Zur Grossen Weserbrücke in Bremen

Zum Neubau der Grossen Weserbrücke in Bremen.

Aus verschiedenen Mittheilungen im Jahrg. 1893 u. Bl. (S. 408, 537, 587 u. 616) dürfte den Lesern der bisherige Verlauf der „Frage“ bekannt sein, welche sich in Bremen bezüglich des Neubaues der Grossen Weserbrücke entwickelt hat. Es wird sie interessiren, auch etwas über die neuesten Schritte zur Lösung derselben zu erfahren.

Der im vorigen Jahre ausgeschriebene Wettbewerb um die künstlerische Ausgestaltung des nach seiner konstruktiven Anordnung im voraus festgestellten eisernen Ueberbaues der Brücke hatte, wie erinnerlich sein wird, insofern nicht das erwartete Ergebniss geliefert, als aus demselben kein Entwurf hervorgegangen war, der mit überzeugender Kraft als eine gleichsam von selbst gegebene, der Ausführung würdige Lösung sich darstellte. Immerhin war das Preisgericht zu der Ueberzeugung gelangt, dass die weitere Durchbildung des von dem Architekten Billing in Karlsruhe gelieferten, von ihm an erster Stelle gekrönten Entwurfs „voraussichtlich zu einem vollkommen befriedigenden Resultat führen werde“. Eine derartige weitere Bearbeitung des Billing’schen Vorschlages ist denn auch alsbald durch die Baudirektion – u. W. ohne Zuziehung des Verfassers – eingeleitet worden. Der betreffende neue Entwurf, an welchem Hr. Bauinspektor Suling den Hauptantheil hat, und von dem wir unsern Lesern anbei eine perspektivische Ansicht vorführen können, ist seit etwa 14 Tagen in der Bremer Börse zur öffentlichen Ausstellung gebracht.

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Neben demselben tritt dem Besucher dieser Ausstellung aber noch ein zweiter, von völlig anderer Grundlage ausgehender Entwurf entgegen, den eine hierfür zusammen getretene, von A. Fitger geleitete, „freie Vereinigung Bremer Künstler und Ingenieure“ bearbeitet hat, um darzulegen, dass die Aufgabe dieses für die Erscheinung der Stadt so wichtigen Brückenbaues noch in anderer Auffassung sich lösen lässt. Während jedoch der erste Schritt, der nach Abschluss des Wettbewerbes in gleichen Sinne geschehen war, auf die Herstellung einer massiven Strombrücke sich gerichtet hatte, ist die Vereinigung inzwischen zu der Ueberzeugung gelangt, dass die Strom- und Schiffahrts-Verhältnisse eine solche ausschliessen. Der neue Entwurf, der auf ein von Hrn. Prof. Barkhausen in Hannover abgegebenes Gutachten sich stützt, nimmt daher die (bereits bis zur Wassergleiche ausgeführten) Pfeiler des amtlichen Entwurfs und ebenso die Nothwendigkeit eines eisernen Ueberbaues als gegeben an, hat für den letzteren dagegen eine andere konstruktive Anordnung und selbstverständlich auch eine andere künstlerische Ausbildung der Brücke gewählt.

Zum Neubau der grossen Weserbrücke in Bremen

Die „Bürgerschaft“ Bremens ist gegenwärtig vor die schwierige Frage gestellt, ob sie für einen und gegebenen Falls für welchen dieser beiden Entwürfe sich entscheiden will. Vermuthlich hat mittlerweile in der Presse Bremens eine lebhafte Erörterung des „Für und Wider“ stattgefunden, zu welcher ein dem Entwurfe beigegebenes Schriftstück mit dem sehr eingehenden Barkhausen’schen Gutachten, sowie eine auf das letztere erfolgte „Aeusserung“ des Hrn. Ober-Baudirektors Franzius reichlichen Stoff darbieten. Wenn auch wir zu der in u. Bl. schon wiederholt besprochenen Frage erneute Stellung nehmen, so wird dies freilich in einem etwas anderen Sinne geschehen müssen.

Denn der für die steuerzahlende Bürgerschaft Bremens vermuthlich bedeutsamste Gesichtspunkt der Kosten, welche die eine oder die andere Lösung erfordert, spielt für uns eine sehr beiläufige Rolle. Es kann sich hier vielmehr lediglich darum handeln, inwieweit der idealen Forderung einer künstlerischen Ausgestaltung der nach Zweckmässigkeits-Rücksichten gebildeten Eisenkonstruktion genügt ist und welche Folgen die nach dem betreffenden Entwurfe hergestellte Brücke für das Stadtbild haben wird.

Ehe wir in diese Erörterung eintreten, möchten wir jedoch über einen Vorwurf uns äussern, der wider das Vorgehen der „Vereinigung Bremer Künstler und Ingenieure“ sich richtet und dahin geht, dass sie mit ihren Vorschlägen zu spät komme. Ist doch dieser Vorwurf durch Hrn. Rauschenberg seinerzeit auch in u. Bl. erhoben und sogar dahin verschärft worden, dass durch eine derartige nachträgliche Antastung eines Konkurrenz-Ergebnisses das Ansehen des Wettbewerbswesens in Missachtung gebracht werde. Wir bekennen offen, dass wir eine derartige Ansicht nicht zu theilen vermögen. Unter allen Umständen steht die Sache über der Form. Und mag einem berufenen Vertreter des infrage stehenden Gebiets auch noch so spät, ja in der letzten Minute die Erkenntniss aufgehen, dass durch die nach allen Regeln der Form getroffene Entscheidung die Sache geschädigt und gefährdet werde, so hat er u. E. nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, seinen Einspruch geltend zu machen. Das sollte in einer „Republik“ wohl ausser Frage stehen.

Zum Neubau der grossen Weserbrücke in Bremen

Eine nähere Beschreibung des mit Benutzung der Billing’schen Skizze durch die Baudirektion aufgestellten Entwurfs kann hier entbehrt werden, da die obenstehende Abbildung seine Anordnung, soweit sie für die inrede stehenden ästhetischen Fragen überhaupt inbetracht kommt, genügend deutlich macht. Auch auf die Einwendungen, welche Hr. Prof. Barkhansen in seinem Gutachten gegen das Konstruktions-System des Entwurfs erhebt, braucht nicht in voller Ausführlichkeit eingegangen zu werden, zumal sich ein Theil derselben lediglich auf die dem Wettbewerbe zugrunde gelegten Skizzen bezieht und, wie die Franziussche Erwiderung darthut, auf den nunmehr zur Berathung stehenden Plan nicht mehr zutrifft. Es gilt dies insbesondere für die Bedenken, dass der engmaschige untere Parallelträger neben dem der dritte kettenförmige Gurt nur als eine vergleichsweise leichte Zugabe erscheinen werde, die Aussicht von der Brücke beeinträchtige und ein (bei Volksgedränge unentbehrliches) Uebertreten von den Fusswegen auf den Fahrweg ausschliesse, dass die Ueberbauten der Träger auf den Pfeilern bei der für sie erforderlichen Höhe in falscher und aufdringlicher Weise als die wichtigsten Theile der Brücke hervortreten würden, dass die Kopfansicht der Brücke sich nicht in befriedingender Weise gestalten lasse, endlich dass der Mangel eines oberen Wind- und Querverbandes und die dadurch bedingte steife Verbindung der Querträger mit den Hauptträgern ebenso Schwankungen und Verbiegungen der Konstruktion zurfolge haben werde, wie die geringe Höhe der eigentlichen Hauptträger zu sehr bedeutenden elastischen Durchbiegungen und unangenehmen Schwankungen führen müsse. Inbezug auf die zuletzt erwähnten Einwendungen stellt Hr. Oberbaudirektor Franzius der Autorität Barkhausens diejenige des Prof, Müller-Breslau gegenüber, der sich über das gewählte, auch in seinen Formänderungen wissenschaftlich untersuchte System ausserordentlich günstig ausgesprochen habe.

Wie aber steht es um die ästhetische Wirkung und die künstlerische Durchbildung dieses Konstruktions-Systems? Wenn die auf jene Wirkung bezogenen, vorher erwähnten Ausstellungen Barkhausen’s auch von geringerem Gewicht sind, so bleiben doch hiervon zwei andere, von ihm getadelte Anordnungen ausgenommen: die bogenförmige Gestalt der oberen Gurtung des zwischen den Auslegern aufgehängten Mittelträgers, die zu der Kettenlinie der beiden Hängegurte in einen sehr unangenehmen Gegensatz tritt und die Verlängerung des unteren Parallelträgers der Ausleger nach den Landpfeilern hin, über den Ansatzpunkt der Hängegurte hinaus, ohne dass dieser Ansatzpunkt im Träger selbst irgendwie betont wäre. Namentlich diese letzte Anordnung wirkt ungemein flau und unorganisch. – Die „künstlerische Durchbildung der Konstruktion hält sich in so bescheidenen Grenzen, dass man vielleicht zweifelhaft darüber sein kann, ob man überhaupt von einer solchen sprechen darf; jedenfalls sind die Hoffnungen auf das Ergebniss des bezügl. Versuchs, mit denen wir einst das Preisausschreiben begrüsst haben, stark enttäuscht worden. Immerhin darf willig anerkannt werden, dass die vereinfachende Umbildung, welche dem preisgekrönten Billing’schen Entwurf zutheil geworden ist, als eine wesentliche Verbesserung sich darstellt. Während die dreitheiligen, auch über die Fusswege erstreckten portalartigen Ueberbauten der Pfeiler in jenem Entwurfe als Zuthaten zu der Konstruktion erschienen, kennzeichnen sich jetzt die beiden kräftigen Gitterpfosten der auf die Fahrbahn beschränkten Portale und deren bogenförmige Versteifung als organische Theile der Konstruktion, deren statische Funktion klar ersichtlich ist.

Leider, dass die auf zierlichen Gitterträgern ruhende, dachartige obere Verbindung der Pfosten mit dem Mittelaufsatze – eine gar zu willkürliche Anordnung – beibehalten worden ist; es hätte u. E. der Versuch nahe gelegen, jenem unteren Versteifungsbogen einen oberen, in entgegengesetztem Sinne sich öffnenden, also zu der Linie der Hängegurte in Beziehung gesetzten Bogen hinzuzufügen und sich mit einer Bekrönung der beiden Seitenpfosten zu begnügen. Dass anstelle der den Fusswegen vorgesetzten kleinen Endportale des Billing’schen Entwurfs einfache Pylone getreten sind, die den Hauptträgern sich vorlegen, ist eine Folge der vereinfachten Anordnung der Mittelportale; wir würden jedoch vorziehen, wenn diese Pfeiler nicht in Stein, sondern gleichfalls in Eisenkonstruktion gebildet wären. – Unsere volle Zustimmung findet die Ausbildung der äusseren Geländer und die beabsichtigte farbige Haltung der Brücke, deren Konstruktionstheile einen lichtgrünen Ton erhalten sollen, während die dekorativen Zuthaten wie die Wappenschilder usw. in kräftigen heraldischen Farben mit theilweiser Vergoldung behandelt sind.

Eine verhältnissmässig günstigere Ansicht hegen wir über die voraussichtliche Wirkung der neuen Brücke im Stadtbilde, für welche ja auch die mitgetheilte Ansicht spricht. Zwar ist der für letztere angenommene Standpunkt ein so hoher, dass er in Wirklichkeit niemals infrage kommen kann; aber es ist doch so viel erkennbar, dass eine derartig gestaltete Brücke, deren niedrige Hauptträger dem Beschauer von den am gegenüber liegenden Ufer aufragenden Bauten nur wenig verdecken, sich nicht als ein störendes Element in die Erscheinung Bremens einschieben, die letztere vielmehr durch ihre keck aufragenden Portale malerisch beleben wird. Da letztere an die Jochportale der alten durch Jahrhunderte vorhandenen Holzbrücke anklingen, so hat diese Form in gewissen Sinne sogar eine geschichtliche Berechtigung. – Uebrigens würden wir – wie auch die vorläufigen Beschlüsse ausfallen mögen – nicht dazu rathen, endgiltig für ein bestimmtes System und eine bestimmte Ausbildung der für die Gesammt-Erscheinung des Bauwerks maassgebenden Einzelheiten desselben sich zu entscheiden, bevor nicht an einem aus Latten und Stoff hergestellten, auf der alten Brücke angebrachten Theilmodell die Wirkung des Ganzen durch Augenschein geprüft ist. Denn der Einfluss, welchen die neue Brücke auf das Stadtbild Bremens ausüben kann, dünkt uns so wichtig, dass demgegenüber die paar Hundert oder schlimmsten Falls Tausend M. die eine solche Probe erfordert, nicht inbetracht kommen können. Leider sind wir nicht imstande, auch von dem durch die „Vereinigung Bremer Künstler und Ingenieure“ aufgestellten Entwurfe eine Ansicht vorzuführen, da die zu demselben gehörige Perspektive erst nachträglich eingeliefert worden ist. Wir müssen uns daher damit begnügen, die in dem Gutachten des Hrn. Prof. Barkhausen enthaltene Skizze wiederzugeben, welche das dem Entwurfe zugrunde liegende konstruktive System darstellt. Die technischen Vortheile, welche demselben zugeschrieben werden, können hier übergangen werden; nur auf die Anordnung eines regelrecht entwickelten Wind- und Querverbandes auf der ganzen Brückenlänge sei besonders aufmerksam gemacht. Als ästhetischer Vorzug wird neben der einfachen und klaren Linienführung der Träger, der klaren Sonderung der letzteren von der Fahrbahn, der Möglichkeit eines fast völlig freien Ausblicks von der Brücke namentlich geltend gemacht, dass die Höhe der Träger an den Enden die Anordnung von Portalen nicht nur auf den Strompfeilern, sondern auch an den Brückenköpfen gestatte, ohne dass die letzteren eine übermässige Höhe zu erhalten brauchen. – Die dem Plane beigefügten Entwürfe zu diesen Portalen, von Hrn. Arch. Joh. Poppe in reichen Barockformen aufgestellt, sehen für die beiden Mittelportale eine Ausführung in Guss- und Schmiedeeisen, für die Endportale eine solche in Steinkonstruktion vor; neben einer Mittelöffnung, die von reichem Figurenbez. Wappenschmuck bekrönt wird, enthält jedes Portal noch 2 Seitenöffnungen über den Fusswegen, die bei den Mittelpfeilern nach aussen mit einem Pavillon über den Pfeilerköpfen abschliessen.

So willig wir die künstlerische Meisterschaft anerkennen, die in dem Entwurf dieser Portale sich ausspricht, so entschieden müssen wir dagegen Einspruch erheben, dass eine solche Auffassung der Aufgabe als eine Lösung derselben im Sinne der idealen künstlerischen Bestrebungen unserer Zeit auftritt. Um eine künstlerische Durchbildung der Brückenkonstruktion handelte es sich. Hier sind die Konstruktion und der dekorative Aufputz, der ihr durch die Portale zutheil werden soll, ohne jeden inneren Zusammenhang als 2 selbständige Elemente neben einander gestellt. Selbstverständlich wollen wir nicht behaupten, dass ein solches Verfahren ästhetisch unzulässig sei; es ist bei gewissen Trägerformen vielmehr geradezu unvermeidlich. Aber jenes andere Verfahren steht ohne Zweifel höher und sollte keineswegs aufgegeben werden, wenn nicht dringende Gründe dazu zwingen.

Dass letztere in unserem Falle vorliegen, müssen wir bestreiten. Denn wenn die Gesammtform der Brücke nach dem zweiten Entwurf für ein im freien Lande auszuführendes Bauwerk auch vielleicht günstiger wirken würde, so dürfte dieselbe an der Stelle für die sie bestimmt ist, doch recht wenig am Platze sein. Es kann kaum einem Zweifel unterliegen, dass die bis zu Häuserhöhe aufragenden Träger mit ihrem oberen Querverbande im Stadtbilde als ein Körper erscheinen würden, der nicht nur den grösseren Theil der hinter ihm befindlichen Häuser verdeckt, sondern auch auf den Maasstab seiner ganzen Umgebung erdrückend wirken müsste. – Dass die Kosten eines solchen Baues ein Mehrfaches von denen betragen würden, welche die Ausführung des amtlichen Entwurfs erfordern würde, ist sehr wahrscheinlich.

Alles in allem und trotz der von uns hervorgehobenen Mängel müssen wir daher von unserem Standpunkte aus diesem den Vorzug zuerkennen. Er hat durch den Vergleich mit dem ihm gegenüber gestellten Plane nicht verloren, sondern gewonnen. Ueber seine Einzelheiten ist ja hoffentlich das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Dieser Artikel erschien zuerst 1894 in der Deutschen bauzeitung, er war gekennzeichnet mit “- F. -“.

Die Grosse Weserbrücke in Bremen.

Entwurf der „Freien Vereinigung Bremer Künstler und Ingenieure“. Die künstlerische Gestaltung der Eisenkonstruktion, welche die Hauptaufgabe des im vorigen ‚Jahre bezüglich des Umbaues der Gr. Weserbrücke in Bremen ausgeschriebenen Wettbewerbes bildete, hat mit dem Ergebniss des letzten keineswegs bereits eine befriedigende Lösung gefunden.

Die grosse Weserbrücke in Bremen

In der Bevölkerung Bremens fand der prämiirte Billing’sche Schmuck-Plan ebenso wenig Beifall, wie die dem Wettbewerb amtlich zugrunde gelegte Gestalt der beiden Hauptträger der neuen Brücke. Nach Form und Masse sind diese Träger aus der auf S. 129 d. Bl. wiedergegebenen Herwarth’schen Perspektive des jetzigen amtlichen Entwurfes infolge des für letzteren so hoch angenommenen, in Wirklichkeit jedoch niemals infrage kommenden Standpunktes klar ersichtlich.

Das Konstruktions-System wie der Schmuck-Plan gaben einer Anzahl Bremer Künstler und Ingenieure zu grossen Bedenken Anlass und man beschloss, in einer freien Vereinigung (ähnlich wie s. Z. Hamburgs Privat-Architekten zum Neubau des dortigen Rathhauses erfolgreich sich vereinigten) zusammen zu treten und nach Möglichkeit bessere Entwürfe nach beiden Richtungen auszuarbeiten. Wiederholte Bearbeitungen verschiedener Pläne fanden statt.

Der endgiltig durch die „Freie Vereinigung“ aufgestellte Plan hat sich unter Benutzung des auf S. 130 d. Bl. bildlich dargestellten Konstruktions-Systems namentlich damit befasst, die Mängel der amtlichen Anordnungen zu beseitigen und den dekorativen Elementen ein grösseres architektonisches Gewicht bei der Eingliederung in die Eisentheile zu geben. In der Wahl der Stilformen hat sich der Entwurf der Zeit der Spätrenaissance und des Barocks angeschlossen, weil diese historischen Perioden der Stadt im allgemeinen mehr ihren Charakter verleihen, als die moderne Gothisirung einzelner Gebäude.

Die hervorragenden Vorzüge des neuen Planes sind folgende: Die Anordnung der Gitterträger in höheren Bogen über der Fahrbahn gestattet nicht nur einen wirksamen Querverband und die bequeme Anbringung von 5 bis 6 m über Fahrbahn zu legenden obereren Leitungsdrähte für die elektrische Strassenbahn, von elektrischen Bogenlampen usw., sondern sie bedingt auch einen bestimmten architektonischen Uferabschluss des ganzen Bauwerkes. Die Ansicht der Brückenbahn ist von den Ufern aus eine leichtere und die Durchsicht wenig hindernde, Die Aussicht von der Brücke selbst bleibt nach beiden Seiten, stromaufwärts und stromabwärts frei, und die sonst in etwas über Augenhöhe der Fussgänger befindlichen riesigen Konstruktionstheile von 80 m Breite und 50 m Höhe, sowie die vielfach wechselnde Richtung der Diagonalen und die in 3 m Weite stehenden, nahe 50 cm breiten Vertikalen (siehe Ansicht S. 129) werden aus dem Gesichtskreis der Fussgänger entfernt. Der Verkehr für letztere auf der Brücke ist von einer Brückenseite nach der anderen ein ungehinderter. Bei den neueren Brücken über den Zollkanal in Hamburg, besonders bei der Kornhaus-Brücke, sind die gleichen Gesichtspunkte bezüglich Durchsicht, Aussicht und Querverkehr maassgebend gewesen.

Ausser den Annehmlichkeiten für die Fussgänger zeichnet sich dieser Entwurf auch in ästhetischer Beziehung vortheilhaft aus. Mit leichten eleganten Bögen, die auf den Pfeilern leicht durch Aufbauten unterbrochen und an beiden Enden durch Portalbauten abgeschlossen sind, überspannt er die Weser. In sich selber ein schönes Bild bietend, harmonisch in seiner Gesammtwirkung, nicht zu mächtig für diese Umgebung, schliesst er sich dem Stadtbilde an, giebt ihm durch die Abwechslung der Bögen und Pfeileraufbauten im Strom einen neuen Reiz und bildet durch die Portale eine malerische Unterbrechung und einen architektonischen Abschluss der auf die Brücke mündenden Strassen.

Die Strompfeiler-Aufbauten, in Schmiede- und Gusseisen gedacht, haben an den Kopfenden baldachinartige Abschlüsse, die die Seitenportale begrenzen und seitwärts über die Brücke selbst hinaustreten. Sie schaffen so eine charakteristische Kontur und eine malerische Wirkung. Die Seitenportale sowohl auf den Strompfeilern wie an den Abschlussbauten haben eine Durchlassbreite wie das Brückentrottoir, so dass der Verkehr in keiner Weise durch sie gehindert wird.

Die Perspektive dieses Planes der „Freien Vereinigung“ stammt von Hrn. Joh. Poppe, dem bekannten Architekten der Bremischen Ausstellungs-Bauten i. J. 1890, dem kürzlich auch die Ausschmückung der grossen Rathhaushalle übertragen worden ist. Die Hauptportale der Brücke sind in Obernkirchner Sandstein gedacht; der Verfasser hat aber für die Portale der Landpfeiler auch Entwürfe in leichterem Eisen als Variante entworfen, welche, wenn auch reicher behandelt, mit den beiden Strompfeiler-Aufbauten Verwandtschaft zeigen.

Dieser Artikel erschien zuerst 1894 in der Deutschen Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit “Br.”