Die Verkehrs-Verhältnisse der Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896

(Vortrag des Hrn. Eisenb.-Bau- und Betr.-Insp. Klinke im Verein für Eisenbahnkunde zu Berlin.) An der Hand einer grossen Anzahl eigens zu diesem Zweck hergestellter mächtiger Wandpläne beleuchtete Redner zunächst die seitens der Eisenbahn-Verwaltung aus Anlass der Gewerbe-Ausstellung hergestellten Bauausführungen auf den Ringbahnstationen Potsdamer Bahnhof, Schöneberg, Tempelhof, Rixdorf, Treptow und Stralau-Rummelsburg, sowie auf dem neu angelegten Bahnhof „Ausstellung“ an der Görlitzer Eisenbahn.

Im besonderen führte derselbe aus, dass auf dem Südring eine Zugfolge von 5 Minuten beabsichtigt sei. Demzufolge hat der Potsdamer Ringbahnhof derart erweitert werden müssen, dass neben der für den gewöhnlichen Verkehr erforderlichen Ablassung von 6 Zügen in der Richtung Halensee-Grunewald bezw. Halensee-Charlottenburg auch noch die Ablassung von 12 Zügen in der Richtung nach Treptow ermöglicht wird; dieses Ziel konnte nur durch Verbreiterung des vorhandenen Viadukts und Anlage einer Anzahl von Nebengleisen errreicht werden. Auf Bahnhof Schöneberg ist die Anlage eines Kehrgleises zur Ausführung gekommen, um bei vorkommenden Betriebsstörungen die Möglichkeit zu haben, die Züge hier wenden zu lassen. Die Bahnhöfe Tempelhof und Rixdorf sind einem vollständigen Umbau unterworfen, um schienenfreie Bahnsteige zu erzielen, da ein Ueberschreiten der Gleise bei einer Zugfolge von 3 Minuten ausgeschlossen erscheint. Der Bahnhof Treptow hat einen zweiten Bahnsteig erhalten, welcher ausschliesslich für den Ringverkehr bestimmt ist, während der bisherige Bahnsteig lediglich dem Stadtverkehr dienen soll. Für die Dauer der Ausstellung sollen also sämmtliche Züge, welche von Treptow nach dem Nordring oder dem Südring gehen, von dem neuen Bahnsteig, dagegen sämmtliche Züge, welche von der Stadt oder von dem Bahnhof „Ausstellung“ gehen, von dem alten Bahnsteig abgefertigt werden.

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Es sind hierdurch klare Verhältnisse geschaffen, welche Irrungen des Publikums ausschliessen und für die glatte Abwickelung des Massenverkehrs auch erforderlich erscheinen. Ferner sind, um jeglichen Gegenstrom des ankommenden und abgehenden Publikums zu vermeiden, zwei Bahnsteigtunnels geschaffen, von denen der eine ausschliesslich für den Zugang, der andere für den Abgang bestimmt ist. Vor dem Eingangstunnel werden Fahrkarten-Verkaufshallen errichtet, welche gleichzeitig die Ausgabe an 10 Schaltern ermöglichen, während an dem Ausgangstunnel ebenso viele Kontrollstellen geplant sind. Auch auf Bahnhof Stralau-Rummelsburg ist durch Herstellung eines neuen Tunnels unter den Südringgleisen und durch Anschüttung eines neuen Bahnsteiges eine schienenfreie Zugänglichkeit zu den Zügen geschaffen. Auf der Stadtbahn soll zu den Zeiten des grossen Verkehrs ein Drei-Minutenbetrieb mit 18 Zügen stündlich zur Durchführung gelangen, von welchen 14 über Treptow zu dem neugeschaffenen Bahnhof „Ausstellung“ geführt werden sollen. Die regelmässige Durchführung dieses Drei-Minutenbetriebes machte einen weitgehenden Umbau der Gleisanlagen auf Bahnhof Charlottenburg nothwendig. Die auf den Stadtbahngleisen verkehrenden Grunewald-Züge mussten bisher vor dem Bahnhof Charlottenburg auf die Ferngleise der Berlin-Wetzlarer Eisenbahn übergeführt werden, hierdurch wurde die Ein- und Ausfahrt von Zügen aus dem Bahnhof Charlottenburg in der Richtung nach Zoologischer Garten wesentlich beeinträchtigt. Andererseits bildeten auf der Westseite des Bahnhofs Charlottenburg die vorhandenen Kreuzungen des Nord- und Südringes missliche Betriebsverhältnisse. Die Beseitigung der Mängel wurde in der Weise erreicht, dass besondere Personengleise von Charlottenburg nach Grunewald in Verlängerung der Stadtbahngleise zur Ausführung gelangten, dass ferner das von Westend einmündende Nordringgleis über die Südringgleise hinweg an den zweiten Bahnsteig geleitet wurde.

Der neue Bahnhof „Ausstellung“ an der Görlitzer Bahn erhält 4 Bahnsteige, von denen 2 hauptsächlich dem Görlitzer Verkehr und 2 dem Stadtverkehr zu dienen haben. Von jedem Bahnsteig führen 2 Treppen zu einer gemeinsamen 10 m breiten Verbindungsbrücke, welche im Verein mit der von der Ausstellung hergestellten Ueberbrückung der Köpenicker Landstrasse bis in den Ausstellungspark führt, Bahnsteige und Verbindungsbrücke sind überdacht. Da die an den Endpunkt der Verbindungsbrücke anschliessenden Wandelgänge in der Ausstellung ebenfalls überdacht sind, liegt die Möglichkeit vor, auch bei regnerischem Wetter trockenen Fusses bis zum Hauptgebäude der Ausstellung zu gelangen. Was die Leistungsfähigkeit der geschaffenen Anlagen anbetrifft, so sollen zur Bewältigung des Massenverkehrs nach dem Bahnhof „Ausstellung“ geleitet werden: von der Stadtbahn 14 Züge, von der Görlitzer Bahn 8 Züge, imganzen 22 Züge.

Ausserdem nach Bahnhof Treptow: vom Südring 12 Züge, vom Nordring 6 Züge und von der Stadtbahn 2 Züge, zusammen 20 Züge, überhaupt also 42 Züge in einer Stunde mit einer Leistungsfähigkeit von etwa 42 000 Personen. Der Transport zur Ausstellung vollzieht sich erfahrungsgemäss allmälich und ohne Schwierigkeit. Der Rücktransport dagegen ist in der kurzen Zeit von etwa 3 Stunden zu bewirken, so dass also die Leistungsfähigkeit der Eisenbahn auf 3 x 42 000 = 126 000 Personen zu veranschlagen ist.

Redner ging hiernach zur Besprechung des Strassenverkehrs über. Die Zufuhrstrassen zur Ausstellung waren ganz unzureichend. Die einzige vorhandene Strasse, die Köpenicker Strasse, im weiteren Verlauf als Schlesische Strasse bezeichnet, war durch die schmalen Hubbrücken über den Luisenkanal, den Landwehrkanal und den Freiarchengraben, sowie ferner durch Häuservorbauten und Vorgärten derart eingeschränkt, dass nicht einmal die Durchführung der Zweigleisigkeit des Strassenbahnbetriebes zu ermöglichen war. Die Stadt Berlin hat durch energisches Vorgehen diese Uebelstände beseitigt. Die schmalen Brücken sind durch 20 m breite feste Bauwerke ersetzt, die Vorgärten und Häuser sind angekauft, die Strasse ist entsprechend verbreitert, so dass sie jetzt erst zur Bewältigung eines Massenverkehrs geeignet erscheint. Ausserdem hat die Stadt Berlin durch Ueberbrückung des Luisenkanals im Zuge der Wasserthorstrasse und des Landwehrkanals im Zuge der Wiener Strasse, sowie durch Anlage eines neuen Weges durch den Schlesischen Busch eine zweite grosse Zugangstrasse zum Ausstellungsgelände geschaffen: Letztere ist zur Anlage der elektrischen Bahn von der Firma Siemens & Halske ausgenutzt. Diese von der Behrenstrasse, Ecke der Wilhelmstrasse, ausgehende Bahn wird durch die Mauer-, Schützen-, Markgrafen-, Hollmann- und Wasserthorstrasse über die erwähnte neue Brücke bis zum Ausstellungslände und über dasselbe hinaus durch die Parkstrasse bis zur Krugallee geführt. Es ist für die Zeiten des lebhaften Verkehrs eine Zugfolge von 2 Minuten in Aussicht genommen. Jeder Zug soll aus einem Motorwagen mit 2-3 Anhängewagen bestehen und rd. 100 Personen fassen, so dass stündlich mit derselben etwa 2500 Personen befördert werden können. Die Grosse Berliner Pferde-Eisenbahn-Gesellschaft beabsichtigt 2 elektrische Linien Zoologischer Garten-Hallesches Thor-Schlesische Strasse und Dönhofsplatz-Ritterstrasse-Schlesische Strasse mit einer Zugfolge von je 6 Minuten und ausserdem 4 Pferdebahnstrecken ebenfalls mit einer Zugfolge von 6 Minuten in Betrieb zu nehmen, so dass auf der Strecke Schlesische Strasse-Treptower Chaussee eine Zugfolge von 1 Minute sich ergiebt. Die Leistungsfähigkeit dieser 6 Strecken ist stündlich auf 4000 Personen anzunehmen also in 3 Stunden 3 x 4000 = 12 000 Personen. Weiter wurden die Omnibuslinien mit einer stündlichen Leistungsfähigkeit von 1500 Personen erörtert und endlich wurde auch über die Mailcoach-Gesellschaft berichtet, dass dieselbe beabsichtige, 10 der bekannten, mit 4 Pferden bespannten Mailcoachwagen, je 32 Personen fussend, in Betrieb zu nehmen, dieselben von den grossen Hotels etwa achtmal täglich abfahren und unmittelbar in den Park einfahren zu lassen, so dass die Leistungsfähigkeit dieser Gesellschaft mit 2500 Personen täglich in Anschlag zu bringen sein wird. Der gesammte in einer Stunde zu bewältigende Strassenverkehr beziffert sich demnach:

Siemens & Halske2 500
Grosse Berliner Pferde-Eisenbahn-Gesellschaft4 000
Omnibus1 500
Mailcoach300
Droschken und Privatfuhrwerkt, geschätzt1 700
zusammen10 000

mithin in 3 Stunden 3 x 10 000 = 30 000 Personen.

Nunmehr verbreitete sich Redner auch über den Wasserverkehr. Bisher war keine einzige Anlegestelle am Treptower Park vorhanden, nunmehr sollen nach fester Vereinbarung mit der Wasserbaupolizei 6 Anlegestellen errichtet werden. Zwei derselben dienen dem Verkehr der Spree-Havel-Dampfschiffahrts-Gesellschaft „Stern“, zwei dem der Motorboot-Gesellschaft, eine dem Dampfschiffahrts-Unternehmen Graul und die letzte gemeinsam der Dampfschiffahrts-Unternehmung der Hrn. Tismar und Nobiling. Die Dampfschiffahrts-Gesellschaft „Stern“ beabsichtigt den Betrieb mit 2 elektrischen und 14 Dampfbooten von 100 bis 500 Personen Fassungsraum aufzunehmen, die Motorboot-Gesellschaft ebenfalls mit 2 elektrischen und 10 Dampfbooten, Graul mit 6, Tismar mit 4 und Nobiling mit 7 Booten. Die Schiffsfolge in der Zeit von 8 bis 2 Uhr ist bei allen Gesellschaften 30 Minuten. Nachmittags und Abends führt die Gesellschaft „Stern“ in Zwischenräumen von 15, zeitweise auch 7 ½ Minuten, die Motorboot-Gesellschaft in 5 Minuten, Graul in 15 Minuten, Tismar in 30 Minuten, Nobiling in 20 Minuten. Die Leistungsfähigkeit der einzelnen Gesellschaften innerhalb 3 Stunden beziffert sich auf:

„Stern“12 000
Motorboot-Gesellschaft7 000
Graul1 500
Tismar2 000
Nobiling1 500
zusammen24 000

bewirkt durch 4 elektrische Boote und 47 Dampfschiffe.

Endlich gab Redner noch Aufschluss über die dem Binnenverkehr in der Ausstellung dienende elektrische Bahn, die von der Ausstellungsleitung hergestellt ist und von den Gebrüdern Naglo betrieben werden soll. Gebr. Naglo sind auf Verlangen der Ausstellung verpflichtet, die Züge in Zwischenräumen von 1 ½ Minute folgen zu lassen; dabei soll jeder Zug einen Fassungsraum von 100 Personen besitzen. Die ursprünglich als Verkehrsmittel in Aussicht genommene Stufenbahn ist aus mehrfachen Gründen nicht zur Ausführung gelangt, dagegen wird eine Versuchsstrecke von 500 m Länge als Verbindungsbahn zwischen dem Ausstellungs- und Vergnügungspark durch den Generalunternehmer Hrn. Damm gebaut und betrieben werden.

Im Anschluss an die Verkehrsverhältnisse gab Redner sodann ein anschauliches Bild von der Gestaltung der grossen Ausstellungsbauten im allgemeinen, insbesondere auch noch von den hochinteressanten Privatunternehmungen: Alpen-Panorama, Alt-Berlin, Kolonial-Ausstellung und Kairo, auch hier alles durch Pläne und farbige Ansichten erläutern. Das Unternehmen Kairo war durch ein sauber ausgeführtes grosses Modell veranschaulicht.

Dieser Artikel erschien zuerst am 22.02.1896 in der Deutsche Bauzeitung.