Berliner Neubauten No. 84 – Haus Fromberg, Kurfürsten-Strasse 132

Arch.: Cremer & Wolffenstein in Berlin. Im feinsten Theile der in ihrem verhältnissmässig nicht langen Verlaufe die merkwürdige Wandlung von einer Wohnstrasse für die unteren Millionen in eine Villenstrasse der oberen Zehntausend und endlich in eine Geschäftsstrasse von nicht zu unterschätzender Bedeutung darbietenden Kurfürsten-Strasse in Berlin errichteten die Architekten Cremer & Wolffenstein im vergangenen Jahre auf dem stattlichen Garten-Grundstücke No. 132, an drei Seiten freistehend, das Haus Fromberg, ein in liebevollster Weise unter der Mitwirkung eines freigebigen Bauherrn und einer für die intimen Reize einer behaglichen Kunst des Hauses verständnissvollen Bauherrin durchgebildetes Einfamilienhaus.

Das Aeussere in gleicher Weise wie das Innere lassen die ausgesprochene Absicht des Bauherrn und der phantasievollen Künstler erkennen; bei allen Pflichten der Repräsentation und Geselligkeit, welche das Haus zu erfüllen hat, doch nicht diesen Charakter in die erste Linie treten zu lassen, sondern den Eindruck eines Haushaltes, welcher sich auf reiche Mittel stützen kann, über diesen reichen Mitteln aber, wie es so oft wahrgenommen werden kann, nicht verlernt hat, die Vorzüge eines harmonischen Familienlebens zu schätzen. Dieser Eindruck tritt dem Beschauer, man möchte sagen, mit dem stolzen Selbstgefühl der bewussten Absonderung von einer grossen Gemeinschaft oberflächlicher Gesellschaftsmenschen mit ihren typischen Ansprüchen und Aeusserungen entgegen und daher kommt es auch, dass das Haus keineswegs einen Typus, sondern ein Individuum unter den modernen Einfamilienhäusern darstellt, beides, sowohl in ethischer wie in künstlerischer Beziehung.

Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z. B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i. d. R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bei diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Lokalgeschichte.de gibt die Texte (zu denen i. d. R. auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen von Lokalgeschichte.de inhaltlich geteilt werden.

Der Grundriss des in Untergeschoss, zwei Obergeschossen und einem zumtheil ausgebauten Dachgeschoss sich erhebenden Gebäudes ist auf den ersten Blick von verblüffender Einfachheit, lässt aber bei näherem Studium die sorgfältige Durcharbeitung, die sich in der Lage der Räume mit Bezug auf den Familienverkehr, zu einander und in dem gegenseitigen Verhältniss ihrer künstlerischen Gestaltung kund giebt, erkennen. Das Haus ist an nur einer Seite angebaut, ein für eine freie Entwicklung der Räume günstiger Umstand. Der seitlich gelegene Eingang, von vorne und einem bescheidenen Lichthofe ausreichend beleuchtet, giebt Zutritt zu der Kleiderablage, mit welcher die wünschenswerthen Nebenräume in unmittelbarer und doch nicht störender Weise in Verbindung stehen.

Damenzimmer im Obergeschoss von Haus Fromberg in Berlin. Arch. Cremer & Wolffenstein in Berlin
Haus Fromberg in Berlin. Arch. Cremer & Wolffenstein in Berlin – Grundriss

Von der Kleiderablage unmittelbar zugänglich ist das Zimmer des Herrn, im übrigen ist sie Vorraum zu der stattlichen, durch beide Obergeschosse reichenden Diele, welche räumlich und künstlerisch den Mittelpunkt des Hauses bildet. Gegen die Strassenseite liegen an ihr das Billard- u. das Empfangszimmer, letzteres im Stile der italienischen Renaissance mit schlichtem Reiz durchgebildet und mit einer Orgelnische und Orgel für die musikalischen Uebungen der Hausherrin versehen. Gegen die Gartenseite gliedern sich an sie das Speisezimmer, welchem ein geräumiger Anrichteraum vorgelagert ist und der Wintergarten, welcher seine geschickte Lage an der Gartenecke des Hauses derart erhalten hat, dass zu ihm sowohl vom Speisezimmer wie auch von der Diele ein wirkungsvoller Einblick ermöglicht ist. Das Obergeschoss enthält die Fremden- Zimmer, das Boudoir der Dame des Hauses, das Eltern-Schlafzimmer mit Bad, das Frühstückszimmer, die Kinderzimmer, neben ihnen das Zimmer der Erzieherin und in ihrer Nähe, am Lichthof, das Kinderbad. Im Untergeschoss liegen die Wohnung des Hausverwalters, die Küchen- und Vorrathsräume, Nebenräume, und im Dachgeschoss weitere Nebenräume alles einfach gelagert und zweckmässig angeordnet.

Haus Fromberg in Berlin. Arch. Cremer & Wolffenstein in Berlin

Inbezug auf die künstlerische Durchbildung des Aeusseren und Inneren kann auf die Abbildungen verwiesen werden; erläuternd ist inbezug auf das Aeussere zu bemerken, dass hier mit der schon vorhin betonten Absichtlichkeit durch freien Anschluss an die künstlerischen Bildungen der deutschen Vergangenheit, durch Erkerausbauten, Dachabwalmungen und andere Dachbildungen, insbesondere aber auch durch die Verwendung geschnitzten Holzes der Eindruck der Wohnlichkeit erstrebt wurde. Obwohl die Verwendung des Holzes nach den Vorschriften der Baupolizei unzulässig ist, wurde in dem vorliegenden Falle seitens der Behörde von der Vorschrift abgesehen, weil die an drei Seiten freie Lage des Hauses in einem grossen Garten eine Gefahr für die Nachbarschaft nicht befürchten liess. Sowohl die Formensprache des Aeusseren, wie die des Inneren besitzt einen modernen Hauch, der sich namentlich im Innern bemerkbar macht, wo neben die neue Architektur der Räume alte Kunstgegenstände in einen feinen, pikanten Gegensatz treten und in die wohnliche Raumstimmung einen sympathischen Begleitton bringen. Die Farbenwerthe der inneren Ausstattung lassen sich aus den Abbildungen unschwer erkennen, leider aber nicht auch die wirkliche Farbengebung, welche durch geschickte Wahl und Gegenüberstellung, durch die Mitwirkung des prächtigen, glühenden Glasfensters der Diele, durch die bescheidenere Verglasung der traulichen Nische unter der Dielentreppe und nicht zuletzt durch die Ausblicke in das Pflanzenhaus einen bezaubernden Eindruck macht.

Haus Fromberg in der Kurfürstenstrasse 132 in Berlin
Haus Fromberg in der Kurfürstenstrasse 132 in Berlin. Arch. Cremer & Wolffenstein in Berlin

Bei der Herstellung dieses edlen Bürgersitzes haben unter der Oberleitung der Künstler und unter der örtlichen Leitung des Hrn. P. Topp die folgenden Firmen zusammengewirkt: Held & Francke als Unternehmer des Rohbaues; Schulz & Holdefleiss durch Lieferung der Schmiedearbeiten, Hofsteinmetzmeister Carl Schilling durch Bearbeitung der Sandsteingliederung aus hellem Cottaer Stein. Die Fassaden wurden mit Siegersdorfer Verblendern belegt, die Holzarbeiten derselben wurden von Bildhauer Giesecke modellirt und von G. Riegelmann geschnitten. Die Bautischler-Arbeiten hatte A. Klempau die Bauschlosser-Arbeiten E. Franke übernommen: die Warmwasserheizung legten Janeck & Vetter, die Wasserleitung J. C. L. Seelmeyer und die elektrische Beleuchtung die Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft an. Linoleum und Fliesen lieferten Rosenfeld & Co., die Marmorarbeiten die Saalburger Marmorwerke, die Parketböden Wolff & Sohn. Die einfachen Bauglaser-Arbeiten führte Schmidt aus. – An den dekorativen Arbeiten des Ausbaues waren betheiligt: Westphal und Röhlich mit Stuckarbeiten, Bodenstein mit Malerarbeiten, Lieck & Heider durch Lieferung der Tapeten, Siebert & Aschenbach durch Erstellung der Kunsttischler-Arbeiten für Vestibül, Diele, Billard-, Herren- und Speisezimmer, Röhlich durch Lieferung der gleichen Arbeiten für das Musikzimmer, die Tischler Feldmann & Wegener durch die Lieferung der Arbeiten des Boudoirs. Das grosse und wirkungsvolle Glasgemälde der Diele ging aus dem Atelier von Lüthi in Frankfurt a. M. hervor, die übrigen Kunstverglasungen aus den Werkstätten von J. C. Spinn & Co. und J. Schmidt. Die Stoffdekorationen lieferte Stobwasser. Durch diese Schaar trefflicher Künstler und Handwerker entstand unter der geistvollen Führung der Architekten und unter der verständnissvollen Aufnahme ihrer künstlerischen Absichten durch den Bauherrn ein prächtiges Wohnhaus als der Ausdruck einer feinen und gemüthvollen Lebensauffassung.

Dieser Artikel von Albert Hofmann, V. B. A. erschien zuerst am 19.02.1898 in der Deutsche Beuzeitung.