Architekt: Städt. Bauamtmann Karl Hocheder in München. Durch Beschlüsse der beiden Gemeinde-Kollegien in München vom 6. und 10. Juli 1894 wurden zur Befriedigung der wachsenden Schulbedürfnisse des infolge vermehrter Bauthätigkeit in frischem Aufschwunge sich befindenden Vororts Giesing 375 000 M. zur Erbauung eines neuen Schulhauses bewilligt und mit der Verfassung der Pläne hierzu der städt. Bauamtmann Karl Hocheder betraut.
Als Bauplatz wurde ein ehmals dem Nikolaispitale gehöriges dreieckiges Grundstück gewählt, das von der Columbus-, der Humboldt- und der Pilgersheimer-Strasse begrenzt ist und von welchem der von der Columbus- und der Humboldt-Strasse eingeschlossene, abgestumpfte Winkel für den Bau des Schulhauses und seine spätere Erweiterung, der von der Columbus- und Pilgersheimer-Strasse aber eingeschlossene, gleichfalls abgestumpfte Winkel für die Privat-Bauthätigkeit bestimmt wurden. Die Raumvertheilung ist so vorgenommen worden, dass nach Abzug der Gebäude ein etwa 390 qm grosser Kinder-Spielplatz und für die Schule ein Hofraum von etwa 2000 qm verblieb. Mit dem Bau wurde am 9. August 1894 begonnen und das ganze Gebäude am 9. November 1895 fertiggestellt.
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Die trotz der dreieckigen Gestalt des Bauplatzes erhobene Forderung nach möglichst rechteckiger Form der Schulsäle hatte für die Planung nicht unerhebliche Schwierigkeiten, welchen aber dadurch begegnet wurde, dass die Turnhalle an die abgestumpfte Ecke vorgeschoben wurde und durch sie bezw. durch den mit ihr in Verbindung stehenden Raum für Geräthschaften die Unregelmässigkeiten ausgeglichen wurden. So ist es denn gelungen, ein einreihiges Schulhaus mit nur rechtwinkligen Schulsälen an einem unmittelbar hell beleuchteten Korridor zu erhalten. Für den Erweiterungsbau jedoch ist ein Mittelkorridor mit beiderseitigen Schulsälen angenommen.
Imganzen sind rd. 1060 qm Fläche bebaut worden; davon entfallen auf den zweigeschossigen Turnhallentheil rd. 249 qm, auf den viergeschossigen Theil an der Columbus-Strasse rd. 568 qm und auf den Theil an der Humboldt – Strasse rd. 229 qm. Das Vorhaus beim Eingang zum Kindergarten misst 14 qm.
Die Vertheilung der Räume ist aus den mitgegebenen Grundrissen ersichtlich; hinzugefügt sei, dass das Kellergeschoss den Kesselraum für die Niederdruck-Dampfheizung, 1 Tageszimmer für den Heizer, die Suppenküche, den Suppensaal sowie Aborte, Waschküche, Frischluftkammern, Kellerriume usw. enthält.
Hinsichtlich der künstlerischen Gestaltung des Baues lassen wir nach dem „Bericht des Stadtbauamtes“, dem auch die übrigen Angaben dieser Beschreibung entnommen sind, den Künstler selbst sprechen. Es ist gewissermaassen sein künstlerisches Glaubensbekenntniss, welches hier zum Niederschlag gekommen ist. Er schreibt: „Der Baustil des Hauses schliesst sich den alten klösterlichen Bauten oder Stiftungsbauten unseres engeren Vaterlandes aus dem Anfang oder der Mitte des vorigen Jahrhunderts an. Wie damals, so ist auch jetzt noch der Mangel eines billigen Hausteinmaterials Ursache, dass man die Anwendung eines solchen nur in geringem Maasse planen konnte und hierbei, wie bei den alten Vorbildern, sich auf Portal und Sockel beschränken und die in Ziegelmauerwerk aufgeführten Umfassungswände äusserlich verputzen musste. Es ist hierbei aber sorgfältig vermieden, durch das verputzte Aeussere den Hausteincharakter zu ersetzen, ein Verfahren, das sich in entschiedenen Gegensatz zu einem noch vielfach üblichen Verfahren stellt, welches über den Mangel wirklichen Hausteines durch ein Surrogat hinwegtäuschen will. Es ist also im vorliegenden Falle zielbewusst der Charakter eines echten Verputzbaues angestrebt und die ästhetische Wirkung des Bauwerkes in anderer Weise gesucht, als durch die üblichen Gesimsgliederungen innerhalb der Fassadenflächen.
Diese Wirkung sollte erzielt werden durch eine Zusammenstellung gegensätzlich wirkender Linien. So sollen die lange Vertikale des Thurmes in Gegensatz zu den horizontalen Firstlinien und zum terrassenartig abgeschlossenen niedrigeren Turnhallenbau, die nur wenig gegliederten, mit grossen dreitheiligen, die Schulsäle charakterisirenden Fenster unterbrochenen Flächen des Bauwerkes und die Dächer zu den bewegten Umrissen der Giebel, der Dachaufsätze und des Thurmhelmes und zur kräftigen Gliederung des Portales treten, und dadurch ein Bild erzeugen, das man im landläufigen Sinne als malerisch zu bezeichnen pflegt.“
In den Berliner Tagesblättern erscheinen von Zeit zu Zeit Berichte über die Angelegenheiten städtischer Bauten, namentlich des Berliner Hochbaubüreaus, welche nach der Sachkunde, die sie verrathen und nach ihrem thatsächlichen Inhalte als Stimmungsberichte aus dem genannten Büreau aufgefasst werden müssen.
In einem dieser Berichte der letzten Zeit wurde auch erwähnt, dass die Leitung des städtischen Hochbaubüreaus sich mit dem Gedanken trage, in das thatsächlich etwas eintönig gewordene Bild unserer städtischen Hochbauten dadurch etwas mehr Mannichfaltigkeit zu bringen, dass der Versuch gemacht werden solle, den charakteristischen Putzbau, der an nicht wenig zahlreichen Privatbauten Berlins bereits mit Glück aufgenommen ist, auch für die städtischen Bauten aufzunehmen. Sollte sich das bewahrheiten, so würden wir es mit grosser Freude begrüssen und bei den Studien, die hierfür gemacht werden, mögen die angeführten Ausführungen Hocheders nicht unbeachtet bleiben. Mit diesen Grundsätzen ist es ihm beschieden gewesen, in und um München die schönsten Erfolge zu erzielen. Hinsichtlich des technischen Theiles der Ausführung des inrede stehenden Schulhauses sei erwähnt, dass die Fundamentmauern bis Unterkante Sockel in Portlandzement-Stampfbeton, bis Oberkante Sockel in Roman-Zementmörtel und die übrigen Mauern in Kalkmörtel erstellt sind. Der Sockel ist aus Muschelkalkstein gemauert; aus demselben Material sind das Portal und die Ballustrade der Turnhalle gemeisselt. Die Fassaden haben einen rauhen Kalkputz mit Romanzement-Gesimsen erhalten. Das Hauptdach ist mit Hebertsfeldener Dachplatten, das Turnsaaldach und die Plattform des Abortaufbaues mit Zinkblech No. 14, das Thurmdach, die Giebel und ihre Voluten mit 0,75 mm starkem Kupferblech abgedeckt. Sämmtliche Decken, mit Ausnahme der Decken der Schulsäle, Turnsäle und Gänge, die aus Holzbalken auf Eisenunterzügen bestehen, sind als Eisenbetondecken mit gerader Untersicht erstellt. Die Böden sind im Untergeschoss theils Klinkerpflaster, theils Xylolithpflasterböden auf Betonunterlage. Die Böden in den Wohnungen und Schulsälen sind Fusstafelböden aus Fichtenholz auf Fichtenholzlagern; die Vorplätze und Podeste haben 30 mm starke Eichenholzriemen auf 25 mm starken Fichtenblindböden; bei den Turnsaal- Fusstafelböden sind die Lager auf 15 cm starker Betonschicht verlegt.
Die Vestibüle haben Saargemünder Thonplatten-, die Aborte Asphaltbelag. Die Treppen bestehen aus Granit, Eichen- und Fichtenholz. Die Heizung ist mit geringen Ausnahmen Niederdruck-Dampfheizung, die Beleuchtung im wesentlichen Gasbeleuchtung. Die Lehreraborte haben Unitas- die Knabenaborte Trogklosets mit selbstthätiger Wasserspülung. Das Haus hat ausserdem Einrichtungen für ein elektrisches Läutewerk, für die Feuersicherheit, für Blitzableitung usw. Die Grösse der Schulsäle wechselt zwischen 78,7 und 83 qm Grundfläche. Die Säle sind mit je 18 Stück viersitziger Normalschulbänke System Simmet bestellt.
Dem leitenden Architekten standen bei der Bauausführung für bautechnische Fragen Hr. Ing. Heinlein, für heiztechnische Fragen Hr. Ing. Schneider zurseite. Die Bauführung hatte zuerst Hr. Karl Herrle, nach seinem Austritt Hr. Schmid.
Wer das vorstehend beschriebene Schulhaus in Wirklichkeit gesehen und beobachtet wie es mit seiner vielgestaltigen Form in das bewegte Landschaftsbild sich einordnet und wie mit demselben seit 100 Jahren verwachsen erscheint, wer ferner die übrigen Werke des Künstlers in diesem Vororte, das Pfarrhaus, das Armen-Versorgungshaus, die nach den gleichen künstlerischen Grundsätzen errichtet sind, besucht hat, der muss diesen Grundsätzen einer ungesuchten und ursprünglichen Natürlichkeit in hohem Grade Beifall spenden. An diesen Werken erkennt man, dass ihnen die wirthschaftlichen und technischen Bedingungen des Landes die Form verliehen haben und dass sie „auf heimischer Erde aus heimischer Erde“ errichtet sind.
Dieser Artikel erschien zuerst am 24.07.1897 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „-H.-“.