Bilder aus der Oberlausitz und aus Böhmen

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Zwei Stunden südlich von der gewerbreichen Stadt Zittau in der Oberlausitz, in der sächsischen Kreishauptmannschaft Bautzen, erhebt sich der 519 Meter Berg Oybin, ein mit dichtem Wald bewachsener, bienenkorbförmiger Sandsteinfels der in einem fast ringsum abgeschlossenen Felsenkessel aufsteigt. Von drei Seiten steht der Berg ganz frei, nur auf der vierten ist er durch einen schmalen Rücken mit dem nahen Gebirge verbunden.

Seinen Gipfel krönt, wie die obere Skizze unseres Bildes gewahren läßt, eine der schönsten Klosterruinen, in eigenthümlicher Vereinigung mit Burgtrümmern. Das Kloster gründete Kaiser Karl IV. 1384, nachdem er eine dicht neben dieser Stelle gelegene Raubburg zerstört hatte. Es wurde 1545 von seinen Bewohnern, den Cölestinermönchen, verlassen und 1577 und 1681 durch Feuersbrünste in Schutt gelegt. Links von den Ruinen das kleine Oybin-Museum des Dr. Moschkau.

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Von den Klosterbauten selbst ist die einschiffige Kirche mit ihren hohen gothischen Bogen am besten erhalten. Am Eingang steht ein nach Donndorf’s Modell ausgeführtes Büstendenkmal für Dr. Ch. A. Peschek, „den rastlosen Forscher in der des Oybin“. Vom Thurme genießt man eine prachtvolle Aussicht; auf dem Kirchhofe sieht der Besucher eine Anzahl sehr alter Grabsteine.

Nebenan befindet sich ein Gasthaus in dem man auch übernachten kann. Zwei Stunden westlich vom Oybin liegt die 791 Meter hohe Lausche, die höchste Kuppe der die Oberlausitz von Böhmen trennenden Bergkette; das Wirthshaus auf ihrem Gipfel steht halb auf sächsischer und halb auf böhmischer Seite.

Bilder aus der Oberlausitz und aus Böhmen
Bilder aus der Oberlausitz und aus Böhmen. 1. Der Oybin in der Oberlausitz. 2. Bäuerinnen aus der Gegend von Pilsen und Prag. 3. Ruine Schreckenstein an der Elbe. 4. Landleute aus der Gegend von Budweis. 5. Der Marktplatz von Leitmeritz.

Die übrigen Skizzen unseres Bildes versetzen uns in das Königreich Böhmen, die bedeutendste Provinz Cisleithaniens, welche den nordwestlichsten Theil der österreichisch-ungarischen Monarchie bildet. Das Land ist ebensowohl hervorragend durch die Ausdehnung seines Gebietes, als durch seine Naturschönheiten, reich durch seine mannigfaltigen Bodenerträgnisse, wie durch die Erzeugnisse seiner hochentwickelten Industrie. Es liegt auf der Grenze der germanischen und slavischen Welt, und zwei Nationalitäten: die Czechen und die Deutschen, theilen sich in den Besitz des schönen und reichen Landes. Auch in Böhmen schwinden die alten malerischen Volkstrachten, wie überall, mehr und mehr: eine Probe derselben gibt noch die kleine Skizze oben rechts, Bäuerinnen aus der Gegend von Pilsen und Prag darstellend.

Die kleine Skizze unten links zeigt uns Landleute aus der Gegend von Budweis, der von der Moldau und der sich mit ihr dort vereinigenden Maltsch umflossenen blühenden Handelsstadt, deren Gründung auf Ottokar II. zurückgeführt wird. An die großartige Geschichte Böhmens erinnern auch überall alte Burgen und Schlösser, meist in Ruinen zerfallen, von denen eine der malerischesten der bei Aussig an der Elbe gelegene Schreckenstein (siehe die mittlere Skizze) ist. Die Burg liegt auf einem 90 Meter hohen, in den Strom vorspringenden und steil abstürzenden Felsen; sie war daher auf drei Seiten unzugänglich und auf der vierten durch einen Gürtel von Zwingern und Mauern geschützt. Jahrhunderte hindurch war sie wirklich ein Schrecken der Feinde; sie spielte eine wichtige Rolle in den Hussitenkriegen und war im dreißigjährigen Kriege wiederholt von schwedischen und sächsischen Kriegsvölkern besetzt. Im siebenjährigen Kriege nistete sich noch eine Kroatenschaar in den 8 zerfallenden Gebäuden ein, um von dort aus Streifzüge gegen die Preußen zu machen. Gegenwärtig gehört der Schreckenstein dem Fürsten Lobkowitz, der die Ruine in Stand halten läßt. –

Fahren wir mit der Oesterreichischen Nordwestbahn am Elbufer weiter, so gelangen wir bald nach der außerordentlich freundlich und malerisch auf dem rechten Ufer gelegenen Bischofsstadt Leitmeritz. Sie hat eine Kathedrale aus dem 11. und ein spätgothisches Rathhaus aus dem 16. Jahrhundert. Das Wahrzeichen der Stadt bildet das sogenannte Proviant- oder Kelchhaus, das wir auf der unteren, den darstellenden Skizze im Vordergrunde rechts gewahren. Es heißt „Kelchhaus“ von seinem in Form eines Kelches gehaltenen Thurme, und wurde im Jahre 1584 von einem utraquistischen Bürger der Stadt erbaut. Utraquisten hießen bekanntlich die Hussiten, weil sie das Abendmahl unter beiderlei Gestalt (sub utraque forma) forderten, und der heilige Kelch war auch auf ihren Fahnen abgebildet, mit denen sie in die Schlacht zogen. In dem Erdgeschoß jenes, die Erinnerung an die alten erbitterten Parteikämpfe wach erhaltenden Gebäudes befindet sich jetzt das Gewerbemuseum.

Dieser Artikel erschien zuerst in Heft 9/1890 des Das Buch für Alle.