Das neue Apollotheater in Düsseldorf

Das neue Apollotheater in Düsseldorf

Arch.: Herm. vom Endt-Düsseldorf. Am 16. Dez. d. Js. ist in Düsseldorf nach etwa einundeinhalbjähriger Bauzeit und unter der Theilnahme der weitesten Kreise der Bevölkerung der bedeutenden rheinischen Kunst- und Industriestadt ein Theaterbau seiner Bestimmung übergeben worden, welcher nach mehr als einer Seite das Interesse jener Bevölkerungsgruppen, welche der Volksunterhaltung als einer den dämonischen Instinkten der Massen entgegenwirkenden einflussreichen Kraft ihre volle Aufmerksamkeit schenken, wachrufen dürfte.

Und dieses Interesse liegt in der vielseitigen Verwendbarkeit des Baues. Denn das Theater ist einerseits der vornehmen heiteren Muse und Konzert-Aufführungen geweiht und kann andererseits durch Entfernung des aus einzelnen Tafeln bestehenden Parkettfussbodens, durch Freilegung der darunter liegenden Arena und durch amphitheatralische Anordnung der unteren Sitze bis zur Brüstungshöhe des I. Ranges in einen geräumigen Zirkus umgewandelt werden. Drittens kann es auch vorübergehenden Ausstellungen als Entfaltungsstätte dienen. Zu diesem Zwecke ist es mit reichlicher Tagesbeleuchtung versehen. Durch die hieraus entspringende Vielseitigkeit der Darbietungen erscheint die wirthschaftliche Lage des Hauses gesichert, und es dürfte in die Möglichkeit versetzt werden können, der grossen Masse gute Vorstellungen gegen billiges Entgelt vorzuführen. Darauf scheint das Haus auch berechnet zu sein, denn es wird angegeben, dass es mehr als 3000 Personen zu fassen vermöge.

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Mit einem Kostenaufwande, der sich einschliesslich der Ausstattung auf etwa 1 200 000 M. beläuft und durch eine Aktiengesellschaft getragen wird, wurde das Haus auf einem 4050 qm grossen Eckgelände errichtet und es haben bei der Planung die aus der Lage sich ergebenden Umstände eine vorzügliche Grundrisslösung bei grösster Einfachheit und Uebersichtlichkeit der Gestaltung herbeigeführt. Unser unterster Grundriss, zeigt das Erdgeschoss und den I. Rang zu einem Zirkus verbunden. Nach Durchschreiten eines dreitheiligen Einganges gelangt man in eine geräumige Vorhalle, an deren beiden Enden halbkreisförmig geschwunene Treppen zur Höhe des I. Ranges hinauffahren, wo sich die Kleiderablagen für diesen Rang befinden. Diese sind nicht sehr aussedehnt, denn Gebäude dieser Gattung stellen an den Besucher nicht die Anforderung des Garderobenzwanges wie andere Theater. Deshalb hat man es auch im Erdgeschoss für ausreichend erachtet, nur vier kleinere Kleiderablagen, davon zwei in der Eintrittshalle und zwei bei den Parkettlogen unter den Treppenaufgängen anzulegen. An die über Eck gelegene Eingangshalle schliessen sich rechts und links im rechten Winkel Restaurationsräume an, die in Verbindung mit dem Umgang um die Sitzreihen zugleich Wandelhallen sind. Es folgen beiderseitig, den Zuschauerraum umfassend, Klosetanlagen und, diagonal gegenüber dem Eingang, die geräumige Bühne, die bei der Verwendung des Hauses als Zirkus Aufsitzraum ist und als solcher mit den im rechten Winkel angelegten ausgebreiteten Stallungen in Verbindung steht.

1. Rang
1. Rang
Parkett
Parkett
Zirkus
Zirkus

Wir haben schon angedeutet, dass wenn eine solche Verwendung des Hauses beabsichtigt ist, der Parkettfussboden, der aus einzelnen grösseren Tafeln besteht, beseitigt und die darunter liegende Arena mit Wassergraben freigelegt wird. Zugleich werden die Sitze von der Arena aus amphitheatralisch bis zur Höhe des I. Ranges im Kreise angeordnet und der auf einer beweglichen Unterlage ruhende Bühnenfussboden aufgenommen. Mit dem anstelle der Bühne sich dann ergebenden Sattelplatz und Aufsitzraum stehen die 1,5 m in den Erdboden vertieft angelegten Stallungen und die darüber befindlichen Garderoben- und Requisitenhäuser in unmittelbarer Verbindung. Der über den Stallungen von letzteren frei bleibende Raum kommt in baupolizeilicher Hinsicht als Hof inbetracht. In der fächerartigen Anordnung dieser Nebenbauten zum Bühnenraum liegt der besondere Vorzug, dass drei unter sich trennbare Raumgruppen gebildet werden, die bei einer Feuersgefahr jede für sich abgeschlossen werden können, sodass Bühne, Requisitenräume und Künstlergarderoben bei drohender Gefahr sowohl in sich bestehen, als im Betrieb vereinigt werden können. Die Lage dieser Raumgruppen ist zugleich eine solche, dass die Feuerwehr von mehren Seiten angreifen kann.

Die in ihrem hinteren Theile dreieckig abgekantete Bühne hat eine Breite von 20 und eine grösste Tiefe von 22 m; diesen Maassen entspricht eine Bühnenöffnung von 12 m Breite und 10 m Höhe. Versenkungen und Schnürboden sind nicht vorhanden, da auf einen umfangreichen Dekorationswechsel mit komplizirten maschinellen Einrichtungen nicht gerechnet wird. Der Zuschauerraum enthält 140 Logen- und 960 Sitzplätze im Parkett, 160 Logen- und 272 Sitzplätze auf dem I. Rang und 530 Sitzplätze auf dem II. Rang. Parkett und Ränge werden von 5 m breiten Wandelgängen umzogen, die sich in die Erfrischungsräume fortsetzen und noch so viele Stehplätze enthalten, dass insgesammt mehr als 3000 Menschen den Darbietungen der Bühne folgen können.

Das neue Apollotheater in Düsseldorf
Das neue Apollotheater in Düsseldorf

Die Leitung und die Sicherheit solcher Menschenmassen erfordern entsprechend geräumige Treppenanlagen und Ausgänge. Es führen deshalb von jedem Rang 4 m breite Treppen unmittelbar ins Freie und es befinden sich im Parkett an fünf Seiten des Hauses sieben breite Ausgänge für die Besucher. Die sechs Buffets der Erfrischungsräume stehen durch Lauftreppen und Aufzüge mit den im Keller der vorderen Gebäudetheile untergebrachten ausgedehnten Küchen-Anlagen in Verbindung. Die Erwärmung des Hauses erfolgt durch eine Zentralheizung; die Lüftungs-Einrichtungen sind derart angelegt, dass stündlich 80 000 cbm frische Luft in das Theater geführt werden können. Das Innere ist ohne Prunkentfaltung mit vornehmer, maassvoller Eleganz durchgeführt und es wird sein Gesammteindruck als freundlich und anmuthig geschildert. Die Dekorationen der Bühne wurden durch Theatermaler Georg Hacker ausgeführt.

Bei der hervorragenden Lage des Theaters an der Königsallee und Aderstrasse war es geboten, auf die Architektur des Aeusseren bei aller Einfachheit eine besondere Sorgfalt zu verwenden. Es ist für dieselbe der Barockstil gewählt und dabei der von gutem Gelingen begleitete Versuch unternommen worden, die Bestimmung des Hauses und seiner einzelnen Raumgruppen nach Aussen zu einem bezeichnenden Ausdruck zubringen. Ueber der geschwungenen Eingangsfront erhebt sich ein Giebel mit Voluten und krönenden Figuren; an diese Front schliessen sich, nicht über das wirkliche Höhenbedürfniss hinausgehend, die Treppenhäuser an und neben ihnen lagern die Restaurationsräume, alles durch grosse Oeffnungen reichlich erhellt. Das Ganze überragt die über dem Zuschauerhause sich aufthürmende polygonale Kuppel mit bis zu 57 m über Strassenkrone ansteigender Laterne: in ihren Flächen sind grosse halbkreisförmige Fenster eingeschnitten, die dem Inneren reiche Lichtmassen zuführen. So stuft sich alles seiner Bedeutung gemäss ab zu einer vielgegliederten Baugruppe, deren repräsentativer Theil die untergeordneten wirthschaftlichen Anlagen in glücklicher Weise verdeckt. Es ist ohne Frage ein weltstädtisches Gebäude, um welches Düsseldorf mit dem Apollo-Theater bereichert worden ist. Wir hoffen, dass es uns vergönnt ist, später auf dasselbe noch weiter zurückzukommen und neben Ansichten nach der Natur unseren Lesern auch die jedenfalls interessanten Einrichtungen vorzuführen, welche zur Umwandlung des Theaters in einen Zirkus getroffen wurden. –

Dieser Artikel erschien zuerst am 30.12.1899 in der Deutsche Bauzeitung.