Das Progymnasium in Linz a. Rhein

In dem freundlichen Rheinstädtchen Linz, dem Architekten durch seine interessanten alten Bauwerke, insbesondere die schöne gothische Martinskirche wohl bekannt, ist in den letzten Jahren der hier abgebildete Neubau eines Progymnasiums erstanden.

Weder eine überraschende architektonische Lösung, noch irgend welche technische Einzelheiten gaben Veranlassung zu diesen Mittheilungen. Aber die klare, ungekünstelte Anlage und die glückliche Einfügung des Gebäudes an der gewählten Stelle sind beachtenswerth. Es ist ausserdem ein in mittelalterlichen Formen und in echtem Material errichtetes Schulgebäude, eine seltene Erscheinung unter den kleineren Bauausführungen an den Ufern des mit alten mittelalterlichen Bauwerken besetzten Rheinstromes. Wo mehr als am Rhein erschrickt man über die zahlreichen gegipsten und geglätteten Haus- und Hotel-Fassaden mit ihrem Dutzendfenster-Axensystem.

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Der Linzer Stadtvertretung muss es deshalb doppelt hoch angerechnet werden, dass sie, im Bewusstsein der Schätze, welche sie in ihren alten Bauwerken besitzt, dem Architekten die Aufgabe stellte, den Schulhaus-Neubau in mittelalterlichen Formen zu errichten und das Stadtbild so vor einem öffentlichen Gebäude zweifelhaften Stiles zu bewahren,

Grundriss

Aus den Mittheilungen über die Bauausführung, welche uns auf Ersuchen zugegangen sind, sei folgendes erwähnt: Bei der Verstaatlichung des Progymnasiums, welches schon seit langer Zeit im Anschluss an eine alte Klosterschule in den Räumen dieses Klosters bestanden hatte, war die Stadt, auf deren Kosten bis dahin die Schule unterhalten wurde, genöthigt, die alten Klostergebäude mit Ausnahme der sich daran anlehnenden Kirche abzubrechen und durch neue, den jetzigen Bedürfnissen entsprechende Schulräume zu ersetzen. Im Anschluss an besagte Kirche musste also mit dieser eine einheitliche Baugruppe geschaffen werden.

Neben den Klassenräumen sollte das Gebäude eine Aula, ein Physikzimmer nebst Instrumentenraum und Sammlungszimmer, ein Naturalienkabinet, ein Reservezimmer, ein Lehrerzimmer, ein Direktorzimmer und eine Schuldienerwohnung enthalten.

Die Eingänge zu den Treppenanlagen sind so angelegt, dass die Schule sowohl von der Unterstadt, als auch von der Oberstadt aus bequem betreten werden kann. Die Lage des Gebäudes an einem Abhange erleichterte die Lösung dieser Aufgabe. Wie aus dem Grundriss des Erdgeschosses hervorgeht, ist der Haupt-Eingang, von dem oberen Stadttheil, von der Löwenstrasse aus vorgesehen, während man am Südwestende der Kapelle durch eine verdeckte Freitreppe von einer vom Rhein herführenden Strasse gleichfalls das Gebäude betreten kann.

Progymansium Linz am Rhein

Dasselbe ist nach Art der meisten alten rheinischen Monumentalbauten in rohem Steinmaterial ausgeführt und mit rauhem Verputzbewurf versehen, während die Ecken und Fenstereinfassungen aus Haustein gefertigt sind. Sämmtliche Korridore und Treppen sind gewölbt und mit Thonfliesen gepflastert. Das Dach ist nach deutscher Art in Schiefer eingedeckt. Der architektonischen Ausbildung der Aula, die mit Holzdecke versehen ist, wurde besondere Sorgfalt zugewandt. Das grosse Spitzbogenfenster derselben hat durch eine Stiftung eine reiche Glasmalerei aus der Werkstätte des Kunstmalers Geiges in Freiburg erhalten.

Die Bauarbeiten wurden grösstentheils durch Linzer Meister tadellos ausgeführt, sodass S. M. der König und Kaiser trotz der Geringfügigkeit der Ausdehnung des Gebäudes keinen Anstand genommen hat, bei Vollendung desselben zweien der Meister, dem Maurer und dem Zimmerer den Kronen-Orden 4. Kl. zu verleihen. Auch die staatliche Schulbehörde ist mit der Einrichtung des Gebäudes in schultechnischer Hinsicht vollkommen zufrieden gestellt.

Herborn. Ludwig Hofmann, Architekt.

Dieser Artikel erschien zuerst am 08.02.1896 in der Deutsche Bauzeitung.