Das Deutsche Theater in München

Ansicht des grossen Hofes

Architekt: Franz Rank in München.

Das Deutsche Theater in München ist eine umfangreiche Baugruppe zwischen Schwanthaler- und Landwehr-Strasse, welche als spekulative Unternehmung des Grosskapitals nach den Entwürfen des Architekten Franz Rank in München errichtet wurde, aber trotz ihrer guten Anlage dem Schicksale nicht entgangen ist, welchem eine Reihe von Theater-Unternehmungen der letzten 10 Jahre verfallen sind.

Auch unser Theater gehört zu denen, welche mit den idealsten Zielen und unter geschwellten Hoffnungen eröffnet wurden, nach wechselvollen Schicksalen aber heute gezwungen sind, von der leichtgeschürzten Muse ihren Unterhalt entgegen zu nehmen und von dem Gewinn der Champagnerflasche zu leben.

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Das Gelände, auf welchem die Baugruppe errichtet wurde, ist, wie der Grundriss lehrt, von recht unregelmässiger Gestalt, die indessen den Scharfsinn und die Dispositionsgabe des Architekten nur reizen konnte. Bei dem Gedanken, das Gelände im Sinne der Erzielung eines möglichst hohen Erträgnisses auszunutzen, kam seine Lage zwischen zwei Münchener Hauptstrassen, zwischen der Schwanthaler- und der Landwehrstrasse wohl inbetracht und man glaubte die erhöhte Ausnutzung durch Anlage einer Passage oder einer Durchgangsstrasse zu erzielen, an welcher nicht nur das Theater als Mittelpunkt des Baukörpers, sondern auch eine Reihe von Läden liegen sollten. Man übersah bei diesem Gedanken nur den einen und zwar wichtigen Umstand, dass eine Passage mit Aussicht auf geschäftlichen Erfolg nur dann angelegt werden kann, wenn sie Verbindungsstrasse zwischen zwei Verkehrsstrassen mit hochgespannter Belastung ist. Das kann man aber weder von der ruhigen Schwanthaler- noch von der noch stilleren Landwehrstrasse sagen. Und da das Theater allein nicht die Anziehungskraft auszuüben vermochte, welche nöthig gewesen wäre, einen geschäftlichen Erfolg der Passage herbeizuführen, so ergab sich hier in der Einwirkung des einen auf das andere ein doppelter Ausfall in der Erfüllung der gehegten Hoffnungen. Mit anderen Worten: die Hauptfaktoren des Unternehmens versagten ihre werbende Kraft und die Nebenfaktoren, die Wohnhäuser mit Restaurants an beiden Strassen, konnten den Ausfall nicht decken – so musste das Unternehmen in den auf dasselbe gesetzten Hoffnungen eine Enttäuschung bringen.

Ansicht des grossen Hofes
Ansicht des grossen Hofes
Theilansicht des Zuschauerraumes mit den Seitenlogen
Theilansicht des Zuschauerraumes mit den Seitenlogen

Die Baugruppe besteht aus dem Wohnhaus mit Café-Restaurant und Läden an der Schwanthalerstrasse, aus dem zentral gelegenen geräumigen Theater mit den zu ihm gehörigen Sälen und aus der Wohnhausgruppe an der Landwehrstrasse. Uns interessirt hier in erster Linie das Theater mit den Sälen, da die Wohnhausbauten bei allem Verdienst in Anlage und Durchbildung sich nicht über einen gewissen Durchschnitt erheben. Nach beiden Richtungen hin aber darf das Theater Anspruch auf Beachtung erheben. – Man betritt das Theater von dem mittleren Passagentunnel aus, von welchem die Abbildung einen Eindruck gewährt. Man gelangt zunächst in das Vestibül, an welchem rechts und links die Kleiderablagen liegen. Geradeaus gelangt man in das unter dem Parkett liegende Foyer, an dessen Seite gegen die Bühne wieder Kleiderablagen liegen. Die mit Waschräumen und Aborten ausgestatteten Garderoben bieten Raum für die Kleidungsstücke von 3500 Besuchern. Der Zuschauerraum besitzt parallele Seitenführung mit halbrundem Abschluss; er besteht aus Parkett, Balkon und Gallerie. Er fasst insgesammt 1500 Personen. Ueber die Art der architektonischen Durchbildung des Raumes unterrichtet unsere umstehende Abbildung. Sowohl an das Parkett, wie an jeden der Ränge schliesst sich eine geschwungene Wandelhalle mit Erfrischungsbuffets. In der Höhe des Parketts stehen durch die Vermittelung der unteren Wandelhalle mit dem Theaterraum die in sich zu benutzenden und abzutrennenden Gesellschaftssäle mit eigenem Aufgang in Verbindung. Der bedeutendste unter ihnen ist der Silbersaal. Bei grossen festlichen Veranstaltungen ist die Möglichkeit geboten, aus Bühne, Parkett, Wandelhalle u. Silbersaal eine grosse Raumgruppe zu schaffen, welche bis gegen 3000 Personen fassen kann. Seitlich des Zuschauerhauses liegen in der Höhe des Balkon-Geschosses Wintergärten, die mit der Wandelhalle in Verbindung stehen.

Das Deutsche Theater in München
Das Deutsche Theater in München

Die Bühne hat bei einer Grundfläche von 320-330 qm (rd. 18:18 m) stattliche Abmessungen und eine Oeffnung von rd. 11 m erhalten. Zu ihren Seiten liegen Garderoben und Requisitenräume durch alle Stockwerke. Die gesammte Bühneneinrichtung ist aus Eisen und folgt elektrischem Antrieb. Die Heizung der gesammten Baugruppe ist eine Niederdruck-Dampfheizung mit Erwärmungsgraden von 20° C, für die Säle und von 12-15 °C. für alle Nebenräume. Die warme Luft wird durch Oeffnungen in der Saaldecke in den Zuschauerraum hineingepresst. Die Entlüftungs-Einrichtungen sehen einen Luftwechsel von 25-30 cbm für den Kopf und die Stunde vor. Bei der Bauausführung spielten Eisen, Stein, Beton und Rabitz aus Gründen der Sicherheit und der Zweckmässigkeit die ausschlaggebende Rolle.

Das Deutsche Theater in München
Das Deutsche Theater in München

Bemerkenswerth ist noch, dass die Küchenanlagen für den Restaurationsbetrieb der Gesellschaftssäle in das oberste Geschoss verlegt wurden, eine Anordnung, welche sowohl durch die Beseitigung der Einwirkung der Küchendünste wie auch durch Ersparungen an Beleuchtungskosten Beachtung verdient. Wirthschafts- und Personenaufzüge vermitteln den Verkehr zwischen Küche und Strasse und Küche und Saal. Ueber den Küchen liegen die Wohn- und Schlafräume ihres Personals. Alles in allem stellt das Deutsche Theater in. München eine architektonische Anlage dar, welche an ihrer Lage krankt, aber trotzdem ein besseres Schicksal verdient hätte, als es ihr bis heute beschieden war. Leider ist bei den eigenthümlichen Theaterverhältnissen der bayerischen Hauptstadt an eine dauernde Besserung nur schwer zu denken.

Dieser Artikel erschien zuerst am 06.12.1899 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „H.“.