen Trachten (Skizze 4), welche wir in Heft 28 des vorigen Jahrgangs bereits dem Leser vor Augen führten, lohnen allein die Tour. Im Gegensatz zu Jasmund hat Mönchgut keine Steilufer, nur auf Lobberort (Skizze 6) tritt der Kreidefelsen noch einmal vorgebirgsartig an die See heran. Dagegen kann man auf Mönchgut besser als im übrigen Osttheile der Insel das Leben und Treiben der Fischerbevölkerung beobachten, besonders wenn man nach Thiessow, der Südspitze von Mönchgut, oder nach der langen schmalen Landzunge Reddewitz (Skizze 5) geht; auf letzterer findet man noch von der neuen Zeit und dem Fremdenstrom unbeeinflußtes Fischerleben, wie denn auch die Gegend typisch für die Landschaften am Ostseestrande ist.

Dieser Artikel erschien zuerst in Heft 4/1890 des Das Buch für Alle.