Bilder vom VII. deutschen Turnfest in München

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Nach dem großen Erfolge des letzten im Jahre 1885 zu Dresden abgehaltenen Allgemeinen deutschen Turnfestes war zwar dem in der zweiten Hälfte des Juli 1889 in München veranstalteten VII. deutschen Turnfest (siehe unser Bild auf S. 81) schon im vorhinein ein zahlreicher Besuch gewiß.

Doch hat letzterer alle Erwartungen noch insofern übertroffen, als die Zahl der an diesem Feste theilnehmenden fremden Turner von keinem der früheren auch nur annähernd erreicht worden ist. Im Ganzen sind über 20,000 Turner anwesend gewesen, darunter auch solche aus Oesterreich und Ungarn, der Schweiz, aus Amerika, Rußland, England, Belgien, Rumänien, Holland u. s. w. Der Festplatz auf der Theresienwiese hatte einen Flächenraum von 38 Tagwerken. Die Festhalle umfaßte bei 86 Meter Länge, 25 Meier Breite und 17 Meter Höhe einen Flächenraum von 2000 Quadratmeter, erwies sich aber trotz dieser ansehnlichen Größenverhältnisse als bei Weitem nicht ausreichend.

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Die Münchener hatten eine Vorwoche als eine Art Probe für das eigentliche Fest veranstaltet, welche am 21. Juli durch das Turnen des Münchener Gaues unter dem Vorsitz des Ehrenpräsidenten, des Prinzen Ludwig von Bayern, eröffnet wurde. Besonders hervorzuheben ist aus dieser Vorwoche das am 24. Juli abgehaltene Schauturnen von etwa 3000 Münchener Volksschülern, das sich trotz regnerischer Witterung zu einem großartigen Erfolg gestaltete. Die förmliche Eröffnung des Festes fand am Nachmittag des 27. Juli durch den Prinzen Ludwig statt, der dabei eine längere, an historisch bedeutsamen Rückblicken reiche und von vaterländischem Geiste getragene Ansprache an die Turner hielt.

Den Glanzpunkt des ganzen Festes bildete der am 29. Juli stattgehabte große Festzug, der mit einer Huldigung für den Prinz-Regenten Luitpold verbunden war. Hundert Trommler und eine Schaar Bannerträger eröffneten den Zug, welcher mit den Turnern des Auslandes an der Spitze in seinen Mittelgruppen die Geschichte der Leibesübungen im Alterthum, im Mittelalter und in der Neuzeit in malerischer und treffender Weise zur Darstellung brachte. Die gymnastischen Uebungen des klassischen Alterthums wurden veranschaulicht durch die hinter Festherolden und Tubabläsern, Gymnasiarchen und Meßkettenträgern folgenden Wettkämpfer zu Fuß, zu Pferd und zu Wagen, welche durch ihre getreue Kostümirung wirklich in jene Zeilen zurückversetzen konnten, als zu Olympia die Faustkämpfer, Diskuswerfer und Speerwerfer um die Preise rangen und die vom Zuruf der Menge angefeuerten Quadrigen über den Sand der alten Amphitheater sausten. Der Münchener Geselligkeitsverein „Winzerer Fähnlein“ brachte durch seine Turniergruppe die Blüthezeit der ritterlichen Spiele im Mittelalter, sowie durch fernere charakteristische Gruppen auch die Landsknechtszeit zur Anschauung. An den Beginn des modernen Turnwesens erinnerte die Gruppe des Turnvaters Jahn mit den Knaben, die er zur Berliner Hasenheide führte, und das hölzerne Turnpferd Maßmann’s, der 1817 Turnlehrer in München gewesen.

Bilder vom VII. deutschen Turnfest in München. Originalzeichnung von Fritz Bergen
Bilder vom VII. deutschen Turnfest in München. Originalzeichnung von Fritz Bergen

Von großartiger Wirkung war der von sechs Schimmeln gezogene Festwagen mit der Riesenbüste des Turnvaters und der von einer schönen Münchener Jungfrau dargestellten Germania, sowie der Festwagen mit dem Bundesbanner der deutschen Turnerschaft. Jubelnder Beifall begrüßte alle diese Aufzüge, sowie die folgenden Turnergruppen.

Programmgemäß sollten die Massen-Freiübungen gleich nach dem Festzuge auf der Festwiese abgehalten werden, konnten jedoch aus Witterungsrücksichten erst am Nachmittage des 30. Juli stattfinden. Dieselben wurden von etwa 2000 Mann außerordentlich exakt ausgeführt und gewährten dadurch ein sehr schönes Bild. Auch das Turnen der Musterriegen ließ bemerkenswerthe Fortschritte in der Entwickelung des deutschen Turnwesens seit den Frankfurter und Dresdener Festen gewahren. Am letzten, von dem Wetter sehr begünstigten Tage, dem 31. Juli, fand auf dem Festplatze am Vormittage der Wettlauf und am Nachmittage der Ringkampf statt. Mittlerweile hatten die Kampfrichter die Zusammenstellung der ziffernmäßigen Werthschätzungen des Einzel- Wettturnens beendet, so daß unmittelbar nach der um 6 Uhr Abends erfolgten Ankunft des Prinzen Ludwig von Bayern zur Ausrufung der Sieger und der Vertheilung der Ehrenpreise geschritten werden konnte, worauf herzliche Abschiedsworte des Oberbürgermeisters v. Widenmayer an die fremden Turner das erhebende Fest beschlossen.

Dieser Artikel erschien zuerst in Heft 3/1890 des Das Buch für Alle.