Die beiden neuen Rheinbrücken bei Worms

Abbildg. 2. Die neue Strassenbrücke

I. – Geschichte der Brücken.

Am 26. März 1900 ist unter grossen Feierlichkeiten die neue Strassenbrücke über den Rhein bei Worms, die neue Ernst Ludwigs-Brücke, eingeweiht worden und noch vor Schluss des Jahres, am 1. Dezember, wird die etwas weiter stromabwärts gelegene neue Eisenbahnbrücke dem Verkehr übergeben. Mit diesen beiden Brücken wird der Rheinstrom da, wo er den Wonnegau durchzieht, im Angesichte der alten Wormatia, der Stadt Siegfrieds und Chrimhildens, durch zwei Bauwerke überspannt, welche in konstruktiver wie in künstlerischer Beziehung zu den hervorragendsten Brückenbauwerken der neueren Zeit zählen, sich den Resten grosser Tage der schönen Kaiserstadt würdig anschliessen und ihren alten Ruhm in baulicher Beziehung neu verjüngen und stärken.

Die beiden Brücken sind Glieder in den grossartigen Umgestaltungen, welchen die beiden Ufer des Rheines bei Worms seit längerer Zeit schon unterworfen waren. Die Klagen der Uferbewohner dieser Rheinstrecke über die Verwüstungen durch das Hochwasser des Stromes, über die Verluste an Ländereien und an Nationalvermögen, sowie auch über die Gefährdung des Gesundheitszustandes reichen lange Jahre, bis in das erste Drittel des Jahrhunderts und weiter zurück. Nach jedem der nicht eben seltenen Naturereignisse tauchten sie wieder heftiger auf, ohne dass Abhilfe geschaffen wurde, da vor Herstellung der Reichseinheit die betheiligten Uferstaaten zu einem einheitlichen Zusammengehen nicht zu bewegen waren. Noch im Jahre 1876 konnte auf die immer dringlicher werdenden Klagen der Landwirthe und Schiffahrts-Interessenten nur mit der im übrigen für den inrede stehenden Rheinabschnitt nahezu wirkungslosen Einberufung einer Enquete-Kommission geantwortet werden, welche eine Reihe von Verbesserungen vornahm, ohne die Frage der Beseitigung der immer wiederkehrenden Schäden und Hindernisse durch einen einheitlichen Bauplan für den gesammten deutschen Rhein als Ganzes anzugreifen.

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Da fand ein Zusammenschluss der „vereinigten hessischen Gemeinden und Gutsbesitzer für Strombau-Angelegenheiten“ statt und als eine Frucht der aus dieser Vereinigung hervorgegangenen Thätigkeit dürfen die mehrfachen Verhandlungen des Deutschen Reichstages über den Zustand des Rheinstromes betrachtet werden. Am 26. April des Jahres 1881 führte der Abgeordnete Heyl im Reichstage aus, dass der Rhein von Basel bis Mannheim zu vergleichen sei mit einem steil abwärts fallenden Schlauche, dagegen der Theil von Mannheim bis Bingen mit einem Reservoire, das durch die natürlichen Felsenriffe am Binger Loch gesperrt sei und dessen Wasser selbst bei geringem Anwachsen überlaufen müsse. Der Abgeordnete forderte den Zusammentritt einer Reichs-Kommission, erkannte aber im übrigen an, dass durch die Anordnungen einer früheren, der Biebricher Kommission, durch die von den hessischen Gemeinden schon lange geforderten Verbote neuer Verlandungen zur Weidenanpflanzung im Stromgebiete, mancher Schaden gemildert sei; er konnte berichten, dass die Kommission sich den Dank der Uferanwohner durch die Untersagung von Hochbauten und Weidenannflanzungen im Hochwasserprofil erworben habe. Eine Folge dieser Untersagung war die Forderung der Beseitigung des Bahnhofes Rosengarten gegenüber von Worms und der diesen Bahnhof mit der Stadt verbindenden Schiffbrücke, die Korrektion der Ufer und die Nothwendigkeit einer Eisenbahn- und einer Strassen-Brücke zur Verbindung der beiden Ufer. Es bedurfte aber zunächst noch der eindringlichen Mahnungen durch die Schäden, die das Hochwasser vom Dezember des Jahres 1882 angerichtet hatte, bei welchem in den ersten Tagen des Jahres 1883 fast die ganze hessische Rhein-Niederung mit zahlreichen Ortschaften unter Wasser stand, um den dem hessischen Ministerium des Inneren vorgelegten Beschluss der „vereinigten Rheingemeinden” zu zeitigen, „dass die Erbauung einer stehenden Brücke über den Rhein eine wesentliche Vorbedingung für eine sachgemässe und endgiltige Lösung der beiden für Worms so wichtigen schwebenden Fragen, der Erweiterung der hiesigen Hafenanlagen und der Verminderung der Ueberschwemmungs-Gefahr sei“. Im Jahre 1885 kam die Frage in der zweiten hessischen Kammer zur Sprache, bei welcher Gelegenheit die Regierung vollständig die Berechtigung der Stadt Worms anerkannte, von Seiten der Regierung diejenige Fürsorge zu fordern, welche anderen grossen Städten in vollem Maasse zutheil geworden sei.

Abbildg. 1. Plan der Stadt Worms
Abbildg. 1. Plan der Stadt Worms

Das war aber lediglich eine platonische Erklärung, denn noch zu Anfang der neunziger Jahre beschäftigt die Angelegenheit die beiden Kammern, ohne dass die Regierung zunächst eine Mehrheit für die Bewilligung ihrer einschlägigen Forderungen finden konnte. Der Grossherzog von Hessen, welcher inzwischen für die Frage interessirt worden war, hatte die Ausarbeitung einer Vorlage für den Bau zweier Brücken bei Worms angeordnet. Nach der bezgl. Regierungsvorlage sollten mit dem Bau dieser Brücken zugleich eine Anzahl weiterer bedeutsamer Fragen gelöst werden: die Erhöhung und Verstärkung der Landdämme bei Worms, die Oeffnung des rechtsufrigen Vorlandes zwischen dem Rhein und dem Landdamm für den Abfluss des Hochwassers, die Beseitigung der Station Rosengarten und die Aufhebung und Beseitigung des Dammes als Staatsstrasse und der Schiffbrücke. Zur Aufrechterhaltung der wichtigen Strassenverbindungen seien zwei getrennte Brücken, die eine für den Wagen- und Fussgängerverkehr, die andere für die Eisenbahn zu erbauen. Die geforderten 7 970 000 M. für die beiden Brücken wurden aber abgelehnt und mit allen gegen 2 Stimmen unter Verwerfung des Baues einer Strassenbrücke nur 4 660 000 M. bewilligt. Die erste Kammer schloss sich diesem Beschlusse mit der Erweiterung an, die Regierung zu ersuchen, in das nächste Budget auch die Mittel für eine Strassenbrücke einzustellen, Diese wurden im Jahre 1895 erst unter der Bedingung bewilligt, dass die Stadt Worms sich bereit erkläre, 300 000 M. zu den auf 3 310 000 M. veranschlagten Kosten beizutragen, trotzdem man gar nicht „zu bedenken schien, dass die Interessen der rechtsrheinischen Arbeiter und Produzenten die Interessen der Bürgerschaft von Worms weit übertreffen“. Gleichwohl willigte die Stadt in die Forderung des Zuschusses, und auch diese Brücke war gesichert.

Zur Erlangung geigneter Entwürfe für den Bau dieser beiden Brücken wurden öffentliche Wettbewerbe erlassen, für die Strassenbrücke am 17. Juni 1895, für die Eisenbahnbrücke am 1. Dezember des gleichen Jahres. Das am 19 Januar 1896 gefällte Urtheil des Preisgerichtes für die Strassenbrücke sprach dem Entwurf mit dem Kennworte „Civitati Vangionum“ den l. Preis zu. Als Verfasser des Entwurfes ergaben sich die Maschinenbau-Aktiengesellschaft Nürnberg, Filiale Gustavsburg, in Verbindung mit der Bauunternehmung Grün & Bilfinger in Mannheim und Stadtbaumeister Baurath Karl Hofmann in Worms. Nachdem die Lage der Brücke entschieden war – die Lage oberhalb der Schiffbrücke (s. Lageplan) -, nachdem ferner die Umarbeitung des Entwurfes unter Leitung des Hrn. Geh. Rathes Schäffer in Darmstadt stattgefunden hatte, wurden die genannten Firmen unter Mitarbeit Hofmanns für den architektonischen Theil mit dem Bau der Brücke betraut. Sie wurde 1897 im Mai begonnen und dient seit 26. März 1900 „dem Wohl des engeren Heimathlandes“. In dem Wettbewerb für die dem grossen und allgemeinen Verkehr gewidmete Eisenbahnbrücke siegten die Firmen Harkort in Duisburg in Verbindung mit R. Schneider in Berlin und unter Mitarbeit von Georg Frentzen in Aachen für den architektonischen Theil. Die Baukosten waren mit 2 860 000 M. angenommen. In beiden Fällen war seitens der ausschreibenden Behörde „auf eine ästhetisch schöne, wenn auch einfache Ausbildung der gesammten Anlage“ besonderer Nachdruck gelegt. Die in dieser Beziehung gehegten Erwartungen sind voll erfüllt worden. Im Jahre 1898 wurde auch mit dem Bau der Eisenbahnbrücke begonnen, deren Architektur im Laufe der Bearbeitung gleichfalls an Geh. Ob.-Brth. K. Hofmann in Darmstadt übertragen wurde; heute ist sie soweit vollendet, dass sie am 1. Dezember dem Betriebe übergeben werden kann.
– H. –

II. Die Konstruktion und Ausführung der Brücken.

Entwurf und Ausführung der Strassenbrücke: Maschinenbau-A.-G.-Nürnberg, Filiale Gustavsburg, in Gemeinschaft mit Grün & Bilfinger, Mannheim; der Eisenbahnbrücke: Brückenbau-Gesellsch. Harkort, Duisburg, in Gemeinschaft mit R. Schneider, Berlin.

Abbildg. 2. Die neue Strassenbrücke
Abbildg. 2. Die neue Strassenbrücke

Wie ein Blick auf den Plan von Worms in No. 92 lehrt, laufen die Interessen des Strassen- und des Eisenbahn-Verkehrs soweit auseinander, dass durch eine Zusammenlegung beider Verkehrswege in einem Brückenbauwerk, durch welche nach den Vorarbeiten übrigens nur eine Summe von rd. 600 000 M. erspart worden wäre, nach keiner Richtung hin eine befriedigende Lösung zu erzielen war; denn während die Nothwendigkeit eines günstigen Anschlusses an den zu erweiternden Wormser Bahnhof bezw. an die vorhandenen Eisenbahnlinien auf dem rechten Rheinufer eine Lage der Stromüberbrückung unterhalb der Stadt bedingt, würde eine erhebliche Verschiebung der Strassenbrücke aus dem Zuge der alten Schiffbrücke, die seit 45 Jahren den Verkehr zwischen den beiden Ufern vermittelte, für die Entwicklung der Stadt von grossem Nachtheile gewesen sein. Wie ebenfalls aus dem Stadtplane ersichtlich ist, schreitet die Bebauung der Stadt hauptsächlich nach Westen fort, während im Süden die ausgedehnten Fabrikanlagen, im Südosten, ausserhalb des Ringdammes aber, die ungünstigen Geländeverhältnisse der weiteren Aufschliessung hinderlich sind. Man sah daher von einer Zusammenlegung gänzlich ab und errichtete die neue Strassenbrücke unfern der alten Schiffbrücke, und zwar oberhalb derselben, da diese Lage für die ungestörte, von dem Verkehr auf der Schiffbrücke, in den Hafenanlagen und der Eisenbahnstation Rosengarten unabhängige Ausführung besonders günstig war. Für die Eisenbahnbrücke ergab sich eine Lage in etwa 1653 m Entfernung stromabwärts der alten Schiffbrücke als zweckmässig.

Abbildg. 3. Die neue Eisenbahnbrücke
Abbildg. 3. Die neue Eisenbahnbrücke

Für die Gesammtanordnung beider Brücken waren die Hochwasser- und Schiffahrts-Verhältnisse in gleichem Maasse bestimmend. Der Rhein besitzt auf dieser Strecke 300 m Breite in Mittelwasserhöhe + 1,53 Wormser Pegel (alle Ordinaten sind der Einfachheit wegen auf diesen Nullpunkt bezogen, der auf + 86,102 N.N, liegt), eine Breite, die durch Uferbauten eine Einschränkung nicht erfahren durfte. Es ergab sich daher als naturgemässe Lösung eine 3theilige Strombrücke, deren Mittelöffnung der besseren Wirkung wegen eine etwas grössere Spannweite erhielt, als die beiden Seiten-Öffnungen. Unter beiden Brücken waren auf der Wormser Seite Uferstrassen und Hafengleise durchzuführen, während sich auf dem rechten Ufer an die Strombrücke das 300 m breite, am Ufer auf rd. + 3,0 W.P. liegende, bis zum Küblinger Landdamm mit 1:600 ansteigende Vorland anschliesst, das in ganzer Ausdehnung mit einem die Hochwasser-Abführung möglichst wenig hemmenden Inundations-Viadukt zu übersetzen war. Letzterer ist bei der Strassenbrücke, bei welcher die Rücksichten auf eine schöne Gesammtwirkung in höherem Maasse mitsprechen, ganz in Stein, bei der Eisenbahnbrücke mit Parallelträgern auf Steinpfeilern hergestellt. Für die Strombrücke hat man aus den gleichen Rücksichten, trotz der dadurch bedingten steileren Rampen, bei der Strassenbrücke den unter der Fahrbahn liegenden Bogen gewählt, während bei der Eisenbahnbrücke der neuerdings so beliebte aber weniger schöne Bogenträger über der Fahrbahn mit Zugband zur Anwendung gekommen ist. Die Abbildgn. 2 u. 3 in No. 92 geben von der Erscheinung beider Brücken ein gutes Bild.
– H. –

A. Die Strassenbrücke

Die Gesammtanordnung der Strassenbrücke, welche zwischen den Endwiderlagern eine runde Länge von 778 m, einschl. der Rampen eine solche von nahezu 1000 m besitzt, ist in dem Längenprofil Abbildg. 4 auf S. 571 in ganzer Ausdehnung, in Abbildg. 5 und 6 in Ansicht und Grundriss für die Strombrücke nebst ihren Anschlüssen dargestellt. Aus dem Längenprofil sind die Geländehöhen, die Wasserstände, die Spannweiten, Gründungstiefen und Gefällverhältnisse der Fahrbahn deutlich ersichtlich.

Abbildg. 4-6. Längsprofil, Ansicht und Grundriss
Abbildg. 4-6. Längsprofil, Ansicht und Grundriss

Die Strombrücke hat eine mittlere Oeffnung von 105,0 m und zwei seitliche Oeffnungen von je 94,4 m Stützweite. Die Kämpfer der als elastische Bogen mit zwei Gelenken ausgebildeten Hauptträger liegen auf + 7,277, also über höchstem Hochwasser. Für die Unterkanten der Konstruktion war die Forderung maassgebend, dass für die Schiffahrt in 42 m Breite die Höhe von 9,1 m über höchstem schiffbarem Wasserstande frei zu halten sei. Hieraus ergab sich im Scheitel der Mittelöffnung eine Fahrbahnoberkante von + 21,201 W.P. Der Anschluss an die Ufer ist dann derart vermittelt, dass die Fahrbahn der Strombrücke nach einer Parabel gekrümmt ist, die über den beiderseitigen Uferpfeilern die Höhe von + 18,646 W.P. ergiebt. Daran schliessen sich beiderseits Rampen mit 1:20 Gefälle.

Die Fluthbrücke am rechten Ufer hat 9 Steingewölbe erhalten, deren Spannweiten entsprechend der abnehmenden Höhe in einem sorgfältig abgewogenen Verhältnisse von 35-21 m allmählich abnehmen. Die Scheitel liegen sämmtlich entsprechend der Fahrbahn ebenfalls in einem Gefälle 1:30, die Kämpfer in einer unter 1:60 geneigten Linie. Diese Gewölbe sind in Gruppen von je 3 zusammengefasst, zwischen denen stärkere Zwischenpfeiler angeordnet sind. Auf dem linken Ufer schliessen sich an eine 18 m weite Unterführung der Hafenstrasse und Hafenbahn ebenfalls 3 gewölbte Oeffnungen von 32, 30 und 28 m Spannweite an. Infolge der sparsamen Gewölbe-Konstruktion stellen sich diese massiven Viadukte nicht wesentlich theurer als eiserne, vor denen sie den Vorzug geringerer Unterhaltungskosten besitzen, abgesehen von der schöneren Erscheinung.

Abbildg. 7. Oberstrom-Ansicht vom linken Ufer aus
Abbildg. 7. Oberstrom-Ansicht vom linken Ufer aus

Die Landwiderlager und sämmtlichen Vorlandpfeiler konnten auf Beton zwischen Spundwänden gegründet werden, wobei jedoch der erste Fluthpfeiler auf dem rechten Ufer noch vier Pfahlreihen erhalten musste; ebenso ist das Endwiderlager, um seine Unverschieblichkeit zu sichern, auf 122 Pfähle gestellt, die mit je 22 Tonnen belastet, den ganzen Gewölbeschub aufnehmen. Die beiden Strompfeiler sind 6 bezw. 5 m tief unter Rheinsohle mit Pressluft auf festem Sande gegründet, eine Tiefe, welche erfahrungsgemäss gegen Unterspülung vollkommen ausreichend ist. Kräftige Steinwürfe sichern ausserdem gegen Auskolkung. Die Beanspruchung des Baugrundes überschreitet keinenfalls 5 kg.

Die eisernen Senkkasten besassen 22 m Länge, 11 m Breite, 5,1 m Höhe und 2,5 m Lichthöhe des Arbeitsraumes. Sie wurden von festen Rüstungen aus versenkt. Das Eisengewicht betrug je 65 Tonnen. Für den Landpfeiler auf der Wormser Seite und den Thorthurm in Rosengarten kam ebenfalls die Pressluftgründung zur Anwendung. Der Senkkasten des letzteren hatte die stattlichen Abmessungen von 23,7 m Länge bei 15,7 m Breite, Er wurde auf dem Vorland montirt und ohne Rüstung abgesenkt.

Die Gründungsarbeiten gingen ohne ernstlichen Unfall und ohne besondere Schwierigkeiten vonstatten.

Abbildg. 8. Einzelheiten der Strompfeiler und der Fluthbrücke
Abbildg. 8. Einzelheiten der Strompfeiler und der Fluthbrücke

Die Einzelheiten des Pfeileraufbaues sind in Abbildg. 8 S. 576 für den rechten Strompfeiler und den ersten Pfeiler der Fluthbrücke am rechten Ufer zur Darstellung gebracht; sie gelten im wesentlichen auch für die übrigen, abgesehen von den beiden Thurmpfeilern, die des näheren zusammen mit der Architektur der Brücke später besprochen werden. Von den letzteren sei hier nur erwähnt, dass sie Thurmaufbauten tragen, welche sich noch 31,43 m am rechten, bezw. 37,04 m am linken Ufer über die Fahrbahn erheben und von der Fundamentsohle gerechnet eine Höhe von 56,66 bezw.

57,56 m erreichen. In diesen Thürmen sind in Fahrbahnhöhe die Brückengeld-Einnahmestellen angeordnet, während die oberen Geschosse zu 4 Dienstwohnungen ausgebaut sind. Auf der Wormser Seite führen neben diesem Pfeiler breite Freitreppen auf die tief liegenden Uferstrassen hinab, während am rechten Ufer nur die im Inneren des Thurmes vorhandenen beiden Wendeltreppen bis Hochwasser verlängert sind. Von da vermitteln kleine Rampen den Zugang zum Leinpfad und dienen gleichzeitig bei Hochwasser als geschützte Anlegestelle für Boote. Als Material ist für die Pfeiler wie auch für alle übrigen Konstruktionen Beton in ausgedehntem Maasse zur Anwendung gekommen. Das Mischungs-Verhältniss ist für den Stampfbeton der Senkkasten 1 Raumtheil Zement auf 3 Theile Sand auf 6 Theile Kies, während in dem oberen Beton der Strompfeiler bis unterhalb der Auflagerquader noch ¼ Steineinlage zugesetzt ist. Bis Niedrigwasserhöhe sind diese Pfeiler mit Buntsandstein aus pfälzischen Brüchen, weiterhin bis über die Auflager mit Basaltlava von Niedermendig, im oberen Schaft wieder mit Buntsandstein verkleidet. Der ganze Obertheil ist im übrigen hohl und mit einer Stampfbetondecke zwischen eisernen I-Trägern gedeckt. Eine Durchbrechung in der Längsrichtung des Pfeilers gestattet mit Hilfe des in der Eisenkonstruktion angeordneten Lauf- und Revisionssteges den Uebergang unter der Brückenbahn von einem Ufer zum anderen. Durch einen Einsteigeschacht nebst Leiter kann man von der Fahrbahn in die Pfeilerhohlräume hinabsteigen. Die Pfeiler der Fluthbrücke sind in ihren Fundamenten ebenfalls in Beton vom Mischungs-Verhältniss 1:3:6 hergestellt, im weiteren Aufbau bis zu den Kämpfern in Bruchstein, im Ansatz der Gewölbe in fetterem Stampfbeton 1:2,5:5, ein Material, welches im übrigen in der Hauptsache auch für die Gewölbe selbst verwendet wurde.

Die Gewölbe erscheinen infolge des ausgerundeten Anschlusses an die Pfeiler im Aeusseren als Korbbogen, sind aber thatsächlich als Stichbogen mit 1/8 bis 1/9 Pfeil konstruirt, mit Einlage 20 mm starker, 70 -110 mm breiter Bleiplatten zwischen den Kämpfer- und Scheitelquadern. Sie sind im übrigen, wie schon bemerkt, in Stampfbeotn ausgeführt und durch entsprechende Form der äusseren Laibung sorgfältig der Stützlinie angepasst und in den Stärken auf ein Mindestmaass beschränkt. Die Kämpferstärken schwanken von 0,65-0,82 m, die Scheitelstärken von 0,52-0,67 m. Für den Beton ist eine Pressung bis 20 kg/qcm zugelassen, während die Bleiplatten einen gleichmässig vertheilten Druck von in max. 120 kg/qcm aufnehmen müssen. Die durch die Bleigelenke ermöglichte Beweglichkeit der Bögen ist auch im fertigen Bauwerke aufrecht erhalten, indem die Scheitel- und Kämpfer-Fugen offen gelassen und über den letzteren in den Längs- und Um die Kosten der massiven Fluthbrücke möglichst derjenigen eines Viaduktes mit eisernem Ueberbau nahe zu bringen, ist im übrigen äusserst sparsam konstruirt. So sind alle Uebermauerungen, abgesehen von der kleinen Oeffnung am linken Ufer, fortgelassen und statt dessen über den Gewölbezwickeln nur dünne Längsmauern aufgestellt, welche die aus Stampfbeton mit Eiseneinlage in eigenartiger Weise hergestellte Fahrbahndecke tragen. Diese Decke hat mit Rücksicht auf die Abwässerung in Brückenmitte 16, an den Stirnen 14, an der Bordkante 12 m Stärke. Sie besteht aus I-Eisen N. Pr. 12 und 10, die auf den Längswänden aufgelagert und quer mit durchhängenden Bandeisenstreifen von 40.2 mm Stärke in 25 cm Abstand überspannt sind. Die Bandeisen wurden mit den Trägern verschraubt. Um den Beton fester anhaften zu lassen, wurden anfangs kleine Winkel aufgenietet, später aus den Bändern schmale Lamellen ausgestanzt und winkelartig aufgebogen. Die geglättete Oberfläche der fertigen Betonplatte, die sich bei einigen vorgenommenen Proben als sehr widerstandsfähig erwies, wurde mit einer doppelten Asphaltfilzlage abgedeckt, über welcher das Steinpflaster des Fahrdammes unmittelbar auf Sandbettung ruht.

Die Gesammtbreite der Brücke zwischen den Geländern ist auf 10,5 m bemessen, wovon 6,5 m auf den Fahrdamm, je 2 m auf die beiderseitigen Bürgersteige entfallen. Das Quergefälle des Dammes beträgt 1:50, der Bürgersteige 1:100. Letztere sind in ganzer Brückenlänge mit Asphalt abgedeckt, während der Fahrdamm auf Sandbettung mit Melaphyrsteinen gepflastert ist, deren Fugen über der Strombrücke mit Asphalt. Vergossen sind.

Die Entwässerung der Brückenbahn wird über der Fluthbrücke am rechten Ufer durch Abfallröhren im Scheitel bewirkt, während am linken Ufer über den Strassen und Gleisen eine seitliche Abführung am Pfeiler erforderlich wurde. Für besondere Entwässerung der Tragplatte der Brücke und der Gewölbezwickel ist Vorsorge getroffen.

Abbildg. 9. Lehr- und Versetz-Gerüste der Fluthbrücke
Abbildg. 9. Lehr- und Versetz-Gerüste der Fluthbrücke

Die Ausbildung der Lehrgerüste ist aus Abb. 9 zurgenüge ersichtlich, welche einen Theil der ersten Fluthöffnung am rechten Ufer zeigt mit 18 m weit gespanntem eisernem Mitteltheil, unter dem Eisenbahn- und Transportgleise sowie Laufkrahne nach den Lagerplätzen durchzuführen waren; die Abbildung lässt ferner einen Theil des geschlossenen Lehrgerüstes der zweiten Fluthöffnung erkennen. Zur Ausrüstung der 30 mm überhöhten Gerüste wurden ausschliesslich Schraubenspindeln verwendet. Zum Versetzen der Brückenstirn dienten hochbeinige Laufkrahne mit elektrischem Antrieb, welche, die ganze Brückenbreite überspannend, auf in Geländehöhe liegenden Schienen liefen. Die Thurmpfeiler wurden theils unter Benutzung eines hohen hölzernen Drehkrahnes mit wagrechtem Auslager mit Laufkatze, theils mit Zuhilfenahme einer abgebundenen Rüstung hochgeführt. Für den Betrieb der Krahne usw. war eine besondere elektrische Kraftstation auf der Baustelle angelegt.

Abbildg. 10. Querschnitt der Mittelöffnung
Abbildg. 10. Querschnitt der Mittelöffnung
Abbildg. 11. Ansicht und Schnitte des Mittelbogens am Kämpfer
Abbildg. 11. Ansicht und Schnitte des Mittelbogens am Kämpfer
Abbildg. 12. Längsschnitte durch die Fahrbahn
Abbildg. 12. Längsschnitte durch die Fahrbahn

Die Hauptträger der Strombrücke sollten nach den Forderungen des Wettbewerbes wenn möglich unter die Fahrbahn gelegt werden, sowohl mit Rücksicht auf die äussere Erscheinung der Brücke als auch auf den Verkehr, für den eine ungetheilte Brückenbahn zweifellos günstiger ist. Da die örtlichen Verhältnisse es zuliessen, wurden daher unter der Fahrbahn liegende Bogenträger gewählt und zwar Sichelbogen mit Kämpfergelenken, weil sich bei diesen die Uebertragung der Last auf 2 Punkte schon im Aeusseren am klarsten ausdrückt. Als Krümmungskurve wurde eine Ellipse angenommen, die bei tiefen Kämpfern, also hohem Pfeil, mit ihrem flachen Scheitel den Anforderungen der Schiffahrt am besten entgegenkommt. Die beiden Seitenträger haben eine Stützweite zwischen den Gelenken von je 94,4 m erhalten, während die-Mittelöffnung 105,6 m besitzt. Das Pfeilverhältniss beträgt bei allen rd. 1:9,5, während die Bogenhöhe etwa 1/50 der Stützweite ausmacht. Die Bogen sind zwischen den beiden kastenförmigen Gurtungen mit doppeltem, steifem Gitterwerke verbunden, also statisch zweifach unbestimmt. In den Abbildgn. 10, 11 u. 12 sind die Einzelheiten der Eisenkonstruktion des Mittelbogens dargestellt. Jede Spannung besitzt 2 Hauptträger in 7,5 m Abstand von Mitte zu Mitte, auf welche sich die Last der Brückenbahn mit starken Querträgern, auf deren überstehenden Enden die Bürgersteige ruhen, und mit senkrechten Stützen überträgt. Um die Bewegung des Bogens und der Fahrbahntafel von einander unabhängig zu machen, ist letztere mit ersterer nur im Scheitel durch Dorne verbunden, während sie mit Kugellagern auf den Köpfen der in 7,74 m bezw. 8,01 m Entfernung angeordneten Stützen aufruht, die ihrerseits mit dem Bogen nur durch ein Flachgelenk verbunden sind, welches ein seitliches Ausbiegen in der Längsrichtung gestattet. Die beiden Bogen sind zwischen ihren Gurten gegeneinander leicht derart abgesteift, dass sie sich gegenseitig nicht in ihrer freien Beweglichkeit beeinflussen. Zwischen den Stützen sind keine Querversteifungen eingelegt. Ein Windverband ist nur am Untergurt angeordnet, während die sehr steife Fahrbahntafel den oberen Windträger ersetzt. Die als Fachwerksträger ausgebildeten kontinuirlichen Längsträger ruhen mit ihren Obergurten auf den Querträgern frei auf und sind mit ihren Untergurten durch letztere hindurch gesteckt und seitlich in den Schlitzen abgesteift. Zwischen je 2 Querträgern ist eine doppelte Querverspannung angeordnet. Das letzte Ende der Längsträger zwischen Endvertikale und Pfeilerauflager ist nur mit Bandgelenk am Obergurt angeschlossen, um dem wechselnden Spiel der Bogen in seiner Höhenlage folgen zu können. Die Schlitze zwischen Fahrbahnende und Pfeiler sind mit Ausgleich-Vorrichtungen überdeckt, die aus 15 mm starken, zahnartig in einander greifenden hochkantigen Flacheisen bestehen und der berechneten grössten Verschiebung von 40 mm genügen. Auf den Bürgersteigen ist die Abdeckung der Schlitze durch einfache Schleppbleche bewirkt. Die Fahrbahnabdeckung ist abweichend von der bisherigen Ausführungsweise aus 8 mm starken Blechen gebildet, welche durch aufgenietete 6 cm hohe Z-Eisen in 0,60 m Entfernung versteift sind. Die Blechhaut folgt nach beiden Seiten dem Quergefälle der Brücke, sodass eine Entwässerung an den Bordkanten in einfacher Weise möglich wurde. Hierin und in ihrem geringeren Gewicht besitzt diese Anordnung einen Vorzug vor Buckelplatten, während man gegenüber den gewöhnlichen Belageisen eine grössere Haltbarkeit der dünnen Betondecke, die übrigens noch mit Asphaltfilz abgedeckt ist, erhofft. Die Bürgersteige sind in üblicher Weise mit Belageisen abgedeckt. Das Eisengewicht der Konstruktion, die, abgesehen von den gusstählernen Lagern, ganz in Flusseisen hergestellt ist, beträgt für den Mittelbogen 350,4 t Flusseisen, 20,30 t Gusstahl, für die beiden Seitenbogen zusammen 599 t Flusseisen, 33,9 t Stahlguss, für die Fahrbahn 737,7 t Flusseisen und 82 t Gusseisen für das Geländer. Das Gesammtgewicht der Eisenkonstruktion beläuft sich demnach auf rd. 1823 t. Die fertig aufgestellte Eisenkonstruktion ausschl. Rüstung kostete 275 M. für die Tonne.

Abbildg. 13. Montagegerüst der Mittelöffnung
Abbildg. 13. Montagegerüst der Mittelöffnung

Der Berechnung waren für die Hauptträger 400 kg/qm Verkehrslast in voller Brückenbreite, für die Fahrbahn eine Belastung durch zwei nebeneinander fahrende 12 t schwere Wagen, umgeben von Menschengedränge, bezw. als schwerste Last das Gewicht eines 24 t schweren Wagens bezw. einer 21,9 t schweren Dampfwalze zugrunde gelegt. Für einzelne Theile der Fusswege waren 560 kg/qm Verkehrslast, für die Geländer 80 kg Horizontaldruck für 1 m in Höhe der Handleiste angreifend, für den Winddruck 280 kg/qm für die unbelastete, 150 kg/qm für die mit einem 2,50 m hohen Lastenzug besetzte Brücke angenommen. Als Beanspruchung wurden für die Fahrbahntheile 1000 kg, für die Hauptträger ausschl. Winddruck und Temperaturspannungen 1200 kg, als Maximalbeanspruchung bei ungünstigsten Belastungsverhältnissen 1700 kg für 1 qcm zugelassen.

Die Wasserabführungs- und Schiffahrtsverhältnisse bedingten eine möglichstrasche Aufstellung des eisernen Ueberbaues, jedoch durfte nur je 1 Oeffnung gesperrt werden. Alle 3 Ueberbauten wurden, nachdem die im April 1897 angefangenen Gründungs- und Mauerarbeiten entsprechend gefördert waren, im Jahre 1898 aufgestellt. Mit der Montage der ersten, rechtsseitigen Oeffnung wurde im Mai, mit der linksseitigen im August begonnen, mit der Mittelöffnung, nachdem am 24. September 1898 die Rüstungen aus den Seitenöffnungen entfernt waren. Schon am 16. Dezember desselben Jahres konnte die ganze Mittelöffnung wieder freigegeben werden. Die Rüstung dieses Bogens, die eine 28 m weit gespannte, mit eisernem Träger überbrückte Durchfahrt besass, ist aus der photographischen Aufnahme, Abbildg. 13 S. 577, ersichtlich.

Alles in allem wurde die Brücke in drei Jahren völlig fertiggestellt, eine hervorragende Leistung für die betheiligten Unternehmer-Firmen. – Die Gesammtkosten waren anschlagmässig auf etwa 2,8 Mill. M. bemessen, während sich die Ausführungskosten auf 3 197 000 M. stellten.

Die Urheber des Entwurfes der Brücke sind schon mehrfach genannt worden. Es ist noch hinzuzufügen, dass seitens der beiden betheiligten Firmen Hrn. Ing. A. Grün der Firma Grün & Bilfinger die gesammte Leitung der Ausführung übertragen war, dem als örtlicher Bauleitender noch Hr. Ing. Preiss von der Nürnberger Maschinenbau A.-G. zurseite stand. Die staatliche Oberleitung bei Aufstellung der Baupläne und der Ausführung hatte Hr. Geh. Brth. Dr.

Schäffer bis Ende Juli 1899, dann Hr. Geh. Oberbrth. Imroth. Die Bauleitung war dem grossherzgl. hess. Wasserbauamt Worms, unter Hrn. Brth. Reinhardt, übertragen.

Wenn wir nun kurz hervorheben wollen, worin die Bedeutung des neuen Brückenbauwerkes liegt, so kann das nicht anschaulicher geschehen, als durch das Kopfbild dieser Nummer, das im Vordergrunde die überflüssig gewordene, beiseite gesetzte alte Schiffbrücke, dahinter die neue Strassenbrücke zeigt, die mit kühnem Bogen den mächtigen Strom, ohne ihn zu beengen, überspannt, eine sichere, jederzeit gangbare Verbindung der bisher nur zu oft durch Hochwasser und Eisgang getrennten beiden Ufer bildend. Nicht treffender kann der Vergleich zwischen einst und jetzt gezogen, nicht besser zum Ausdruck gebracht werden, welche Fortschritte der Verbindung der Erfindungskraft und der grübelnden Verstandesarbeit des Ingenieurs mit dem künstlerischen Empfinden des Architekten zu verdanken sind.
– Fr. E. –

B. Die Eisenbahnbrücke.

Abbildg. 14. Die neue Eisenbahnbrücke über den Rhein bei Worms. Ansicht vom linken Ufer
Abbildg. 14. Die neue Eisenbahnbrücke über den Rhein bei Worms. Ansicht vom linken Ufer

Die Breite des Rheines zwischen den Korrektions-Linien beträgt an der Baustelle der Eisenbahnbrücke ebenfalls 300 m, das vom Hochwasser überfluthete Vorland am rechten Ufer erweitert sich dagegen bis auf etwa 600 m. Für die Strombrücke blieb daher die Dreitheilung wie bei der Strassenbrücke bestehen, die Spannweiten sind jedoch etwas grösser ausgefallen, nämlich 102,2 m für die beiden Seitenöffnungen und 116,8 m für die Mittelöffnung. Es hat dies seinen Grund darin, dass der rechtsseitige Landpfeiler mit Rücksicht auf sicherere Gründung etwas weiter hinter die Korrektions-Linie zurückgeschoben ist. Die Fluthbrücke besteht aus 17 Oeffnungen, die mit Ausnahme der etwas abweichenden beiden Endspannungen von Mitte zu Mitte Pfeiler je 35,25 m Weite besitzen. An dem über gewöhnlichem Hochwasser liegenden linken Ufer ist unter dem Landpfeiler nur noch eine 8,85 m weite gewölbte Unterführung für 2 Hafengleise angeordnet, im übrigen die Eisenbahn auf Dammschüttung geführt. Aus dem Längenprofil, Abbildg. 15, sind die Eintheilung, die Höhen- und die Gründungs-Verhältnisse, sowie die Gefälle ersichtlich.

Abbildg. 15. Längenprofil der Eisenbahnbrücke
Abbildg. 15. Längenprofil der Eisenbahnbrücke

Die Gründung der sämmtlichen Fluthpfeiler sowie auch der beiden Uferpfeiler der Strombrücke konnte auf Beton zwischen Spundwänden erfolgen, während die beiden Strompfeiler mit Luftdruckgründung bis auf 7 bezw. 9 m unter Flussohle hinabgeführt werden mussten, bis ein genügend fester Sandboden erreicht wurde. Als Mischungsverhältniss des Betons unter Wasser ist durchweg 1:3:6 gewählt. Auch der über Wasser liegende Kern der Pfeiler ist in Stampfbeton und zwar 1:4:7 hergestellt und mit Werkstein umkleidet. Als Material für die Verblendung wurde Basaltlava bei den Strompfeilern in ganzer Höhe, bei den Landpfeilern bis über Hochwasser und bei den Fluthpfeilern für 1 Schicht in Höhe des Vorlandes verwendet, während die gesammte übrige Verblendung, auch für die beiden Thürme auf den Uferpfeilern, in Pfälzer Sandstein ausgeführt ist. Die Auflagerquader bestehen aus Schwarzwälder Granit.

Die Strompfeiler und die sämmtlichen Pfeiler der Fluthbrücke sind nur bis zur Höhe der Auflager der Eisenkonstruktion geführt und bieten nichts Besonderes.

Abbildg. 16. Linkes Widerlager
Abbildg. 16. Linkes Widerlager

Die beiden Uferpfeiler dagegen steigen bis zur Höhe der Brückenbahn empor und tragen Thorthürme, die sich noch bis rd. 17 m über letztere erheben (vergl. die Abbildgn. 14 u. 16). In beiden Thürmen sind Treppen angeordnet, die vom Vorlande bis in die Obergeschosse führen. Die Innenräume dienen theils militärischen Zwecken, theils als Lagerräume.

Abbildg. 17. Einzeilheiten der Eisenkonstruktion
Abbildg. 17. Einzeilheiten der Eisenkonstruktion

Die Eisenkonstruktion ist in allen Theilen auf das sorgfältigste und nach den neuesten Grundsätzen durchgebildet. Die Uferbauten der Fluthbrücken sind als unter der Fahrbahn liegende Parallelträger und zwar mit Netzwerk und Zwischenvertikalen ausgestaltet. Sie liegen in der Neigung von 1:200, Für die 3 Stromöffnungen ist das System des über der Fahrbahn liegenden Fachwerksbogens mit Zugband gewählt. Abbildg. 17 u. 18 geben die allgemeine Anordnung und die Einzelheiten der Eisenkonstruktion einer Seitenöffnung von 102,2 m Stützweite an. Der 116,8 m weit gespannte Mittelbogen hat dieselbe Endhöhe, dagegen 13,711 m Höhe von Zugbandmitte bis Mitte Untergurt des Bogens. Die Feldtheilung beträgt gleichmässig für alle 3 Oeffnungen 7,3 m. Die Hauptträger haben bei 4 m Entfernung der beiden Gleise von Mitte zu Mitte 9 m Abstand erhalten. Da die Brücke gleichzeitig auch als Fussgängersteg dienen soll, sind beiderseits der Hauptträger auf den ausgekragten Querträgern Bürgersteige von je 1,5 m lichter Breite gelagert.

Um eine klare Beanspruchung der Hauptträger zu erzielen und Nebenspannungen nach Möglichkeit auszuschliessen, hat die Firma Harkort, welche den eisernen Ueberbau entworfen und ausgeführt hat, das von ihr, bei dem Wettbewerb um die Bonner Rheinbrücke zum ersten Male vorgeschlagene Prinzip der freischwebenden Fahrbahn durchgeführt, d. h. die Fahrbahn von dem Haupttragewerke soweit getrennt, wie dies die Nothwendigkeit der Uebertragung der Wind- und Bremskräfte irgend gestattet. Die Fahrbahn ist daher bei den Knotenpunkten 1 durchschnitten und mit dem Zugband nur in der Mitte bei Punkt 7 fest verbunden, während im übrigen die pendelartige Aufhängung des Zugbandes an den Querträgern eine von einander unabhängige Ausdehnung der Fahrbahn und des Zugbandes gestattet. Letzteres bildet gleichzeitig die Gurtung des unteren Windverbandes. Um die auf die Fahrbahn und die sich auf derselben bewegenden Züge wirkenden Windkräfte auf diesen Windverband zu übertragen, besitzen die Querträger knaggenartige Ansätze, mit denen sie sich gegen das Zugband seitlich anstemmen. Zur Uebertragung der Bremskräfte ist der Windverband in Fahrbahnmitte besonders stark ausgebildet. Die Fahrbahn ist natürlich in den Endfeldern 0-1 mit dem Haupttragewerk fest verbunden. Die Schienenträger des Mittelstückes sind dabei auf Ansätzen des Querträgers 1 frei gelagert.

Um durch die Verbindung der Quer- mit den Hauptträgern in letzteren keine Nebenspannungen zu erzeugen, ist auch diese Verbindung durch einen einfachen Drehbolzen beweglich hergestellt, und ferner ist auch die obere Querversteifung der Bögen, abgesehen von dem mit steifem Portal versehenen Endfeld, so konstruirt, dass eine gewisse Beweglichkeit in der Vertikalebene vorhanden ist, sodass die beiden Hauptträger sich also unabhängig von einander durchbiegen können. Es ist dies in einfacher Weise dadurch erreicht, dass die Querversteifungen nur mit biegsamen Horizontalblechen angeschlossen sind. Um im übrigen trotz dieser allseitigen Beweglichkeit die nöthige Längs- und Quersteifigkeit zu erzielen, sind beide Windverbände sehr kräftig und in allen Stäben zur Aufnahme von Zug und Druck geeignet konstruirt.

Die Auflager sind so ausgebildet, dass sowohl auf der festen, wie auf der verschieblichen Seite je ein Auflager auch seitlich verschieblich ist.

Abbildg. 18. System einer Seitenöffnung
Abbildg. 18. System einer Seitenöffnung

Bei der Berechnung der Hauptträger war für jedes Gleis ein Zug von 3 je vierachsigen Lokomotiven von je 7 t Raddruck nebst dreiachsigem Tender von je 5 t Raddruck in ungünstigster Stellung mit einem darauf folgenden Güterzuge von zweiachsigen Wagen mit je 5 t Raddruck, sowie eine Belastung der Bürgersteige mit je 400 kg/m anzunehmen. Letztere Belastung war für die Berechnung der Fusswege selbst auf 560 kg/qm zu steigern. Der Winddruck war mit 280 kg/qm bei unbelasteter und mit 150 kg/qm bei belasteter Brücke für einen 3,5 m hohen Lastenzug anzusetzen. Die zulässigen Beanspruchungen entsprechen denjenigen der Strassenbrücke. Das Eisengewicht der Strombrücke beläuft sich auf etwa 2750 t, das der sämmtlichen Fluthbrücken zusammen auf rd. 2500 t.

Bei der Montage wurden stets 2 Oeffnungen für die Schiffahrt ganz frei gehalten, sodass die dritte fest eingerüstet werden konnte. Für die Strompfeiler-Ausführung waren Rüstungen nur in geringem Maasse erforderlich. Bei dem Bau wurden elektrisch betriebene Krahne verwendet. Mit den Gründungsarbeiten wurde am 7. März 1898 begonnen, mit der Montage der linksseitigen Oeffnung August 1899. Die Mittelöffnung wurde im Juni und September 1900 aufgestellt.

Die Kosten haben für die Gründungsarbeiten, die Pfeilerherstellung und für allgemeine Aufwendungen etwa 1 250 000 M., für die Eisenkonstruktion nebst Zubehör rd. 1 750 000 M. betragen.

Zum Schlusse seien noch diejenigen Ingenieure genannt, welche bei Entwurf und Ausführung in erster Linie mitgewirkt haben. Wie schon früher hervorgehoben, waren Entwurf und Ausführung die gemeinsame Arbeit der Brückenbau-Anstalt Harkort in Duisburg, Dir. Hr. Ing. Seifert, Ober-Ingenieur Hr. Backhaus, und der Tiefbau-Firma R. Schneider-Berlin, insbesondere der Hrn. Ingenieure C. Schneider und H. Steiner. Letzterem lag auch die Leitung der Bauarbeiten in Worms ob; seitens der Firma Harkort war hierzu Hr. Ingenieur Hahner bestellt. Die staatliche Oberleitung bei Aufstellung der Baupläne und der Ausführung war Hrn. Regierungs- und Baurath Geibel, die spezielle Bauleitung Hrn. Regierungs-Baumeister Jordan übertragen.

Mit der für den 1. Dezember d. J. in Aussicht genommenen Eröffnung der Brücke wird durch diese ein neues, wichtiges Bindeglied zwischen den Eisenbahnnetzen der beiden Rheinufer eingefügt.
– Fr. E. –

III. Die Architektur der Brücken.

Abbildg. 19. Portal der Wormser Seite der Strassenbrücke
Abbildg. 19. Portal der Wormser Seite der Strassenbrücke

Architekt: Geh. Ober-Baurath Professor K. Hofmann in Darmstadt.
Es will beinahe scheinen, als ob die Wende des Jahrhunderts auch für den deutschen Brückenbau eine Wende in künstlerischem Sinne bedeute. Denn die drei hervorragenden deutschen Brückenbauten, die den Schluss des Jahrhunderts bezeichnen, die Brücken bei Bonn und Worms, zeigen schon in ihren ersten Entwicklungsstadien das bewusste Bestreben, neben dem reinen Zweckmässigkeits-Standpunkte auch der schönen, sich in die Umgebung einordnenden Erscheinung die Bedeutung zu verleihen, die sie in früheren Jahrhunderten besessen, die sie aber infolge der auf das nackte Konstruktions-Bedürfniss basirten Entwicklung der Ingenieurkunst im Laufe des letzen halben Jahrhunderts verloren hat. Aber die Anzeichen mehren sich, dass auch auf dem Gebiete der Ingenieurkunst die hervorragenderen Geister von ihren Werken nicht allein das kleinste Rechnungs-Ergebniss und die nüchterne Erfüllung ihres Zweckes bei knappster Begrenzung der übrigen wirthschaftlichen Momente und ohne Rücksicht auf die dadurch entstehende Form verlangen, sondern dass diese Faktoren, analog dem fortschreitenden allgemeinen Schönheits-Bedürfniss, bereit sind, der Erscheinung des Werkes, der gefälligeren Konstruktionslinie, dem künstlerischen Gesammteindruck jene Bedeutung beizumessen, die gesonnen ist, auch in der Aufwendung der Mittel über das Mindestmaass hinaus zu gehen, welches die reine Zweckerfüllung nur beansprucht. Und das geschah und wird hoffentlich in verstärktem Maasse weiter geschehen trotz vereinzelter Stimmen, die durch ihre Thätigkeit im architektonischen Lager zu stehen scheinen und die, wie z. B. van de Velde, die ungefüge und rohe Erscheinung der Forth-Brücke als eine Art Vorbild für eine Art Konstruktionskunst, welche in einer neuen Aera neue Ausblicke eröffnen soll, hinstellen.

Wer den Realismus und den Umsturz in der allgemeinen Kunstanschauung, im Gefühlsleben der Massen, auf weiches die Brückenbauten doch in erster Linie einwirken, so weit treibt, verkennt völlige den Unterschied zwischen der öffentlichen und der privaten Kunst. Die öffentliche Kunst ist die der Menge, die private Kunst die des Einzelnen. Was am Markte steht, was sich über den Fluss spannt, was seine Massen zu weitem Ueberblick und zu weiter Erkennung hoch thürmt, das ist für die Menge; hier gilt nicht der Grundsatz l’art pour l’art, hier ist die Kunst nicht Selbstzweck, sondern hier steht sie in einem höheren, wir möchten beinahe sagen, edleren Dienste, im Dienste des Volkes. Daraus folgt, dass sie den Empfindungen und Strömungen der Volksseele Rechnung tragen muss, dass sie der Ueberlieferung, der Volksgewöhnung ein Recht soweit einräumen muss, dass sie verstanden wird und ihr folgen kann. Mit anderen Worten: das öffentliche Werk und mit ihm der Brückenbau ist kein Werk einer Ich-Kunst, es wird nicht vom Künstler für die Kunst, sondern es wird vom Künstler für das Volk geschaffen. Hier scheiden sich die Begriffe Individualismus und Demos wie Oel und Wasser. Anders ist es bei dem privaten Kunstwerke, welches der Einzelne sich gönnt und bestellt. Was innerhalb der Mauern eines Wohnhauses steht, braucht auf jene allgemeinen Beziehungen keine Rücksicht zu nehmen, kann, völlig abgesondert von seiner Umgebung, nur das zum Ausdruck bringen, was der Künstler will und der Besteller oder Käufer billigt. Aus dieser, wie uns dünkt, einfachen Ueberlegung ergiebt sich die nicht zu beseitigende Thatsache, dass das Gebiet des Brückenbaues kein Arbeitsgebiet für unabhängige individualistische Kunstbestrebungen ist, so sehr auch die Versuchung naheliegt, dieses Gebiet zu benutzen, um auch hier, wie es für andere Gebiete nicht ohne Erfolg geschehen ist, den Begriff der mechanischen Schönheit zu etabliren. Aufgrund dieser oder ähnlicher Erwägungen zweifellos ist die künstlerische Ausbildung der Bonner und der beiden Wormser Rheinbrücken erfolgt. Als Bruno Möhring bei der Bonner Brücke dem genius loci in der zweifachen Hinsicht Rechnung trug, dass er ihr die Formen lieh, welche in der Blüthezeit der rheinischen Städte entstanden sind und als er den volksthümlichen Humor des Studentenlebens von Bonn in den Einzelbildungen der Brücke wieder anklingen liess, da that er es in dem richtigen Gefühl, dass er nicht für sich und aus sich, sondern dass er für das Volk und aus seiner grössten Zeit heraus baute. Und dasselbe that Hofmann, als er dem architektonischen Theil der beiden Wormser Brücken, die so wuchtig und so beredt aus den diesem Aufsatze beigegebenen Abbildungen zu uns sprechen, die heimathlichen Formen jener grossen deutschen Zeit verlieh, in welcher Worms eine führende Rolle in der deutschen Geschichte spielte: die Formen des romanischen Mittelalters.

unbeschriftet (Seite 597)
unbeschriftet (Seite 597)
Abbildg. 20. Uferpfeiler der Strassenbrücke auf der Womser Seite
Abbildg. 20. Uferpfeiler der Strassenbrücke auf der Womser Seite

Keın deutscher Strom, vielleicht kein Strom überhaupt bietet die Entwicklung der Brückenbaukunst im Laufe der Jahrtausende in so anschaulicher Weise dar, wie der Rheinstrom, weil er ein Gebiet durchzieht, welches seit Alters als der Mittelpunkt der europäischen und der Kulturinteressen der Welt, soweit diese Welt bekannt war, galt. Von der Brücke, die Julius Cäsar über den Rhein schlug und deren Beschreibung uns in seinem Buche „De bello gallico“ erhalten ist, bis zu den Brückenbauten unserer Tage ergiebt sich eine ununterbrochene Reihenfolge, in welcher die festen und überbauten Holzbrücken des Oberrheines, die zahlreichen Schiffbrücken, die Balkenbrücken bei Köln und Mannheim, die frühe Bogenbrücke bei Koblenz, die Brücken bei Mainz, Düsseldorf, Bonn und nunmehr Worms die festen Entwicklungspunkte bezeichnen. Und an der Spitze dieser Entwicklung, die eine stufenweise fortschreitende ist,steht unstreitig die neue Wormser Strassenbrücke.

Ihre Gestaltung ist durch eine Reihe von Umständen bestimmt worden, die schon das Konkurrenz-Programm anführt. Da die Stadt Worms auf der Südseite durch grosse Fabrik-Anlagen eingeschlossen ist und die Bebauung des tiefliegenden südöstlichen Stadttheiles nur unter erheblichen öffentlichen und privaten Aufwendungen erfolgen kann, so schreitet die künftige Stadterweiterung in absehbarer Zeit naturgemäss mehr nach Norden und Westen fort. Es war infolgedessen die Lage der Brücke nicht mit Rücksicht auf die nächsten Bedürfnisse und Kosten, sondern von einem grossen Gesichtspunkte aus für die fernere Zukunft zu wählen und von der gewählten Lage war wiederum die Art und das Maass der künstlerischen Gestaltung abhängig. Dazu kam die Anlage von Treppen-Aufgängen zur Brücke, die Schaffung von Einrichtungen und Räumen zur Erhebung von Brückengeld usw. Dazu kamen ferner die schon früher erwähnte Vorschrift des Programmes, welche auf „eine ästhetisch schöne, wenn auch einfache Ausbildung der gesammten Anlage, bei wissenschaftlich richtiger, praktisch reifer Anordnung“ besonderen Werth legte, und die aus architektonischen Gründen gewährte Freiheit, die Maasse der drei Fluth-Oeffnungen unter sich zugunsten einer schöneren Erscheinung der Brücke verändern zu können.

So ausgesprochene Absichten mussten auf die künstlerische Qualität des siegreichen Entwurfes von nachdrücklichem Einfluss sein, eine Voraussicht, welche durch den Ausgang des Wettbewerbes in überraschender Weise gerechtfertigt worden ist. In seinem mit dem vielsagenden Kennworte: „Civitati Vangionum“ versehenen Konkurrenz-Entwurfe lieferte Hofmann eine Arbeit, die zu bedeutend war, als dass sie gleich und ohne Schwierigkeiten zur Ausführung bestimmt worden wäre. Es hat vielmehr nicht geringer Kämpfe bedurft, um das Werk zu retten. In einer Zuschrift an uns vom 6. April 1900 erkannte es der Meister willig an, dass durch die Besprechung des Entwurfes in unserer Zeitung dem Brückenbau „ausserordentliche Pionierdienste geleistet wurden, indem die Thürme unverändert zur Ausführung gekommen sind“. Die Festschrift zur Einweihung der „Ernst-Ludwigs-Brücke“ führt den Wunsch an, den die „Deutsche Bauzeitung“ dem Entwurfe damals mit auf den Weg gab. Er gipfelte in den Worten, dass der Entwurf für die Stadt Worms so erstehen möge, wie er gedacht und gedichtet sei, „so stolz, so urwüchsig, so märchenhaft anklingend an die alte grosse Wormser Zeit, als Markstein einer neuen Entwicklung, als ein Beweis, dass in ihren Mauern gross denkende, ihrer Vorfahren würdige Menschen leben, die, ebenso wie bei ihren grossen Bauten, die Schönheit zu würdigen wissen.“ Der Wunsch ist, wie die Leser aus unseren Abbildungen erkennen wollen, in glänzende Erfüllung gegangen. Wenn der grossherzoglich hessische Staatsminister Rothe in seiner Ansprache bei der Eröffnung der Brücke diese als ein Bauwerk bezeichnete, „welches in seiner Verbindung des Ingenieurwesens mit der edelsten Baukunst ein herrliches Denkmal echt deutscher Art“ sei, das ganz Deutschland zur Zierde und dem Hessenlande zur höchsten Ehre gereiche, so war das keineswegs eine der üblichen Uebertreibungen der hochgehenden Feststimmung.

In einem Artikel der Frankfurter Zeitung vom 26. März 1900, welcher der Eröffnung der Strassenbrücke gewidmet ist, erinnert der Geh. Brth. Prof. Theod. Landsberg in Darmstadt daran, dass nur wenige Jahrzehnte verflossen seien, seit man es für der Mühe werth halte, einen Brückenbau schön herzustellen, „Es war so weit gekommen, dass ein hervorragender Ingenieur die Frage aufwerfen konnte: „Müssen Brücken hässlich sein?““ Glücklicherweise sei dieser Standpunkt verlassen; heute würdige man auch die architektonische Bedeutung der Brückenbauten, welche ebenso wie Paläste, Kirchen; Parlamentsbauten u. a. bestimmt seien, den nachgeborenen Geschlechtern Zeugniss abzulegen von der Kultur unserer Zeit. Wir verzeichnen mit freudiger Genugthuung diese Ausführungen eines geistreichen Ingenieurs. Es ist Geist von diesem Geiste, welcher in den Wormser Brückenbauten zu erkennen ist.

Was die architektonische Ausbildung der Strassenbrücke im Einzelnen anbelangt, so sind die mittelalterlichen Formen der Thürme und Pfeiler in den Hauptmotiven den von Bischof Burkard erbauten und im Jahre 1689 durch die Franzosen zerstörten Stadtthoren entlehnt. Mit Recht hat man diese dem historischen Charakter der Stadt Worms entsprechenden Formen und Gestaltungen bei dem Brückenbau, dem sie zweckentsprechende Dienste leisten, wieder aufleben lassen. Dazu kommt, dass keine Bauweise in dem Maasse wie die romanische es gestattet, bei Verwendung der gewöhnlichen Baustoffe und der einfachsten Gliederungen lediglich durch malerische Gruppirung eine grosse, monumentale Wirkung zu erreichen.

Portal der Wormser Seite
Portal der Wormser Seite

Der leitende Gedanke des Gesammt-Entwurfes war, die in ganz verschiedenen Materialien – Stein und Eisen – ausgeführten Fluss- und Strombrücken durch hochragende Thorthürme zu trennen. Dabei forderten die verschiedene Stellung der beiden Thürme zur Stadt einerseits und zum freien Lande bezw. einer nur kleinen Häusergruppe andererseits, ferner die ungleiche Höhenlage der beiden Ufer und der Fahrbahn, sowie endlich der Gedanke, die Wormser Seite in der architektonischen Ausbildung der Brücke zu bevorzugen, zu einer unsymmetrischen Gestaltung auf, wie sie das Mittelalter vielfach zeigt. Dementsprechend zeigt der Thorthurm in Rosengarten einen verhältnissmässig hohen, aber einfachen Unterbau mit seitlichen Auskragungen in der Höhe der Fahrbahn und eine schlichte Ausführung der Dachhaube, während der Thorthurm auf der Wormser Seite ein niedrigeres, widerlagartig verbreitertes Untergeschoss hat, im Aufbau über der Fahrbahn aber eine um so grössere Höhe entwickelt und eine durch Auskragungen und Eckthürmchen bereicherte Bekrönung erhalten hat. Aber trotz der Verschiedenartigkeit des Aufbaues ist die Einheitlichkeit in der Gesammthaltung der beiden Thürme gewahrt.

Der Thorthurm gegen Rosengarten erhebt sich 56,6 m über Fundamentsohle, 46,8 m über Geländefläche und 31,4 m über der Fläche der Fahrbahn; seine Breite beträgt zwischen den Stirnflächen 15,5 m. Die gleiche Breite hat der Thorthurm der Wormser Seite, der sich 57,5 m über Fundamentsohle, 48 m über Gelände und 37 m über der Fahrbahn erhebt. Die lichte Weite des Thorbogens beträgt 10,5 m, die entsprechende Höhe 9 m. Ueber die Raumvertheilung in den Thürmen geben die Grundrisse, über die Höhenverhältnisse des Inneren die Schnitte S. 600 und 601 die entsprechende Auskunft. Die Räume für die Brückengeld-Erhebung liegen in Fahrbahnhöhe in wehrgangartigen Ausbauten, die Obergeschosse enthalten 4 Dienstwohnungen, jede mit getrenntem Aufgang, Keller, Abort usw.

Die Thürme sind in Bruchstein-Mauerwerk ausgeführt; für die sichtbaren Flächen wurde Grauwacke aus den Brüchen bei Niederheimbach am Rhein und bei Herborn in Oberhessen, für die Gliederungen theils rother Mainsandstein, theils Pfälzer Sandstein verwendet. Die Hintermauerung wurde aus Neckarsandstein ausgeführt. Die Räume für die Brückengeld-Erhebung sind mit Steindächern, die Hauptdächer mit den Eckthürmen mit rheinischem Schiefer in deutscher Art gedeckt. Die Konstruktion des Inneren ist durch Wölbungen, durch Anwendung massiver Zwischendecken und durch andere Maassnahmen völlig feuersicher hergestellt.

Am Wormser Thorthurm vermittelt eine vierarmige Freitreppe in den Fussgängerverkehr zwischen der Uferstrasse und der Brücke; am Thorthurm gegen Rosengarten führen die Wendeltreppen bis auf die Hochwasserhöhe hinunter, um bei mittlerem Wasserstand den Leinpfad ohne Umweg erreichen zu können. Bei Hochwasser dienen die Rampen zu beiden Seiten dieses Thurmes als Wellenbrecher und Landungsplätze. Die Eisenbahnbrücke ist gleich der Strassenbrücke aus einem Wettbewerb unter 5 Entwürfen hervorgegangen. Für die Ausführung wurde dem mit dem I. Preise ausgezeichneten Entwurf die Konstruktion und dem mit dem II. Preise ausgezeichneten Entwurf die Architektur entnommen. Der Urheber der letzteren war wieder Karl Hofmann in Darmstadt. Es handelte sich in der Hauptsache um die architektonische Ausbildung der beiden Uferpfeiler, von welchen der linksrheinische zugleich mit einem Durchgangsbogen mit Endwiderlager für den Verkehr auf der Uferstrasse zu verbinden war, während der rechtsrheinische Brückenpfeiler lediglich den Abschluss der Strombrücke und die Verbindung zwischen den Bogenträgern der ersteren und den Parallelträgern der langen Fluthbrücke herzustellen hatte.

Abbildg. 21. Schnitt in der Brückenaxe
Abbildg. 21. Schnitt in der Brückenaxe
Abb. 22-25
Abb. 22-25

Da, abgesehen von dem Durchgangsbogen der Uferstrasse des linken Pfeilers, die architektonische Ausbildung beider Uferpfeiler nahezu gleich ist, so bleibt für uns das wichtigere Bauwerk dieser linksrheinische Uferpfeiler. Für den Ueberbau beider wurde die Form des rheinischen Festungsthores in gedrungener, glücklicher Gestalt gewählt. In starker Rustica-Gliederung erhebt sich das Mauerwerk des Unterbaues und des Widerlagers, unterbrochen von den kräftigen Wulsten des Bogens der Durchlassöffnung der Uferstrasse. Die die Gleise der Brücke begleitenden Fussgängerstege sind am Aeusseren um die Thürme herumgezogen und auf Konsolen vorgekragt, welche in ihrer einfachen mächtigen Gliederung die sonst schlichte Laufgallerie zu einer wirkungsvollen Bekrönung des Unterbaues machen und in den Aufbau eine Unterbrechung bringen, die als ein künstlerisches Moment von wesentlicher Bedeutung zu betrachten ist. Ueber dieser Gallerie folgt das eigentliche Brückenthor, gleich kräftig profilirt in der Durchlassöffnung, jedoch etwas feiner in der Zinnenbekrönung und in den eigenartigen, mit dem Dach zusammenwachsenden Ecklösungen, eine Art kryptogamer Eckthurmlösung. In der Höhe der Uferstrasse dienen die Innenräume zu Magazinzwecken; von den Räumen in der Höhe der Brückenfahrbahn dient der eine dem Brückenwärter, der andere wie auch der ganze Oberraum wirthschaftlichen Zwecken. Von den Räumen des rechtsrheinischen Pfeilers ist ein Theil der Militärverwaltung eingeräumt.

Das Material der Thurmbauten ist Bruchstein-Mauerwerk für den Kern der Umfassungsmauern und für die Innenmauern, und Backsteinmauerwerk für die inneren Gewölbe. Das Aeussere ist bis zum Sockel mit Basaltlava bekleidet, während der Aufbau aus Sandstein besteht; aus Sandstein ist auch das Gewölbe über der Brückenfahrbahn, Der Dachstuhl besteht aus Holz und ist gleich dem oberen Theile der Eckthürme mit rheinischem Schiefer in deutscher Art gedeckt.

Die Kosten der gesammten Steinbauten dieser Brücke haben rd. 970 000 M. betragen, die Kosten der Eisenkonstruktion rd. 1 964 000 M., wozu noch ein Betrag für allgemeine Unkosten von etwa 290 000 M. kommt, sodass der Gesammt-Kostenbetrag der Brücke auf rd. 3 224 000 M. sich beläuft.

Was die Gesammterscheinung der Eisenbahnbrücke anbelangt, so steht diese ohne Zweifel der Erscheinung der Strassenbrücke nach. Das ist aber in den äusseren Verhältnissen begründet. Einmal liegt sie nicht so nahe bei der Stadt Worms, wie die Strassenbrücke; es lag also keine Nothwendigkeit zu so hohem architektonischem Aufwand vor, wie hier. Dann waren die Höhenverhältnisse für die Wahl der Bogenlinie der Eisenkonstruktion hier nicht so günstig, wie bei der Strassenbrücke, wo die Rampenanlagen es ermöglichten, der Brücke eine solche Höhenlage zu geben, dass die Eisenkonstruktion unter die Fahrbahn gelegt werden konnte, eine Anordnung, die in den meisten Fällen ein befriedigenderes Bild ergeben wird, wie eine Anordnung der Konstruktion über der Fahrbahn. Gleichwohl war man auch hier mit allen erreichbaren Mitteln darauf bedacht, der Eisenkonstruktion eine möglichst schöne Linienführung zu geben. Einer hierauf bezüglichen Forderung des Preisausschreibens, dass „auf eine ästhetisch schöne, wenn auch einfache Ausbildung der gesammten Anlage bei wissenschaftlich richtiger, praktisch reifer Anordnung besonderer Werth gelegt“ werde, haben wir schon gedacht. Aber noch an einer zweiten Stelle behält das Preisausschreiben das Ziel der künstlerischen Wirkung des Bauwerkes an erster Stelle im Auge, wenn es auch hier die Breite der Strombrücken-Oeffnungen mit 90 m festsetzt, aber gestattet, dass „falls besondere Gründe, namentlich auch hinsichtlich der architektonischen Gestaltung des Entwurfes eine Abweichung hiervon als zweckmässig sollten erscheinen lassen“, die Seitenöffnungen auf 84 m einzuschränken. Wir sehen also bei beiden Brücken in hochanzuerkennender Weise das Bestreben vorwalten, das Ingenieur-Bauwerk aus der Stellung des nackten Gebrauchszweckes, des günstigsten Rechnungs-Ergebnisses und des grössten Material-Minimums emporzuheben zu der Stellung jener Kulturwerke, mit welchen man neben ihrem eigentlichen praktischen Zwecke gewohnt ist, auch die vornehmere Einwirkung auf den seelischen Eindruck verbunden zu sehen, mit anderen Worten: das Ingenieur-Bauwerk wird aus der mathematischen Sphäre ausgelöst und in die Sphäre übergeleitet, in welcher es dem Volksempfinden näher tritt. Darin liegt der gewaltige Fortschritt der Ingenieur-Baukunst der letzten Jahrzehnte.

Den ausführenden Firmen der Brücke, der Brückenbau-Gesellschaft Harkort in Duisburg und der Tiefbau Firma R. Schneider in Berlin stellt der bauleitende Techniker, Hr. Reg.- und Brth. Geibel, das Zeugniss „musterhafter“ Arbeit aus und rühmt bei der Bearbeitung der Eisenkonstruktion die klare Einzeldurchbildung und die sorgfältige und genaue Aufstellung des umfangreichen Eisenwerkes. Wir glauben diese berechtigte Anerkennung der Arbeiten zu dem schönen Werke dahin erweitern zu dürfen, dass das seinige auch der Architekt der Brücke, Hr. Geh. Ob.-Brth. Prof. K. Hofmann-Darmstadt, zum erfolgreichen Abschluss der schwierigen Arbeiten beigetragen hat, und dass unter dem Zusammenwirken dieser hervorragenden Faktoren auch in der Eisenbahnbrücke ein Bauwerk von vorbildlicher Bedeutung entstanden ist. –

So weit wir zu sehen vermögen, ist es das Verdienst der deutschen Baukunst, in dem Bau der grossen Strombrücken am nachhaltigsten und erfolgreichsten die Wege zu harmonischer Ausbildung des Bauwerkes eingeschlagen zu haben. An diesen Wegen stehen die beiden neuen Wormser Rheinbrücken wie hervorragende Wegedenkmale an einem bedeutungsvollen Abschnitte der Entwicklung, jedoch noch nicht als Denkmale an einem erreichten Ziele. Denn dieses Ziel bleibt nach unserer Meinung auch für die weitgespannte grosse Strombrücke ihre Ausführung in Stein. Dass diese im allgemeinen möglich ist, hat der Wettbewerb für die Wormser Strassenbrücke angedeutet (siehe Jahrgang 1896 S. 153). Dass sie insbesondere hinsichtlich der Konstruktion möglich ist, erweisen die Vorarbeiten Leibbrands für flach- und weitgespannte Brücken in Beton. Und dass man auch wirthschaftlich bereit sein würde, die zweifellos bedeutenderen Mittel für einen allerdings auch monumentaleren Zweck zu bewilligen, das beweist der bedeutende Schritt, den man über das Nothwendigste hinaus bei der Bonner Rheinbrücke und mehr noch bei den Wormser Brücken gethan hat.

Portal der Wormser Seite
Portal der Wormser Seite

Und sollte in der That heute wirthschaftlich nicht mehr möglich sein, was um die Mitte des Jahrhunderts bei den gewaltigen steinernen Viadukten der sächsischen Staatsbahn und anderer Bahnen, was in dem Pont-du-jour bei Paris und bei zahlreichen anderen Bauwerken dieser Art, deren steinerne Massen in gleicher Monumentalität in der bewegten Berg- und Hügellandschaft stehen und eine Zierde für diese sind, wie die römischen Aquaedukte für die Campagna – sollte heute nicht mehr möglich sein, was für diese Bauten möglich war? Wer hätte nicht auf der Deutschen Bauausstellung in Dresden mit tiefem Schmerz und freilich vorläufig noch stiller Resignation den Vergleich auf sich einwirken lassen, der dem Besucher durch die Gegenüberstellung der kraftvollen Steinviadukte der Mitte des Jahrhunderts aus dem Vogtlande mit dem dürftigen Eisengestänge unserer Tage geboten war? Wer hätte nicht das Gefühl gehabt, dass die ersteren eine Bereicherung der Landschaft, die letzteren aber eine leider einstweilen immer noch weiter um sich greifende Verunzierung derselben seien? In wem wäre bei diesem Vergleich nicht der Wunsch aufgestiegen, dass die Periode der Verheerungen, welche das moderne Eisen in unseren schönsten Landschaftsbildern angerichtet hat, bald abgeschlossen sein möge?

Von grösstem Interesse für mich mitbezug auf den Steinbau der Brücken war eine Stelle, die ich in einem Thätigkeitsbericht der Firma Grün & Bilfinger in Mannheim über die von ihr zur Ausführung gebrachten Arbeiten las. Die Stelle betrifft die neun Fluthöffnungen des rechtsufrigen Theiles der Wormser Strassenbrücke und lautet: „Vor allem die Rücksicht auf die weit günstigere Gesammtwirkung des ganzen Baues, aber auch die Erwägungen, dass nach der heutigen Gewölbebaukunst die steinernen Gewölbe bei billigem Material nicht viel theurer werden, als Eisenbauten, ja sich durch Ersparungen an Unterhaltungskosten sogar wirthschaftlicher stellen, gaben Anlass, diese neun Oeffnungen nicht in Eisen, sondern ganz in Stein und Beton herzustellen. Die Oeffnungsbreiten nehmen von 35 bis auf 21 m ab.“ Nun bin ich mir durchaus klar darüber, dass eine Fluthöffnung von 35 m mit hohem Stich etwas wesentlich Anderes ist, als eine zwei bis dreimal so weit gespannte Stromöffnung mit nur kleinem Stich. Ich darf aber, wenn mich meine Erinnerung nicht im Stich lässt, darauf hinweisen, dass der verstorbene Leibbrand eine Betonbrücke von 100 oder mehr Metern Spannweite mit nur 1/11 Stich erfolgreich herzustellen gedachte. Nun ist ja zuzugeben, dass ein riesiger Flachbogie mit nur 1/11 Stich keineswegs zu den Werken gehört, denen man eine besondere künstlerische Wirkung zusprechen kann. Bei Erwähnung dieses Falles kam mir auch nur darauf an, die konstruktive Möglichkeit des Ersatzes des Eisens durch Stein oder Beton – welche beide Materialien man in formaler Beziehung wenigstens als annähernd gleichwerthig betrachten darf – zu erörtern.

Ausserdem wird man die Frage aufwerfen können, ob denn die Strom- und Schiffahrts-Verhältnisse immer und unbedingt z.B. drei Oeffnungen von 90 und mehr Metern erfordern oder ob der gleiche Zweck nicht auch mit vier Oeffnungen von je 75 m erreicht werden kann? Ich bin keineswegs sicher, dass nicht in manchen Fällen der Konstruktions-Ehrgeiz höher veranschlagt worden ist, als die Forderungen aus den natürlichen lokalen Verhältnissen – zu Ungunsten der Gesammt-Erscheinung des Bauwerkes.

Wıe dem nun aber auch sei:
Das ideale Ziel der modernen Brückenbaukunst ist und bleibt, wie ich glaube, der Steinbau, nicht nur für die kurz gespannte Stadtbrücke, sondern auch für die weitgespannte Strombrücke. Denn so hoch man auch die Entwicklung der Eisenbaukunst für besondere Zwecke veranschlagen mag, ein monumentales Material ist das Eisen vermöge seiner natürlichen Eigenschaften nicht. Seine wenig mehr als 50jährige Herrschaft hat freilich noch nicht zu abgeschlossenen Erfahrungen geführt; das aber hat sie mit erschreckender Deutlichkeit schon jetzt erkennen lassen, dass es kein wirthschaftliches Material ist, weil es kein dauerndes Material ist und wenn erst der Standpunkt überwunden ist, eine kleinere Bausumme und grössere Unterhaltungskosten einer grösseren Bausumme, aber nur geringen Unterhaltungsmitteln vorzuziehen, dann wird die Herrschaft der Steinbrücke anheben da, wo die örtlichen Verhältnisse es gestatten. Die Jahrhunderte, ja Jahrtausende der Vergangenheit haben sie geheiligt; diese Thatsache mahnt so eindringlich, dass sie nicht dauernd mehr übersehen werden kann. Die Herrschaft der Eisenbrücke als Architekturwerk wird, davon sind wir überzeugt, bald nur eine Episode in der weiterschreitenden Baukunst sein und wird es bleiben. Der Steinbrücke aber gehören Vergangenheit und Zukunft! –

Albert Hofmann.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Deutsche Bauzeitung vom 17., 21., 24.11., 01., 05., 08.12.1900.