Berliner Neubauten 83 – Das Wohnhaus Steinthal zu Charlottenburg, Uhlandstrasse 191

Architekten: Cremer & Wolffenstein. Auf einem grossen parkartigen Gelände an der Ecke der Uhland- und der Kantstrasse ist im Jahre 1893/94 durch die Architekten Cremer & Wolffenstein das hier mitgetheilte Wohnhaus u errichtet worden, dem bereits vor 2 Jahren (Jahrg. 95 S. 487) gelegentlich einer durch die Vereinigung Berliner Architekten veranstalteten Besichtigung desselben eine kurze Erwähnung in diesem Blatte zutheil ward.

Seine gegenwärtige Ausdehnung hat das Grundstück allerdings erst während des Baues durch Zukauf der an der Kantstrasse liegenden südlichen Hälfte gewonnen. Es erklärt sich daraus die ungewöhnlich schlichte Ausgestaltung der Eingangsfront, die ursprünglich nicht zur Erscheinung gelangen sollte. Auch wäre, wenn man von vornherein mit der Möglichkeit jenes Zukaufs gerechnet hätte, der Grundriss wohl etwas anders – vielleicht als Spiegelbild des ausgeführten – entwickelt worden. Denn sollte in Zukunft das nördlich anstossende Grundstück mit einem Miethhause bebaut werden, so würden die nach Norden gerichteten, nur 8 m von dem Brandgiebel dieses Nachbarhauses abliegenden Zimmer erheblich beeinträchtigt werden.

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Verhältnissmässig einfach ist auf ausdrücklichen Wunsch des Bauherrn übrigens auch die in der beistehenden Ansicht dargestellte, der Uhlandstrasse zugekehrte Hauptfront des Hauses gehalten worden, bei der auf jede malerische Wirkung verzichtet werden sollte. Immerhin sichern ihr die von Bildhauer Ernst Westphal in angetragenem Stuck ausgeführten ornamentalen Friese, sowie das Motiv des grossen Mittelfensters, in dem die innere Anlage des Hauses zum Ausdruck kommt, eine vornehme Wirkung. Nur das Pfostenwerk dieses Fensters ist in Sandstein hergestellt, während die sonstigen Gliederungen der Fassade in sandsteinartigem Stuck gezogen, die Flächen derselben mit weissen Siegersdorfer Verblendsteinen bekleidet sind. Um so reicher und aufwändiger stellt das Innere sich dar, in dem vor allem der Luxus des Raumes entfaltet ist.

Diele im Wohnhause Steinthal zu Charlottenburg, Uhlandstr. 191
Diele im Wohnhause Steinthal zu Charlottenburg, Uhlandstr. 191

Für die Ausbildung des Grundrisses hatte der Bauherr die Forderung gestellt, dass möglichst viele axiale Beziehungen der Räume unter einander geschaffen werden sollten. Dies ist, wie die beigefügten Abbildungen zeigen, auch in ausgiebigster Weise geschehen. Neben der grossen Hauptaxe, in welcher die zugleich als Empfangsraum und Tanzsaal dienende Diele, der Speisesaal und die Gartenterrasse liegen, und der kurzen Queraxe, die vom Eingangsflur, durch die Vorhalle auf den Kaminplatz der Diele führt, sind noch 2 Axen vorhanden, nach denen die an der Nord- und Ostfront liegenden Räume – dort Damenzimmer, Herrenzimmer und Musikzimmer, hier Wintergarten, Musikzimmer und Speisesaal – sich aufreihen. Die demnach allseitig vorhandenen weiten Durchblicke lassen das Haus in der That noch grossräumiger erscheinen, als es wirklich ist. – Einer Beschreibung des Grundrisses im einzelnen wird es kaum bedürfen. Es mag nur auf die geschickte Verwerthung der unter den seitlichen Gallerien der Diele liegenden Räume im Erdgeschoss, auf die sehr ansprechende Verbindung der Gartenterrasse mit einem bedeckten Sitzplatz, auf die Fülle der Toiletten, vor allem aber auf die überaus gelungene Anlage des Wintergartens aufmerksam gemacht werden, der von dem Musikzimmer durch eine einzige grosse, mittels hydraulischer Kraft in den Keller zu versenkende Spiegelscheibe getrennt wird. Dass ein zweiter Ausblick in denselben vom Zimmer des Herrn und nicht von dem der Dame sich öffnet, ist allerdings ungewöhnlich.

Wohnhaus Steinthal zu Charlottenburg, Erdgeschoss
Wohnhaus Steinthal zu Charlottenburg, Erdgeschoss

Im Untergeschoss des Hauses sind sämmtliche Küchen- und Wirthschaftsräume sowie die Portier-Wohnung untergebracht. Das ausgebaute Dachgeschoss enthält 5 Zimmer und verschiedene Kammern sowie einen grossen, durch Oberlicht erhellten Plättraum. Die mit grosser Liebe und Gediegenheit durchgeführte künstlerische Ausgestaltung der Innenräume ist stilistisch keine einheitliche, sondern wurde beeinflusst durch die bereits im Besitz der Bewohner befindlichen Möbel. Dank der Hingebung, mit der sich die Architekten ihrer Aufgabe gewidmet haben, macht sich jedoch überall so viel persönliche Eigenart geltend, dass dieses Moment zwischen den Gegensätzen vermittelt und nirgends den Eindruck des Unharmonischen hervor treten lässt. Ganz besondere Sorgfalt ist natürlich auf den Hauptraum des Hauses, die Diele verwendet, an deren Fensterwand ein erhöhter Sitzplatz mit dem Aufgange zum Obergeschoss angeordnet ist. Die Maasswerktheilung des Fensters hat Veranlassung gegeben, auch in der stilistischen Ausbildung des Raumes mittelalterliche Anklänge zu verwerthen. Am meisten gilt dies für die aus Eichenholz und ungarischer Esche hergestellte gewölbte Decke, über der sich – beiläufig erwähnt – noch eine zweite Decke aus Beton zwischen Eisenträgern befindet. Der untere Theil der Wände ist mit einem Eichenholz-Panneel, der obere mit rother, ein Lilienmuster enthaltender Lincrusta bekleidet. Seinen vornehmsten Schmuck besitzt der Raum jedoch in den von Lüthi & Kreuzer in Frankfurt a. M.

ausgeführten Glasmalereien des grossen Fensters, unter denen die im unteren Theile befindliche Darstellung von Alt-Wien (die Dame des Hauses ist Wienerin) besonders bemerkenswerth ist; sehr wohlthuend wirkt die Anordnung, dass die Malereien sich auf die äusseren Felder des Fensters beschränken, während man durch die 3 grossen Mittelfelder desselben den Himmel erblicken kann. Die Oberlichte der Thüren sind mit reichen facettirten Gläsern von Knoch, die Beleuchtungskörper mit amerikanischen Gläsern ausgestattet.

Eine Eichenholz-Decke (unter einer Betondecke) sowie ein Eichenholz-Panneel hat auch das Herrenzimmer erhalten, während alle übrigen Zimmer mit Stuckdecken versehen sind. Stilistisch ist das Herrenzimmer in niederländischer Renaissance, der Nussbaum-Täfelungen enthaltende Speisesaal in Barock-, das Musikzimmer in Empire- und das Zimmer der Dame in Rokoko-Formen durchgebildet. Die Garderoben-Vorhalle ist mit 3 auf Säulen ruhenden Sterngewölben überdeckt und zeigt Mahagoni-Panneel mit Fliesen-Füllungen.

Wohnhaus Steinthal zu Charlottenburg, Uhlandstr. 191

Das Haus wird durch eine Wasserheizung von Janeck & Vetter erwärmt und besitzt eigene, von der Allgem. Elektr. – Gesellschaft eingerichtete elektrische Beleuchtung. Die Ausführung hat Hr. Arch. B. Topp geleitet. Von den mitwirkenden Unternehmern sind ausser den bereits erwähnten noch zu nennen die Hrn. Held & Franke (Rohbau), Gebr. Huth (Steinmetzarb.), Westphal, Giesecke (Bildhauer- und Stuckarb.), Kampmeyer, Rosenfeld & Co. (Fussböden und Wandkacheln), Saalburger Marmorwerke (Marmorarb.), Stahlkopf, B, Wille & Co. (Töpferarb.), Puls, Marcus (Schmiedearb.), Ernst Franke (Schlosserarb.), Lind (Getriebene Kupferarb.), Siebert & Aschenbach, C. Müller & Co., Carl Röhlich, Klempau, A.-G. f. Bauausführgn. (Tischlerarb.), Wahl & Sohn, Knoch (Glaserarb.), Frost & Söhne (Beleuchtungskörper), Bodenstein (Malerarb.), Lieck & Heider (Tapeten), Carl Müller & Co. (Dekorationen), J. C. L. Seelmeyer (Wasser-Anlagen).

Die Gesammtkosten des Baues haben sich auf rd. 310 000 M. gestellt. Da die bebaute Grundfläche einschl. der Terrasse rd. 680 qm beträgt, so stellt sich der Aufwand für 1 qm auf rd. 456 M.

Dieser Artikel erschien zuerst am 14.08.1897 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „-F.-“.