Das Kaiser Wilhelm-Denkmal der Rheinprovinz

Ebenso einig wie der rheinische Provinziallandtag ist bezüglich der Absicht, dem verewigten Kaiser Wilhelm ein würdiges Denkmal zu setzen, ebenso getheilt waren bisher die Meinungen der Mitglieder über den geeigneten Platz.

Die Einen wünschen ein Reiterbild in der Nähe des Königsschlosses zu Koblenz, die Anderen ein Denkmal in der freien Rheinlandschaft auf einer Insel im Strom oder auf der Höhe eines Berges.

Für das Landschafts-Denkmal traten in der beschlussfassenden Sitzung insbesondere die Vertreter der am stärksten bevölkerten Regierungs-Bezirke Köln, Aachen und Düsseldorf ein, indem sie auf das Siebengebirge hinwiesen, welches, im Herzen der Provinz gelegen, in hervor ragendem Maasse geeignet sei, zum patriotischen Wallfahrtsorte aller Rheinländer erhoben zu werden. Die Gegner bezweifelten die Ausführbarkeit eines solchen Denkmals mit den in Aussicht genommenen Mitteln von ungefähr 800.000 M.; der Antrag aber, einen öffentlichen Wettbewerb auszuschreiben für ein Berg- oder Insel-Denkmal, um die Platz- und Kostenfrage zu klären – da für ein städtisches Reiterdenkmal der Kostenpunkt nicht in Zweifel gezogen wurde, – fand die Mehrheit.

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Auf das Ausschreiben sind 24 Entwürfe, vorwiegend architektonischer Art, eingegangen, darunter 18 Insel-, 3 Bergdenkmäler, 1 Brückendenkmal, 1 Denkmal ohne Standort und 1 Reiterbild nebst Umgebung für die Rheinseite des Koblenzer Schlosses. 7 Entwürfe haben die Insel Nonnenwerth, 11 die Insel Grafenwerth, beide in geringer Enfernung oberhalb des Drachenfels gelegen, in Aussicht genommen; ein Bewerber hat die Erpeler Ley, ein anderer den Hardtberg, ein dritter die südwestliche Wand des Drachenfels ausgewählt. Das Preisgericht ertheilte den höchsten Preis dem letztgenannten Entwurf mit dem Motto: „Felswand“, verfasst von den Architekten Jakobs und Wehling in Düsseldorf; den zweiten Preis dem für Grafenwerth bestimmten Entwurf „Halt fass am Rich“ von Bruno Schmitz, den dritten Preis dem Hardtberg-Denkmal des Bildhauers Wilhelm Albermann in Köln. Die weiteren Arbeiten: das Inseldenkmal „Grafenwerth“ von Prof. H. Stiller in Düsseldorf, der für die Oberspitze von Nonnenwerth bestimmte Entwurf „Siegfried“ des Bildhauers Hilgers in Charlottenburg und der auf der unteren Spitze von Nonnenwerth gedachte Entwurf „Dem unvergesslichen Kaiser“ der Düsseldorfer Architekten H. vom Endt und Alb Bender wurde zum Ankauf empfohlen. Auch unter den übrigen Arbeiten befinden sich sehr bemerkenswerthe Leistungen. Zwar hat die grosse Mehrheit der Bewerber ein Inseldenkmal zum Vorwurf genommen, was nicht auffällt, wenn man den romantischen Zauber eines aus der Fluth empor steigenden Bildwerks einerseits und die Maassstabs-Schwierigkeiten der Berghöhen andererseits sich vergegenwärtigt – aber die Frage der leichten Zugänglichkeit des Denkmals für zahlreiche, fröhliche Menschenmassen beantwortet sich so sehr zu ungunsten einer Insel, dass das Preisgericht die Südwestwand des Drachenfels hoffentlich nicht blos akademisch an erster Stelle gesetzt hat.

Das Kaiser-Wilhelm Denkmal der Rheinprovinz

Der dem Programm nicht entsprechende Entwurf für Koblenz rührt von Prof. Rincklake her. Das Reiterbild des Kaisers steht auf einer breiten Terrasse, deren Treppen-Aufgang von Löwen bewacht wird, während zwei Ruhmessäulen mit Reliefs und Inschriften die Thaten des Gefeierten verherrlichen.

Der Verfasser des Brücken-Eutwurfs, welcher für Bonn oder Koblenz bestimmt sein könnte ist nicht bekannt. Der Mittelpfeiler ist durch eine Bogenöffnung aufgelöst und trägt auf vier Pfeilern einen offenen Kuppelbau, unter welchem in der Mitte der Brückenfahrbahn das Reiterbild des Kaiser Wilhelm steht. Zwei ähnliche Kuppelbauten für die Kaiser Friedrich und Wilhelm II. sind an den Enden der Brücke zwischen den Rampen-Anlagen vorgesehen. Brückendenkmäler sind an sich nichts Neues und gehören ohne Zweifel zu den wirksamsten Anordnungen; aber in vorliegendem Falle scheint uns doch das Angenehme mit dem Nützlichen allzu sehr verbunden zu sein. Unter den Inseldenkmälern verdienen außer den amtlich mit Preis und Lob bedachten besonders die Entwürfe „Deutschlands Strom, nicht Deutschlands Grenze“ von C. Welb und W. Müller in Frankfurt a. M., leider zu sehr Mausoleum; „Rhein“ von einem unbekannten Verfasser, ein massiger gothischer Aufbau, oben der Kaiser Wilhelm, auf mehren Zwischenhöhen andere Reiter- und Standbilder tragend; „Könne wollen, wolle können“, ein flotter Entwurf zu einem Reiterdenkmal unter einer Triumphhalle auf grosser freier Terrasse; endlich eine zweite Arbeit von Bruno Schmitz, „Gruss Dir, Romantik“ hervor gehoben zu werden. Die Darstellung dieses Entwurfes ist eine prächtige, der Entwurf selbst wuchtig und wirklich romantisch. Der Kaiser im Ornat mit Hermelin-Mantel, steht unter einem sechsseitigen weitbogigen Baldachin, an dessen Pfeiler die Standbilder alter Kaiser oder Helden lehnen, umgeben von einer mächtigen kreisrunden Terrasse, die nach Art eines Brückenpfeilers mit spitzem Schnabel die Fluthen theilt, Eisgang und Hochwasser Trotz bietend.

Der vom Endt’ und Bender’sche Entwurf legt den Unterbau des Denkmals als abgetrennte Inselspitze an das untere Ende von Nonnenwerth, wendet also dem Siebengebirge das Antlitz zu. Die ganze Anlage verjüngt sich, dem Strome folgend, von der offenen Denkmalshalle mit Terrasse, von welcher Kaskaden hinab fallen, bis zu einem Obelisk auf der Spitze. An Hochwasser und Menschenmengen darf man hierbei nicht denken.

Der preisgekrönte Entwurf für das Kaiser-Wilhelm Denkmal der Rheinprovinz

Der in grossem Modell dargestellte Entwurf von Karl Hilgers ist ein herrliches Werk. Vielleicht ist die stehende Figur des Kaisers zu theatralisch aufgefasst, aber der ganze Aufbau, welcher den Gefeierten darstellt, wie er als Sieger heimkehrend, im Schiffe von Rhein-Nixen und Wasserrossen triumphirend über den Strom geführt wird, ist von ungewöhnlichem Reize, die Terrassen-Anordnung mit halbkreisförmigem Hallenabschluss ist trefflich gelungen.

Stillers „Grafeuwerth“ wird von manchem Besichtiger der ausgestellten Entwürfe mit in die erste Linie gestellt. Ein geräumiger, weihevoller Festplatz ist an der inneren Stromseite der Insel angeordnet, von Standbildern und Freisäulen umgeben, zum Wasserspiegel mit, breiter Treppe hinab führend, an der Rückseite mit hufeisenförmiger Ruhmeshalle abgeschlossen, vor deren Mitte des Kaisers Reiterbild quer zur Stromrichtung aufgestellt ist; die übrigen Theile der Insel sind mit Baumgängen und Wald bepflanzt. Stiller hat die Aufgabe eines Inseldenkmals unseres Erachtens in der zweckmässigsten und zugleich in künstlerisch vollendeter Weise gelöst: frohes Volk findet in grossen Mengen Platz und festliche Stimmung; den Kaiser schaut man von oberhalb und von unterhalb in der besten Aussicht, nämlich von der Seite. Der Brückenzugang vom Ufer aus hat allerdings seine Bedenken, weil er auf die Rückseite der Halle und des Denkmals führt. Wenn auch dieses letztere Bedenken sich ausräumen lässt, die Schattenseiten des Kahn- und Bootverkehres vom und zum Denkmal, welches ja naturgemäss seine Front dem freien Strom zuwendet, möge sich jeder mit den Freuden, aber auch mit den Gefahren solcher Wasserfahrten selber ausmalen.

Daran muss leider wahrscheinlich auch der mit dem zweiten Preise gekrönte Entwurf von Bruno Schmitz scheitern. Der Platz ist der nämliche wie bei Stiller. Die Insel ist in einen Kaiserhain umgewandelt; in der Mitte des stromseitigen Ufers liegt der erhöhte, von gewaltigem Steingehege umfriedigte Denkmalplatz, auf welchem ein kraftvoller allegorisch geschmückter Obelisk emporwächst. Vor dem letzteren, quer zum Strom, das Gesicht nach Frankreich hingewendet, reitet der siegreiche Kaiser. Das Ganze ist von einem prächtigen, geräumigen Vorplatze umgeben, welcher in den Strom halbrund vortritt.

Von den drei Bergdenkmälern hat den höchsten Platz ausgewählt dasjenige mit dem Motto: „Semper Augustus“, welches den Kölner Architekten Schreiterer und Schreiber zugeschrieben wird, an der Vorderkante des höchsten Plateaus der „Erpeler Ley“ über den steilen Felsen derart vorgebaut, dass sich auf der Bergplatte im Rücken des über den Strom schauenden Reiterbildes ein ausgedehnter Festplatz mit Festhalle und Parkanlagen entwickelt. Schlangenwege führen vom Rheinufer am Bergabhang empor, und auch der Unterbau des Denkmals ist zur Treppenführung benutzt. Das Ganze ist ein grossartiger, reizvoller Entwurf, an welchen indess die frei in die Luft stehende, von unten fast winzig erscheinende Reiterfigur und die an Eisenbahn-Futtermauern erinnernde Unterstützung des vorgekragten Plateaus begründete Beilenken hervorriefen.

Wilh. Albermann in Köln hat mit der Wahl des Hardtbergs, einer niedrigen Vorhöhe auf der Nordseite des Drachenfels, die Aufgabe zwar vereinfacht, aber doch nicht vollkommen gelöst. Inmitten einer grossen Terrassen- und Hallenanlage, welche die Bergkuppe bedeckt, erhebt sich die Reiterfigur des Kaisers, weithin sichtbar, aber auch in der Nähe aus geeigneten Standpunkten zu betrachten; es fehlt indess ein ausreichend bemessener Festplatz.

Noch weniger hoch etwa 100 bis 120 m über dem Strom, liegt der von Jacobs und Wehling auserkorene Denkmalplatz. Am südlichen, rheinaufwärts gerichteten Abhang des Drachenfels sieht man eine vielleicht 50 m hohe, kahle Felswand mit ziemlich breiter Vorlagerung. Diesen Ort, für die Betrachtung vom Strome, von den Strassen und von der Eisenbahn aus herrlich gelegen, das Rheinthal weithin beherrschend, wählten die Künstler für ihr eigenartiges Werk. (Siehe unsere Abbildungen) Geschlungene Fahrwege und mehrfach getheilte Freitreppen sollen zu der Vorlagerung emporführen, wo der Denkmalbau sich in drei Hauptstufen an die Bergwand anlehnt.

Zwischen den Treppenläufen begrüsst uns Germania mit vierspännigem Siegeswagen als mächtige Brunnenfigur; auf der zweiten Hauptstufe, einer mächtigen Vorterrasse ist das Standbild des den Säbel hoch schwingenden, zum Angriff aufs Welschland reitenden Kaisers stolz emporgebaut. Die dritte Stufenebene gewährt zum Beschauen des Gefeierten die erwünschten Standpunkte und ist an der Rückwand durch ein mit dem Fels verwachsenen architektonischen Hintergrund geschlossen. Der letztere besteht aus einer kühn gezeichneten Nische, die sich nach einer Reihe dorischer Säulen öffnet und von einem mächtigen Halbkreis, ein allegorisches Goldmosaikbild der Kaiser-Proklamation umschliessend, überwölbt ist. Löwen- und Figurengruppen, Hermann der Cherusker und moderne Krieger darstellend, fankiren das gedanken- und formenreiche Werk. Dadurch, dass die Preisrichter diesem eigenartig ansprechenden Entwurf die Palme des ersten Preises zuerkannten, haben sie hoffentlich auch die Platzwahl entschieden. Es ist eine Vermittelung zwischen der beherrschenden Berghöhe und der stromdurchflossenen Thalsohle; der Platz ist erhaben über das alltägliche Niveau, er wirkt in die Ferne und ist doch ohne grosse Mühe und ohne Gefahr von der frohen Menge zu erreichen. Einige Schwächen des Entwurfs werden von erfahrener Künstlerhand unschwer zu beseitigen sein. Der Eindruck des Tunnelportals, aus welchem der Kaiser hervor reitet, muss vermieden werden. Die Treppen- und Wegeanlage ist im vorliegenden Entwurf durchaus nicht gelöst, sie muss für die Wirklichkeit erheblich umgestaltet werden, da die angenommene Länge der Fahrwege und Zahl der Treppenstufen bei weitem nicht ausreicht. Die Anordnung eines ausgedehnteren Festplatzes ist auf der Vorlagerung der Felswand möglich, aber auch unentbehrlich.

Es wird sich darum handeln, sich zu diesem Zwecke in freien, nicht architektonisch strengen Linien der Natur anzuschliessen.

Es wäre ein glückliches Ergebniss des fast ausschliesslich von rheinischen Künstlern – auch Hilgers und Schmitz rechnen darunter – aufgenommenen Wettkampfes, wenn in solcher Weise es gelänge, die Gemüther im Proyinzial-Landtage zugunsten der malerisch-romantischen Felswand am Drachenfels zu einigen.

Dieser Artikel erschien zuerst 1890 in der Deutschen Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit “Köln. J. Stübben.”.