Berliner Neubauten 73 – Das Geschäftshaus der Firma Jacob Raven Söhne & Co., Wallstr. 5-8

Architekten: Ende & Böckmann. Eine der ältesten und berühmtesten Firmen Berlins, die Metallwaaren-Handlung Jacob Ravene Söhne & Co, lässt zurzeit auf den ihr gehörigen, zumtheil bereits am Spittelmarkt liegenden den Grundstücken Wallstr. 5-8 ein Geschäftshaus grössten Stils errichten, das nach Anordnung und architektonischer Ausbildung ein eigenartiges und bedeutsames Gepräge trägt: Es soll zum weitaus grössten Theile zur Aufnahme des Waarenlagers der Firma benutzt werden, daneben aber auch die Haupt-Komtoir-Räume der Handlung enthalten und endlich der bekannten, von den früheren Inhabern derselben begründeten Gemälde-Galerie eine neue Unterkunftstätte darbieten. Wohnungen sind – abgesehen von den untergeordneten Wohnungen des Stallmeisters und des Hausmeisters (zugleich Galeriedieners) vom Hause ausgeschlossen worden.

Mit dem Entwurf und der Ausführung des Baues waren die Architekten Ende & Böckmann betraut, deren künstlerischer Thätigkeit schon der verstorbene Vorbesitzer der Firma, Geh. Kommerz.-Rth. Louis Raven, im Ausbau mehrer Wohnräume seines Hauses, im Bau seiner (mittlerweile abgebrochenen) Villa in Moabit, sowie endlich in der Herstellung einer reichen Sgraffito-Fassade für das durch den inrede stehenden Neubau beseitigte ältere Geschäftshaus, interessante Aufgaben gestellt hatte,

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Das 4538,6 qm Bodenfläche enthaltende Grundstück besitzt eine Strassenfront von rd. 57 m, während seine Tiefe in der Mitte etwa 83 m beträgt. Die Bebauung ist derart erfolgt, dass von dem an der Strasse errichteten Vorderhause 2 schmale Seitenflügel an den Nachbargrenzen bis auf rd. 40 bezw. 50 m Tiefe sich hinziehen, während ein aus demselben entspringender breiter, von beiden Seiten beleuchteter Mittelflügel es mit dem fast den ganzen hinteren Theil des Grundstücks einnehmenden Speicher in Verbindung setzt, neben welchem auf der linken Seite ein zweigeschossiger Pferdestall für die Arbeitspferde des Geschäfts sich befindet. Das Innere dieses Speichers bildet ein glasüberdeckter Hof, der durch offene Durchfahrten mit den beiden Vorderhöfen zusammenhängt und somit eine Verbindung unter denselben herstellt. Er enthält an der Stirnseite des Mittelflügels die grosse Ladebühne, an welcher die durch eines der beiden vorderen Thore von der Strasse herein gelangten Wagen vorfahren, um nach erfolgter Entladung oder Beladung durch die beiden anderen Durchfahrten wieder ihren Ausgang zu nehmen. Unmittelbar hinter der Ladebühne liegt ein Packraum; auf ihn münden die beiden Aufzüge, durch welche die Waaren nach bezw. von sämmtlichen Geschossen nach diesem Mittelpunkte des geschäftlichen Verkehrsbetriebes befördert werden.

Grundriss

Einer näheren Beschreibung der Anlage wird es hiernach kaum noch bedürfen, da alle Einzelheiten: derselben, insbesondere die Anordnung der Treppen usw. aus den Grundrissen unmittelbar ersichtlich sind. Erwähnt sei nur, dass das Kellergeschoss, zu welchem auch die Fläche der durchweg unterkellerten Höfe gezogen ist, neben der Kessel-Anlage für die Heizung Lager- und Expeditions-Räume umfasst, Auch das Erdgeschoss enthält ausschliesslich Lagerräume für das Eisen- und Kurzwaaren-Geschäft sowie die Export-Abtheilung die jedoch hier zumtheil zugleich der Ausstellung der betreffenden Waaren dienen. Im 1. Obergeschos befindet sich das Hauptkomptoir für alle Abtheilungen; aller übrige Raum der Obergeschosse und des Dachgeschosses ausser der Wohnung des Hausmeisters und den Räumen der Bilder-Galerie soll wiederum der Waarenlagerung dienen. – Was die Bilder-Galerie betrifft, so ist ihr das ganze 3. Obergeschoss des Strassenflügels zugewiesen, wo für sie 3 grössere Oberlichtsäle sowie 2 Säle und 3 Kabinette mit Nordlicht gewonnen werden konnten; neben der betreffenden Haupttreppe ist ein mit der linken Durchfahrt verbundener besonderer Personen-Aufzug dazu bestimmt, sie zugänglich zu machen. Allerdings wird die Galerie mit ihrer Uebersiedelung in das neue Heim, dessen Einrichtungen nach der technischen Seite zweifellos als eine grosse Verbesserung sich darstellen werden, ein wesentlich anderes Gepräge erhalten; sie wird fortan als ein zur Hauptsache für das grosse Publikum bestimmtes Privat-Museum erscheinen. Wer sie in ihren früheren Räumen aufsuchte, stand dagegen durchaus unter dem Eindrucke, dass ein begüterter und kunstsinniger Mann diese Schätze in seiner Wohnung angesammelt habe, um unter ihnen zu leben – ein Eindruck, den man in noch stärkerer Weise z. B. in der Wohnung W. v. Humboldt’s zu Tegel empfingt und dessen Reiz auf einen feinfühligen Beschauer gewiss nicht gering anzuschlagen ist.

Dass dem Hause eine aufwändige, monumentale Strassenfassade gegeben worden ist, entspricht nur dem Umfange der Anlage und dem Range der Firma. Der Sockel ist von Niedermendiger Basalt-Lava, das architektonische Gliederwerk des Aufbaues, dessen Flächen mit rothen Ziegeln bezw. Formsteinen von Bienwald & Rother in Liegnitz verblendet sind, aus rothem Miltenberger Sandstein hergestellt, die Dächer mit farbigen Ziegeln gemustert. Einen besonderen Schmuck der Fassade bilden die figürlichen und Ornamentalen Füllungen, die in farbiger Terrakotta durch E. March Söhne in Charlottenburg ausgeführt worden sind. Die sehr einfach gehaltenen Hoffronten sind mit hell- und dunkel-lederfarbigen Ziegeln von J. Hersel und von Siegersdorf verblendet; die Durchfahrten haben eine Ausstattung in Miltenberger Sandstein und hellfarbigem glasirten Ziegeln erhalten. – Sämmtliche Decken des Innern sind massiv hergestellt, theilweise als gemauerte Kreuzgewölbe auf Granitpfeilern, theilweise in Monier-Konstruktion zwischen Eisenträgern.

Geschäftshaus der Firma Jacob Ravene Söhne & Co. in Berlin

Nicht unbedeutende Schwierigkeiten ergaben sich für die (gegenwärtig ihrem Ende sich nähernde) Ausführung theils aus der ungünstigen Beschaffenheit des Baugrundes, theils aus der Nothwendigkeit, während des Baues den Geschäftsbetrieb auf dem Grundstück aufrecht zu erhalten. Bis auf einen verschwindend kleinen Theil der Grundfläche (an der rechtseitigen Grenze) musste die Gründung mittels Senkkasten bewirkt werden, welche gegen die linkseitige Grenze hin bis auf 12,50 m Tiefe herab getrieben wurden; bei der in Anschlag gebrachten starken Belastung – es wurde auf 1 qm Fläche eine Nutzlast von 2000-3000 kg vorausgesetzt – waren über 300 Kasten erforderlich. Der Grundwasserstand ist in jenem Theile Berlins so hoch, dass die Gesammtfläche der Kellereien mit Zementdichtung versehen werden musste. Begonnen wurde i. .J. 1889 zuerst mit der rechtseitigen Hälfte des Speichers; nachdem diese fertig gestellt und von der Metall-Abtheilung in Benutzung genommen war, wurde bis z. J. 1892 auch die linke, für die Stahl-Abtheilung bestimmte Hälfte des Speichers und im Zusammenhange damit der Pferdestall vollendet. Nach einer Pause von rd. 2 Jahren wurden sodann nach Niederlegung der alten Gebäude die vorderen Theile in Angritt genommen – auch diese wiederum in 2 Hälften, da eine Einfahrt zum Speicher frei bleiben musste. Zuerst wurde daher der rechtseitige Theil mit dem Mittelflügel soweit gefördert, dass die betreffende Durchfahrt benutzt werden konnte und dann erst der linkseitige Theil begonnen. Die Kosten der Ausführung, welche sich auf eine bebaute Fläche von 3386 qm und 1152,6 qm unterkellerte Hofräume vertheilen, werden i. g. rd. 2,5 Millionen M. betragen, wovon allein 300 000 M. auf die Kastengründung entfallen.

Dieser Artikekl erschien zuerst am 25.01.1896 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit “-F.-“.